sozial-Politik

Abschiebungen

Experte: "Neues Gesetz löst kein einziges reales Problem"



Berlin (epd). Der stellvertretende Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, Stefan Keßler, hat den Gesetzentwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für schnellere Abschiebungen scharf kritisiert. „Das Gesetz verspricht die Lösung von Problemen, die mit der Migration zusammenhängen sollen, löst aber kein einziges reales Problem“, sagte Keßler dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Sollte das Gesetz so durchkommen, wird es neue Probleme schaffen und das Leid der Betroffenen erhöhen.“ Am 25. Oktober hat das Bundeskabinett den Entwurf beschlossen.

Keßler ist Referent für Politik und Recht sowie Sozial- und Verfahrensberatung beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst. Die internationale katholische Hilfsorganisation engagiert sich seit 1995 in Deutschland für Abschiebungshäftlinge und Menschen mit unsicherem oder ohne Aufenthaltsstatus.

Ausreisegewahrsam wird verlängert

Der Gesetzentwurf sieht mehr Befugnisse für Behörden und Polizei vor, um Rückführungen abgelehnter Asylbewerber durchzusetzen. So soll etwa die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams, mit dem ein ausreisepflichtiger Ausländer festgesetzt werden kann, von 10 auf 28 Tage verlängert werden. Damit werde die Zahl der Abschiebungen wahrscheinlich nicht erhöht, sagte Keßler. Aber: „28 Tage in Haft: Das wird für viele Betroffene sehr leidvoll sein und die entsprechenden psychischen Folgen haben.“

Der Entwurf soll es der Polizei zudem ermöglichen, Handys ausreisepflichtiger Personen auszulesen. Keßler äußerte ernsthafte Bedenken, ob das mit dem Grundgesetz und dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundrecht auf Datenschutz vereinbar sei.

Gegen Abschiebungen „um jeden Preis“

Vorgesehen ist zudem, dass Polizisten zur Durchsetzung einer Abschiebung auch andere Räume als die des Betroffenen betreten können. Auch Abschiebungen in der Nachtzeit sollen erleichtert werden. Keßler warnte: „Sie können sich vorstellen, welche Unruhe ein Abholversuch in der Nacht in einer Gemeinschaftsunterkunft auslöst, noch dazu, wenn fast wahllos Zimmer durchsucht werden.“

„Abschiebung um jeden Preis“ könne nicht das Ziel sein, betonte Keßler. Die überwiegende Mehrheit der als ausreisepflichtig geltenden Ausländer könne ohnehin nicht abgeschoben werden, weil sie geduldet seien. Gründe für eine Duldung können etwa Krankheit oder die Sicherheitslage im Heimatland sein. Auch wer eine Ausbildung macht oder wem die nötigen Ausweispapiere fehlen, wird nicht abgeschoben. „Viele der formal Ausreisepflichtigen möchten an der Gesellschaft teilhaben und sich einbringen“, betonte Keßler. Die Politik müsse mehr dafür tun, um diesen Menschen die Integration zu erleichtern.

Urs Mundt


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