Berlin (epd). Hilfsangebote für suizidgefährdete Menschen müssen nach Ansicht von Fachleuten finanziell besser abgesichert werden. Nötig seien Bundesmittel von mindestens 20 Millionen Euro im kommenden Jahr, forderten Vertreter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSPro) am 24. Oktober. Zahlreichen niedrigschwelligen Präventionsangeboten etwa in der Telefon- und Online-Beratung fehle eine nachhaltige Finanzierung.
Mithilfe eines Bundesförderprogramms sollten Bund und Länder künftig gemeinsam entsprechende Einrichtungen, Angebote und Netzwerke erhalten und weiterentwickeln, sagte NaSPro-Sprecher Reinhard Lindner. Unter anderem müsse eine zentrale Informations- und Koordinationsstelle mit einer allzeit erreichbaren Telefonnummer eingerichtet und auch dauerhaft finanziert werden. Auch der Erhalt und Ausbau bestehender palliativer und hospizlicher Hilfen am Lebensende müsse finanziell gefördert werden. „Leider sind bis jetzt im Haushaltsplan 2024 der Bundesregierung keine Mittel für die Förderung der Suizidprävention vorgesehen. Diese Mittel wären aber absolut notwendig. 20 Millionen Euro für die Suizidprävention wären ein Zeichen der Hoffnung für viele Menschen in unserem Land“, heißt es in einer Stellungnahme.
Der Neurologe und Psychiater Lindner verwies auf den „Kasseler Aufruf 2023“, in dem mehr als 100 Fachleute ebenfalls mehr Mittel für die Suizidprävention im Bundeshaushalt 2024 forderten. Georg Fiedler von der Deutschen Akademie für Suizidprävention unterstrich, der Bundestag habe Anfang Juli mit großer Mehrheit die Förderung der Arbeit beschlossen. Bislang sei aber nichts passiert. „Prävention ist eine Investition in die Zukunft“, mahnte Fiedler: „Wer kurzfristig denkt und bei der Prävention spart, zahlt später drauf.“
2021 beendeten laut Statistischem Bundesamt 9.215 Menschen ihr Leben durch einen Suizid, fast drei Viertel von ihnen waren Männer. Den Statistikern zufolge gab es im Vergleich zum Vorjahr (9.206 Suizide) einen minimalen Anstieg. Insgesamt ist die Zahl der Suizide jedoch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen: 1980 nahmen sich beispielsweise noch rund 50 Personen pro Tag das Leben.
Fiedler sagte, gäbe es nicht eine Vielzahl von Angeboten der Psychiatrie, dann lägen die Zahlen sicher sehr viel höher. Wolle man das Thema Suizid enttabuisieren und erreichen, dass mehr Menschen Hilfe in Anspruch nehmen, müssten laut Fiedler zwei Dinge geschehen: „Es muss darüber informiert werden, dass es Hilfe gibt und wo sie zu finden ist. Und man muss dafür Sorge tragen, dass diese Hilfen auch zur Verfügung stehen.“
Der Vorsitzende der „TelefonSeelsorge Deutschland“, Helmut Ellensohn, sprach sich für den Aufbau einer bundesweiten Hotline zur Suizidprävention aus. Die Telefonseelsorge könne aufgrund ihres breiten Angebotes nicht alle Menschen erreichen, die Hilfe benötigen. Zugleich mahnte er eine bessere Förderung für die Telefonseelsorge an, damit sie weiterhin flächendeckend rund um die Uhr verfügbar sein könne. Der größte Teil der Finanzierung komme bislang von den beiden großen Kirchen, sagte Ellensohn. Die 1956 gegründete Telefonseelsorge gilt als erstes Angebot dieser Art unter den Krisenberatungsangeboten.
Eine fehlende Anschlussfinanzierung droht nach eigenen Angaben unter anderem der Online-Suizidprävention für junge Menschen „U25“. Zudem verfüge das Angebot unter dem Dach des Caritasverbandes über zu wenig Vollzeitstellen, sagte Projektleiter Klaus Weckwerth. So hätten in diesem Jahr nur 20 Prozent der Neuanfragen von Ratsuchenden angenommen werden können.