sozial-Politik

Abschiebungen

Längerer Gewahrsam, mehr Durchsuchungen, weniger Ankündigungen



Die Bundesregierung will dafür sorgen, dass mehr Ausländer, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, das Land verlassen. Am 25. Oktober billigte das Bundeskabinett in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Berlin (epd). Der Gesetzentwurf der Ministerin sieht der unter anderem mehr Befugnisse der Behörden bei der Durchsetzung von Abschiebungen vorsieht. Der Bundestag muss das Gesetzespaket noch beraten. Das steht drin:

LÄNGERER AUSREISEGEWAHRSAM: Künftig soll ein bis zu 28-tägiger Ausreisegewahrsam möglich sein, um eine Abschiebung zu vollstrecken. Die Maximaldauer liegt derzeit bei zehn Tagen, reicht laut Bundesinnenministerium aber oft nicht aus, um alle Vorbereitungen zu treffen. Im Ausreisegewahrsam können Menschen festgehalten werden, bei denen die Voraussetzungen für eine Abschiebehaft nicht erfüllt sind, aber dennoch angenommen wird, dass sie versuchen werden, einer Abschiebung zu entgehen. Das ist laut Gesetz schon dann der Fall, wenn sie die Frist zur Ausreise um mehr als 30 Tage haben verstreichen lassen.

MEHR BEFUGNISSE BEI DURCHSUCHUNGEN: In Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften soll der Polizei bei einer geplanten Abschiebung künftig erlaubt sein, auch andere Wohnräume als die der Abzuschiebenden zu durchsuchen. Damit soll verhindert werden, dass sich Betroffene bei Zimmernachbarn verstecken können. Zudem soll es künftig auch erlaubt sein, die Wohnung oder Räume eines Ausländers nach Unterlagen oder Datenträgern zu durchsuchen, die über seine Identität Auskunft geben. Das Gesetz soll zudem klarstellen, dass die Behörden Daten von mobilen Geräten wie Smartphones und aus digitalen Speicherdiensten (Clouds) auslesen dürfen, wenn Pass oder andere Identitätspapiere fehlen.

WEGFALL DER ANKÜNDIGUNG VON ABSCHIEBUNGEN: Die bisherige Pflicht, Menschen, die seit mindestens einem Jahr in Deutschland geduldet waren, eine Abschiebung mindestens einen Monat zuvor anzukündigen, soll grundsätzlich gestrichen werden. Eine Vorwarnung sollen nur noch Familien mit Kindern unter zwölf Jahren erhalten. Auch in der Abschiebehaft soll die Ankündigungspflicht entfallen.

ABSCHIEBUNGEN AUCH IN DER NACHT: Das Aufenthaltsgesetz lässt Abschiebungen in der Nacht nur in Ausnahmefällen zu. Faesers Gesetz will diese nun erweitern: Wenn bei einer Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedstaat durch die Vorgabe dieses Landes oder einen späten Flug ein „Ergreifen zur Nachtzeit“ erforderlich ist, soll es künftig zulässig sein, die Menschen nachts etwa auch aus Gemeinschaftsunterkünften herauszuholen.

AUSWEISUNG VON MUTMAßLICHEN MITGLIEDERN ORGANISIERTER KRIMINALITÄT: Faeser will mit dem Gesetz die Möglichkeit schaffen, Menschen auszuweisen, die mutmaßlich einer kriminellen Vereinigung angehören. Unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung sollen die Behörden davon ausgehen, wenn „Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen“. Ein bloßer Verdacht durch ein Verwandtschaftsverhältnis zu einem Mitglied organisierter Kriminalität soll aber nicht ausreichen.

VERSCHÄRFUNG VON STRAFVORSCHRIFTEN: Das Gesetz sieht eine Reihe weiterer Verschärfungen vor: Unter anderem soll ein „besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ künftig angenommen werden, wenn jemand wegen Schleusungskriminalität zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Bislang sind es zwei Jahre. Zudem sollen Verstöße gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote ein eigenständiger Grund für eine Abschiebehaft werden. Falschangaben gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sollen ein eigener Straftatbestand werden. Ferner soll künftig schon mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden können, wer einmal gegen Meldepflichten oder eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung etwa auf einen Landkreis verstößt. Bislang gilt das nur für wiederholte Verstöße.

Corinna Buschow


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