sozial-Politik

Abschiebungen

Beauftragter: Defizit-Debatte um Geflüchtete ist schädlich



Hannover (epd). Niedersachsachsens Migrationsbeauftragter Deniz Kurku (SPD) hat die defizitorientierte Diskussion in der Politik über Flüchtlinge kritisiert. Es werde vor allem über Probleme gesprochen, aber oft das Positive übersehen, sagte Kurku in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die Pläne der Bundesregierung zu beschleunigten Abschiebungen sieht der Migrationsbeauftragte skeptisch. Bislang scheiterten Abschiebungen meistens daran, dass Herkunftsländer die Geflüchteten nicht zurücknähmen. Das werde sich durch die neuen Gesetzespläne kaum ändern. Positiv wäre es allerdings, wenn die Asylverfahren beschleunigt würden. Die Menschen bräuchten schnell Klarheit über ihre Bleibeperspektive. Kettenduldungen über Jahre erschwerten das Ankommen.

Gute Infrastruktur zur Integration weiter ausbauen

Niedersachsen habe grundsätzlich eine gute Integrationsstruktur. Sie müsse allerdings angesichts der hohen Zuwanderungszahlen verbessert werden. "Jeder Euro, den wir nicht vernünftig in die Integration investieren, wird uns später um ein Vielfaches teurer zu stehen kommen, sagte Kurku.

Das Land dürfe zudem seine Pflicht nicht vernachlässigen, den Schutzsuchenden mit Menschlichkeit zu begegnen, mahnte Kurku. „Wenn jemand seine Heimat, Verwandte und Freunde verlassen muss, dann ist das keine Kleinigkeit.“

„Pflicht, Menschen zu helfen“

Er wolle die Herausforderungen für die Kommunen und ihre Strukturen nicht kleinreden, sagte der Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe. Es sei auch nicht hilfreich, dass einige Staaten in Europa sich weigerten, Geflüchtete in größerer Zahl aufzunehmen. „Aber dennoch ist mir die alleinige Konzentration darauf in der Debatte zu einfach.“ Die Politik, aber auch weitere gesellschaftliche Akteure wie die Kirchen und die Gewerkschaften seien gefragt, immer wieder deutlich zu machen, dass es eine Pflicht sei, Menschen zu helfen. „Deutschland und Niedersachsen zeichnet es aus, dass wir bisher immer offen waren und Hilfesuchende aufgenommen haben.“

Auch die Klage über den Rückgang ehrenamtlich Engagierter in der Flüchtlingshilfe berücksichtige nicht, „dass viele Menschen etwas tun und dafür auch etwas zurückbekommen“, betonte der Kurku, der als Abgeordneter im Landtag und im Rat der Stadt Delmenhorst sitzt. Immerhin 7,7 Prozent der Ehrenamtlichen in Niedersachsen engagierten sich für die Integration der Schutzsuchenden. Viele erzählten ihm, wie bereichernd diese Arbeit für sie selbst sei.

Die Defizit-Diskussion befeuert nach den Worten Kurkus die ohnehin bestehenden Sorgen der Menschen angesichts von Klimakrise, Kriegen, Inflation und negativen Folgen von Globalisierung und Digitalisierung. Populistische Parteien wie die AfD seien die Nutznießer solcher Entwicklungen. Das zeige sich auch in anderen europäischen Ländern.

Martina Schwager


Mehr zum Thema

Bundesmittel für effektive Prävention gefordert

Jährlich nehmen sich rund 9.000 Menschen in Deutschland das Leben. Für Suizidgefährdete gibt es niedrigschwellige Hilfsangebote. Allerdings sind viele davon unterfinanziert. Fachverbände nehmen deshalb den Bund in die Pflicht.

» Hier weiterlesen

Längerer Gewahrsam, mehr Durchsuchungen, weniger Ankündigungen

Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass mehr Ausländer, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, das Land verlassen. Am 25. Oktober billigte das Bundeskabinett in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

» Hier weiterlesen

Experte: "Neues Gesetz löst kein einziges reales Problem"

Berlin (epd). Der stellvertretende Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, Stefan Keßler, hat den Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für schnellere Abschiebungen scharf kritisiert. „Das Gesetz verspricht die Lösung von Problemen, die mit der Migration zusammenhängen sollen, löst aber kein einziges reales Problem“, sagte Keßler dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Sollte das Gesetz so durchkommen, wird es neue Probleme schaffen und das Leid der Betroffenen erhöhen.“ Am 25. Oktober hat das Bundeskabinett den Entwurf beschlossen.

» Hier weiterlesen

FDP-Abgeordnete: Staat nicht ausreichend auf Einwanderung vorbereitet

Nürnberg (epd). Die FDP-Bundestagsabgeordnete Ann-Veruschka Jurisch (FDP) hat staatliche Versäumnisse in der Migrationspolitik eingeräumt. Nach den hohen Flüchtlingszahlen 2015 habe es der Staat verpasst, sich gut genug auf Zeiten starker Einwanderung vorzubereiten, kritisierte sie am 24. Oktober bei einer Veranstaltung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg.

» Hier weiterlesen