Die künftige große Koalition von Union und SPD will mit zwei Milliarden Euro ab 2020 den sozialen Wohnungsbau ankurbeln. Doch ob Geld allein hilft, die Misere beim Bau von Mietwohnungen mit Preisbindung rasch zu beenden, bezweifeln viele Experten. Fehlendes Bauland, lange Genehmigungsverfahren, hohe Baustandards und nicht selten Proteste von Anwohnern gegen Neubauten gelten als hohe Hürden.

Derzeit gibt es nach Angaben des Deutschen Mieterbundes rund 1,2 Millionen Sozialwohnungen. Ende der 80er Jahre waren es noch etwa vier Millionen. Dann kam die Föderalismusreform 2006. Der Bund übergab seine Verantwortung für die soziale Wohnraumförderung samt der Gesetzgebung dazu vollständig in die Zuständigkeit der Bundesländer. Er strich seine Finanzhilfen, hilft aber seither mit sogenannten "Kompensationshilfen". In diesem Jahr gibt die Regierung 1,5 Milliarden, 2019 eine Milliarde Euro.

"Hausgemachtes Problem"

Für den Wohnungsbau blieb diese Reform nicht ohne Folgen, wie die Bundesregierung im März 2017 auf eine Anfrage der Linksfraktion einräumte: "Seit der Föderalismusreform I sanken in den folgenden Jahren die Neubauzahlen deutlich. Im Jahr 2009 wurden nur noch knapp 160.000 Wohnungen gebaut. Der Anteil des geförderten Wohnungsneubaus an den fertiggestellten Wohnungen sank von 15 Prozent im Jahr 2009 auf rund sechs Prozent jeweils in den Jahren 2013 und 2014."

Für den Deutschen Mieterbund ist das ein hausgemachtes Problem. Geschäftsführer Ulrich Ropertz sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Eine konkrete gesetzliche Verpflichtung für die Länder, die Gelder des Bundes für den Bau von Sozialmietwohnungen einzusetzen, gibt es nicht." Die Folge: Eine Reihe von Ländern habe die Gelder für die Wohneigentumsförderung, Modernisierungen von Bauten oder Infrastrukturmaßnahmen verwendet.

Zeitliche Befristung

Grund für die sinkende Zahl an mietpreisgebundenen Wohnungen sind aber nicht nur fehlende Neubauten. Der Mieterbund verweist darauf, dass Sozialwohnungen, die mit öffentlichen Geldern oder Zinsverbilligungen gefördert wurden, stets nur zeitlich befristet einer Belegungs- oder Mietenbindung unterliegen. Je nach Förderbedingungen des Landes kann das 15 bis 35 Jahre gelten. Ropertz: "Systembedingt fallen jedes Jahr Zigtausend Wohnungen aus den Bindungen mit der Folge, dass ehemalige Sozialwohnungen wie frei finanzierte Wohnungen am Wohnungsmarkt behandelt werden." Aktuell gilt das pro Jahr für bis zu 60.000 Wohnungen.

Um dieses Abschmelzen der Sozialwohnungsbestände zu verhindern, müsste der Neubau von Sozialwohnungen auf ein weit höheres Niveau gehoben werden. 2016 wurden nur knapp 25.000 neue Sozialwohnungen errichtet.

Vor diesem Hintergrund nimmt Ropertz die Länder in die Pflicht: Sie sollten nicht nur die Kompensationszahlungen des Bundes für die soziale Wohnraumförderung verwenden, sondern gleichzeitig Finanzmittel mindestens in der gleichen Höhe zur Verfügung stellen: "Auch das ist in der Vergangenheit vielfach nicht passiert."

350.000 Wohnungen jährlich

Auf die Frage der Linksfraktion, wie viele neue Wohnungen bundesweit überhaupt gebraucht werden, erklärte die Bundesregierung, der genaue Bedarf könne nur von den Ländern eingeschätzt werden. Doch die Einschätzung des Eduard Pestel Instituts für Systemforschung vom August 2012, dass derzeit in Deutschland vier Millionen Sozialwohnungen fehlen, teilt die Regierung ausdrücklich nicht: Die Forscher gingen davon aus, "dass grundsätzlich alle einkommensschwachen Haushalte Sozialwohnungen benötigen. Dies ist nicht zutreffend."

Laut Bundesbauministerium besteht kurz- und mittelfristig ein jährlicher Neubaubedarf von mindestens 350.000 Wohnungen pro Jahr. Die Länder seien mittels finanzieller Hilfe des Bundes in der Lage, "für die Jahre 2017 und 2018 den Bau von schätzungsweise 45.000 neuen Sozialwohnungen jährlich zu ermöglichen". Doch selbst wenn diese Zahl erreicht würde, blieben die Engpässe bestehen. Die Bauwirtschaft hat in einer aktuellen Studie nachgewiesen, dass es jährlich mindestens 80.000 neue Sozialwohnungen sein müssten.