München (epd). Man merkt Matthias Rechholz die Ausweglosigkeit der Situation an: „Ich habe hier einen Vertrag liegen, den dürfte ich aus wirtschaftlicher Sicht eigentlich nicht unterschreiben - aber mir bleibt keine Wahl, wenn ich den Betrieb aufrechterhalten will“, sagt der geschäftsführende Vorstand der Diakoniewerke Sulzbach-Rosenberg in der Oberpfalz und Eckersdorf in Oberfranken. Es geht um Zeitarbeit in der Pflege. Rechholz ist froh über die bayerische Bundesratsinitiative, die Leiharbeit begrenzen will.
Die Situation ist verzwickt. „Wir haben mehrere Heime, in denen wir auf Zeitarbeit zurückgreifen müssen“, sagt Rechholz, der bei der KDSE in Nürnberg angestellt ist, einer Tochterfirma der Diakonie Bayern. Die KDSE bietet Diakoniewerken verschiedene Dienstleistungen an. Dazu zählt auch Interimsmanagement. Sie hat also Matthias Rechholz als fachkundigen Geschäftsführer zur Verfügung gestellt. Zeitarbeit sei etwa dann notwendig, wenn relativ viele Beschäftigte für einen langen Zeitraum krank seien, sagt Rechholz. Denn in solchen Fällen könne man Stellen nicht neu besetzen, schließlich können die Erkrankten jederzeit wiederkommen.
Das Problem liegt vor allem in den wirtschaftlichen Folgen. Denn: Die Kosten der Leiharbeit liegen oftmals weit über den üblichen Personalkosten und werden daher von den Kostenträgern wie den Pflegekassen nicht erstattet. Die Leiharbeit könne „Einrichtungen der Altenhilfe mittelfristig in ihrer Existenz gefährden“, sagt die bayerische Diakonie-Vorständin Sandra Schuhmann. Der Gesetzgeber müsse deshalb dafür sorgen, dass die Kostenschere zwischen Stammpersonal und Leiharbeitskräften nicht zu weit auseinandergeht.
Die bayerische Staatsregierung hat deshalb den Bund am 16. Juni mit einer Initiative im Bundesrat dazu aufgefordert, eine Regelung auf den Weg zu bringen, um Stammpersonal und Leiharbeitskräfte künftig gleich zu behandeln. Anders lautende Vereinbarungen sollten für „unzulässig erklärt und Verstöße sanktioniert werden“, findet Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Zeitarbeitsfirmen zahlten häufig besser und machten bei den Arbeitszeiten mehr Zugeständnisse, als es beim Stammpersonal möglich ist. Der Bundesrat verwies den Antrag aus München an die Ausschüsse.
Rechholz bestätigt, dass Leiharbeiter in der Pflege oft besser bezahlt werden. Im vorliegenden Vertrag fordert die Zeitarbeitsfirma einen Stundenlohn von 64,50 Euro netto - mit Umsatzsteuer also mehr als 76 Euro. „Wenn wir einer Fachkraft Tariflohn inklusive der Sozialabgaben und der privaten Zusatzrente zahlen, landen wir bei nicht einmal 30 Euro“, sagt er. Und eben auch nur diese Summe werde von den Kostenträgern refinanziert. „Natürlich verdienen auch die Zeitarbeitskräfte besser als das Stammpersonal“, sagt er. Die eigentlichen Profiteure allerdings seien die Leiharbeitsfirmen.
Laut Holetschek hat diese Ungleichbehandlung oft negative Auswirkungen aufs Betriebsklima. Auch das sei richtig, sagt Bechholz. Zum einen seien die Stammkräfte natürlich wenig erfreut, dass Zeitarbeiter oft mehr verdienten, eine geringere Wochenarbeitszeit hätten und oftmals nicht nachts und an den Wochenenden arbeiten müssten. „Zum anderen sind sie aber auch ganz generell genervt davon, permanent neue Kräfte für die tägliche Arbeit in ihrer Einrichtung anlernen zu müssen“, erläutert er. „Das kostet viel Zeit und Energie.“
Für die Diakonie Bayern und den Gesundheitsminister könnten sogenannte Springerkonzepte eine Lösung für das Problem sein. Mit Hilfe solcher Springer-Pools können fehlende Kräfte besser ersetzt werden; die Springer sind keiner festen Station oder Einrichtung zugeordnet und können auf verschiedenen Stationen eingesetzt werden. Auch hier müsse aber die Refinanzierung der Springer sichergestellt sein, sagt Diakonie-Vorständin Schuhmann. Diesem Aspekt trage die bayerische Bundesratsinitiative Rechnung, sagt sie.