Villmar (epd). In dem gemütlichen Hofladen wuchtet Sabine Schulz-Behr Gemüsekisten beiseite und legt Brote in die Auslage. Dann kommt sie zum Kühlregal. Kochsahne, Milch, Joghurt, Tofu - alles ist aus Soja. „Aus Sojabohnen kann man ganz viel machen“, schwärmt sie. „Geräucherter Tofu schmeckt wie Leberkäse. Wir braten ihn und geben ihn über den Salat. Lasagne aus Soja-Schnetzeln ist bei uns zu Hause der Renner.“

Gelegentlich hilft Schulz-Behr im Hofladen auf dem Gladbacherhof aus, einem Lehr- und Versuchsbetrieb für Ökologischen Landbau der Universität Gießen. Ihr Mann Franz Schulz ist Leiter der Versuchsstation. Seit 23 Jahren machen die Wissenschaftler auf dem Gladbacherhof unter anderem Feldversuche mit Soja: Unterschiedliche Reihenweiten, verschiedene Sorten, Anbau zusammen mit Weizen. In den vergangenen Jahren hätten sich die Trockenperioden ausgedehnt, manchmal regne es vier, fünf Wochen nicht, berichtet Schulz. Der Sojabohne mache das nichts aus. Sein Fazit aus all den Versuchen: „Soja könnte eine Pflanze der Zukunft werden.“

Kühle-Toleranz-Versuche

Mit dem Klimawandel rücken in der Landwirtschaft auch in Deutschland Nutzpflanzen in den Blick, die mit Trockenheit und Sonne gut klarkommen. „Der Klimawandel eröffnet uns Anbaualternativen“, sagt Werner Vogt-Kaute, Fachberater beim Naturland-Verband für ökologischen Landbau.

Auf seinem Nebenerwerbs-Hof in Bayern macht er gerade mit Soja Kühle-Toleranz-Versuche. Außerdem ist er „bei Platterbsen eingestiegen“, wie er sagt. Die Hülsenfrucht sei in Deutschland im Mittelalter viel angebaut worden und dann in Vergessenheit geraten. „Aber sie kommen mit Trockenheit gut zurecht.“ Gerade habe ein Landwirt bei ihm angerufen und nach Tipps für den Anbau von Linsen gefragt, erzählt Vogt-Kaute. Auch diese Hülsenfrucht sei in Deutschland bis zum Zweiten Weltkrieg angebaut worden, „dann ging es quasi auf null runter“. Jetzt erlebten Linsen eine Renaissance.

Die Rispen-Hirse war ein wichtiges Nahrungsmittel bis zum 17. Jahrhundert, verschwand dann aber von den Tellern. „Jetzt profitiert sie vom Trend zur vegetarischen Ernährung“, erklärt Vogt-Kaute. Auch Hirse kann Trockenheit und Sonnenschein gut vertragen.

Ähnliches gilt für Buchweizen: Das Knöterichgewächs mag arme Böden und war lange im Nordwesten und Osten verbreitet. Der Buchautor Stevan Paul hat in sein Kochbuch „Deutschland vegetarisch“ das alte Rezept „Bookweeten Janhinnerk“ aufgenommen, plattdeutsch für den Emsländer Buchweizenpfannkuchen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Buchweizen von Getreide und Kartoffeln verdrängt, schreiben Thomas Miedaner und Friedrich Longin in dem Buch „Unterschätzte Getreidearten“.

Die beiden Wissenschaftler der Universität Hohenheim plädieren für mehr Vielfalt in der Landwirtschaft und auf dem Teller: Von weltweit 380.000 Pflanzenarten seien 30.000 essbar, doch nur 30 Pflanzenarten erzeugten 95 Prozent der weltweiten Kalorien. „Gerade im Hinblick auf den globalen Klimawandel kann es wichtig werden, Getreideformen zu haben, die besonders widerstandsfähig gegen Trockenheit, Hitze, Salz oder Ozon sind.“

Amarant im Kommen

Als „Art für die Zukunft“ preisen Miedaner und Longin zum Beispiel den Amarant. Er kommt aus Zentral- und Südamerika; Azteken, Inka und Maya hätten ihm eine „lebensverlängernde Wirkung“ zugeschrieben. Quinoa entstammt der Andenregion Südamerikas und war bei den Inka Grundnahrungsmittel. Quinoa, Buchweizen und Amarant zeichne unter anderem ein hoher Lysingehalt aus, eine essenzielle Aminosäure, die der Körper nicht selbst herstellen könne, so die Autoren.

Doch gerade der Anbau neuer Arten hat seine Tücken: So probieren zwar einige deutsche Landwirte Kichererbsen aus, die normalerweise am besten in subtropischen Gebieten gedeihen. „Wenn es aber zur Ernte regnet, blühen sie wieder“, erklärt Naturland-Berater Vogt-Kaute. Im vergangenen eher verregneten Sommer haben seinen Angaben zufolge nur zwei Landwirte rund um Berlin gut geerntet.

Bei Trockenbohnen, unter die auch Kidneybohnen fallen, gebe es eine „Riesen-Nachfrage“, aber man brauche für die Ernte Spezialmaschinen. Weiße Lupinen - Ursprung Mittelmeerraum, geeignet zum Beispiel als Kaffee-Ersatz - haben schwer unter einer Pilzinfektion gelitten, wie Tanja Schäfer ausführt, Professorin für Pflanzenbau und Nachhaltige Anbausysteme an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest. Eine Neuzüchtung lasse die Anbaumengen nun wieder steigen.

Auf dem Gladbacherhof der Uni Gießen stellt Franz Schulz mehrere ausgediente Honiggläser auf den Tisch. Sie sind gefüllt mit getrockneten Ackerbohnen, Erbsen, weißen Lupinen und Sojabohnen. Manchmal zeigt er die Gläser den Studierenden. Er fischt ein paar Sojabohnen aus dem Glas und betrachtet sie auf seiner Handfläche. „Der Klimawandel wird viel mehr möglich machen“, sagt er nachdenklich. Einige Kulturen werden an Bedeutung verlieren, weil das Anbaurisiko steigt. Aber Neues kommt hinzu.