Weimar/Erfurt (epd). Am Wochenende des 18. und 19. Januar 2020 wurde im Eingangsbereich zum Gelände der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in der Nähe von Nordhausen ein verdächtiges Päckchen gefunden. Nach kriminaltechnischen Untersuchungen stehe nun fest, dass es sich bei dem Fund "um einen zündfähigen Sprengkörper mit ernstzunehmender Wirkung" handelte, teilte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora am 20. Februar in Weimar mit. Sie bestätigte damit Informationen der Landtagsabgeordneten Katja Mitteldorf (Linke).
Laut Stiftung grenzt an die Gedenkstätte ein stillgelegter Tagebau zur Gewinnung von Anhydrit. Erste Untersuchungen hätten den Verdacht nahegelegt, es könne sich um zündunfähigen alten Industriesprengstoff handeln, sagte Stiftungssprecher Rikola-Gunnar Lüttgenau. Weitere Untersuchungen und Ermittlungen liefen.
Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora habe umgehend alle ihr von der Polizei gegebenen Informationen an den Wachschutz sowie alle Beschäftigten weitergeben und die Wachsamkeit verstärkt. "Die Mitarbeiter sind angesichts der Bedeutung der Gedenkstätten und vor dem Hintergrund potenzieller rechtsextremer Übergriffe ohnehin für auffällige Gegebenheiten und Gegenstände sensibilisiert und werden regelmäßig entsprechend fortgebildet", erklärte Lüttgenau. Für eine abschließende Beurteilung sei die Stiftung auf die Ermittlungsergebnisse der Polizei angewiesen.
Noch bleibe abzuwarten, ob es den Behörden möglich sein werde, Ermittlungsergebnisse zu Personen, dem Zeitpunkt des Ablegens und den genauen Hintergründen zu ermitteln, sagte Mitteldorf: "Dennoch müssen wir feststellen, dass dies der erste Fund solch massiver Art auf einem Gedenkstättengelände ist." Das sei schockierend.
Bereits die wiederholten Schändungen in Mittelbau-Dora, aber auch anderer Gedenkstätten, seien ein deutliches Fanal an die Gesellschaft, dass Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit gegenüber Antisemitismus und Rassismus als demokratischer Konsens verteidigt werden müssten, erklärte die Linken-Abgeordnete. Ein Sprengstoff-Fund an einem für Deutschland so wichtigen Erinnerungsort sei eine weitere beängstigende Steigerung.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Madeleine Henfling, stellte einen Zusammenhang mit den Morden von Hanau her. Ausgerechnet an dem Tag, der von den schrecklichen Anschlägen geprägt sei, "wird auch noch bekannt, dass auf dem Gelände der Gedenkstätte Mittelbau-Dora zündfähiger Sprengstoff gefunden wurde", sagte sie.
Bisher sei nicht klar, wann genau der Sprengstoff abgelegt wurde, betonte Henfling. Der Vorfall zeige jedoch, "dass radikalisierte Menschen inzwischen auch nicht mehr davor zurückschrecken, Gedenkorte anzugreifen und in Kauf nehmen, dass dabei Menschen verletzt und getötet werden".
Das Konzentrationslager Dora war am 28. August 1943 bei Nordhausen als Außenlager des KZ Buchenwald eingerichtet und im Herbst 1944 als KZ Mittelbau reorganisiert worden. In dem KZ waren etwa 60.000 Häftlinge aus 48 Nationen inhaftiert. Ein Drittel starb wegen der inhumanen Arbeits- und Lebensbedingungen etwa bei der Produktion von V2-Raketen in unterirdischen Stollen.