Lüneburg (epd). Malte Melloh lädt vier Wasserkisten in sein Lastenrad. Dann fährt er los, um Kunden zu beliefern. Das gehört zum Service seines Unverpackt-Ladens in Reppenstedt bei Lüneburg dazu. Bis zum Herbst 2021 hat er die Touren mit dem Auto gemacht. Der Wechsel hat für ihn einige Vorteile. „Ich hatte früher nie Zeit für Sport. Jetzt mache ich das im Alltag automatisch mit“, sagt der 44-Jährige.

Zwei Autos hatte die Familie bislang. Malte und Jenni Melloh dachten, es ginge nicht anders, mit vier Kindern und zwei erwerbstätigen Erwachsenen. Einkaufen, die Kinder (17 Monate bis neun Jahre) zu Kindergarten, Schule und Sport bringen, Ausflüge am Wochenende. Aber dann hat ein Fernsehsender nach Menschen gesucht, die 14 Tage auf ihr Auto verzichten würden. Das reizte Melloh und er ergänzt: „Wir haben sieben Wochen daraus gemacht.“ Während des Versuchs fuhr die Familie mit dem Lastenrad. Danach hat sie eines ihrer Autos abgeschafft.

Kemfert für Tempolimit

Bringen solche Aktionen etwas, um Geldbeutel und Klima zu schonen und unabhängiger von russischem Öl zu werden? Die Antwort von Claudia Kemfert ist so kurz wie eindeutig: „Ja“, sagt die Professorin für Energiewirtschaft und -politik der Leuphana Universität Lüneburg. Dass das Handeln Einzelner nichts bewirken würde, hält sie für ein Totschlagargument. „Und wenn viele Menschen weniger Autofahren, sind wir sogar einen guten Schritt weiter“, ergänzt die Energieökonomin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Grundsätzlich befürworte sie ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern innerhalb von Ortschaften und Tempo 100 auf Autobahnen: „Damit kann man zwischen einem und fünf Prozent Benzin und Diesel einsparen“, sagt sie mit Blick auf Studien des Umweltbundesamtes, der Deutschen Umwelthilfe, von Greenpeace und wissenschaftlichen Institutionen.

800-Euro-Argument

Das Einsparen war einer der Gründe für die Mellohs, das zweite Auto zu verkaufen: „Wir haben ausgerechnet, was uns beide Autos pro Monat kosten und das Geld in Scheinen auf den Tisch gelegt.“ Die 800 Euro lieferten das letzte Argument. „Die Kinder fanden es erst nicht so toll“, erinnert sich Melloh. Die ersten Wochen komplett ohne Auto seien eine Herausforderung gewesen: „Zumal diese Phase im November und Dezember war. Ich bin einige Male nass geworden.“ Am Ende sprach aber mehr für das Lastenrad. „Bei Ausflügen am Wochenende mussten wir umdenken und andere Ziele finden. Aber es geht“, sagt Melloh.

Doch er spricht auch von Schwierigkeiten: Die Radwege seien katastrophal durch Schlaglöcher, fehlende Beleuchtung und mangelnde Breite. Bei Gegenverkehr müsse er stets vom Radweg runterfahren, anhalten. Es gebe einige Straßen ohne Radweg und damit ohne Sicherheit.

„Wir brauchen einen Ausbau der Infrastruktur“, betont Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD). „Es gibt eine Verantwortung des Bundes und der Länder für die Daseinsvorsorge“, sagt er vor allem mit Blick auf ländliche Regionen, wo die Abhängigkeit vom Auto besonders groß sei. Dafür fordert der VCD ein besseres Angebot mit Bus und Bahn, mit einer Taktung von maximal einer Stunde auch bis nach 18 Uhr.

Auto steht meistens herum

Nötig sei zudem eine bessere Infrastruktur für Fahrradfahrer. Zwar sei der Bau von Fahrradwegen entlang neuer Bundesstraßen inzwischen gesetzlich bindend, aber das reiche nicht: „Oft sind andere Strecken für Fahrradfahrer attraktiver, weil kürzer oder durch schöneres Gelände.“

Er ist sich sicher: „Wer ein Auto hat, kümmert sich nicht um andere Möglichkeiten der Mobilität.“ Deshalb müssten Verkehrsunternehmen stärker Alternativen zum Auto kommunizieren. Gerade jetzt, wo viele Menschen auf der Suche danach sind. Hilfreich sind laut VCD auch Angebote wie Bürgerbusse, die auf bürgerschaftliches Engagement zurückgehen, Rufbusse oder Anruf-Sammeltaxis lokaler Anbieter.

Ein eigenes Auto haben Malte Melloh und seine Familie noch: „Zur Sicherheit. Es steht aber meistens herum“, sagt er. Deshalb plant die Familie ein privates Car-Sharing in der Nachbarschaft.