München (epd). Die bayerische evangelische Landeskirche und die Diakonie Bayern fordern von der Politik mehr Anstrengungen, um dem Fachkräftemangel in der Pflege zu begegnen. Im Jahr 2030 fehlten in Deutschland zwischen 200.000 und 500.000 Pflegekräfte, der Pflegenotstand sei schon längst da, sagte die Diakonie-Vorständin Sandra Schuhmann am 5. Juli im Münchner Landeskirchenamt. Im Jahr 2019 seien in der Pflege offene Stellen mindestens 170 Tage unbesetzt geblieben. Mittlerweile dürfte es auch wegen der Corona-Pandemie nochmals deutlich länger dauern.
Um dem Pflegekräftemangel zu begegnen, hatte die Landessynode im Jahr 2018 drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese hatte die Diakonie dafür verwendet, um vor allem Springer-Projekte und Spiritual-Care-Angebote in ausgewählten Pflegeeinrichtungen umzusetzen. Das Springer-Projekt etwa sei in fünf ambulanten und sechs stationären Einrichtungen mit 1,5 Millionen Euro gefördert worden - und habe zu einer „unheimlichen Entspannung auf allen Ebenen geführt“, sagte Schuhmann.
Sogenannte Springerkräfte stehen zur Verfügung, um kurzfristig ausfallende Pflegekräfte - etwa wegen Krankheit - zu ersetzen. Bislang hätten die regulären Kräfte den Ausfall kompensieren müssen, das sei aber „enorm aufwendig und frustrierend“ gewesen, sagte Schuhmann. Denn dazu müssten auch freie Tage gestrichen oder die Dienstpläne entsprechend angepasst werden. Mit dem Springer-Konzept seien Dienstpläne nun verlässlicher geworden, Überstunden hätten abgebaut werden können und Pflegedienstleitungen seien entlastet worden. Die Ergebnisse seien „bestechend“, sagte Schuhmann.
Die Zahl der Überstunden sei um bis zu 66 Prozent in teilnehmenden stationären Einrichtungen zurückgegangen und um bis zu 36 Prozent in ambulanten. Die Krankheitsquoten unter Pflegekräften seien um bis zu 40 Prozent gesenkt worden - und dies alles unter den ohnehin erschwerten Corona-Bedingungen. Auch die Dienstplansicherheit und die Arbeitszufriedenheit der teilnehmenden Pflegekräfte seien gestiegen, sagte Schuhmann. Nun sei aber die Politik am Zug, betonte sie. Die Diakonie habe Geld in die Hand genommen und Lösungsvorschläge gemacht. Nun brauche es Refinanzierungszusagen von Politik und Kostenträgern.
Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sagte, die Kirche stehe für eine menschenwürdige und gute Pflege. Dies sei auch ein sehr lebensnahes Thema für viele Menschen, wenn sie etwa vor der Frage stehen, wie sie im Fall der Fälle ihre Eltern oder weitere Familienangehörigen pflegen. Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen, brauche es eine gute Fortbildung, etwa in Spiritual Care oder Seelsorgekompetenz, wenn es um die Pflege von schwerstkranken oder sterbenden Menschen gehe. Außerdem müssten ausländische Fachkräfte gewonnen werden, dazu müsse auch die Migrationspolitik unbürokratischer werden.