Düsseldorf (epd). Die nordrhein-westfälische Landesregierung sieht sich im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch und gegen Kinderpornografie für die Zukunft gut gerüstet. Das Thema „steht in unserer Sicherheitspolitik an erster Stelle“, betonte Ministerpräsident Hendrik Wüst am 12. April in Düsseldorf. Bundesweit sei NRW mittlerweile Vorreiter bei der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs. Zusammen mit Innenminister Herbert Reul hatte sich Wüst (beide CDU) zuvor mit 25 Polizisten und Ermittlern über ihre Arbeit ausgetauscht.
Minister Reul betonte, dass es in keinem anderen Bereich der Kriminalitätsbekämpfung in NRW in den vergangenen vier Jahren so viele Veränderungen gegeben habe. Organisatorisch, personell und digitaltechnisch seien Lehren aus den großen Missbrauchsfällen von Lügde, Bergisch Gladbach und Münster gezogen worden, betonte er.
Reul: Rund 4.100 Fälle im vergangenen Jahr aufgedeckt
Innerhalb eines Jahres, von 2020 auf 2021, sei in NRW die Zahl der bekannt gewordenen Missbrauchsfälle um 23 Prozent gestiegen, erklärte Wüst. Minister Reul ergänzte, dass die aus dem Dunkelfeld geholten Zahlen deshalb so hoch seien, weil die Ermittler den Dingen nachgingen und vor dem „Elend im Netz“ nicht die Augen verschlössen. Allein im vergangenen Jahr seien in NRW rund 4.100 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern und 11.300 Fälle von Kinderpornografie aufgedeckt worden.
Die Personalstärke bei der Polizei sei in diesem Bereich vervierfacht worden, erläuterte der Minister. Landesweit werde nach einheitlichen Standards mit einer speziellen Software gearbeitet, die mithilfe künstlicher Intelligenz Ermittler unterstützt, Fotos und Videos zu identifizieren, auf denen sexuelle Gewalt an Kindern zu sehen sein könnte. Für die erforderliche Technik seien mehr als 32 Millionen Euro investiert worden. Die 47 Kreispolizeibehörden und das LKA seien zu einem „virtuellen Großraumbüro“ vernetzt worden.
Ermittler mahnen erweiterte Präventionskonzepte an
Kriminaloberkommissarin Sabrina Stein von der Zentralen Auswertungs- und Sammelstelle Kinderpornografie (ZASt) am Landeskriminalamt in Düsseldorf bezifferte allein die Zahl der digitalen Hinweise, die von internationalen Stellen nach Deutschland weitergeleitet wurden, auf 78.500 für das vergangene Jahr. Damit liege Deutschland „nur“ auf Platz 33, sagte die Spezialistin für die Auswertung von Daten- und Bildmaterial. Von diesen Hinweisen gelangten dann rund 20 bis 25 Prozent nach Nordrhein-Westfalen. Allein in Düsseldorf seien in drei Abteilungen mit je rund 30 Mitarbeitern mit Auswertungen befasst.
Michael Esser, Leiter der Ermittlungsgruppe „Berg“ der Kölner Polizei, mahnte erweiterte Präventionskonzepte an. Nicht nur Kinder im Kindergarten- oder Schulalter und die dortigen Pädagogen und Mitarbeiter müssten erreicht und sensibilisiert werden. Opfer seien in hoher Zahl auch Kinder im Säuglingsalter. „Da sind neue Wege erforderlich.“ Das Internet mache es Mitgliedern sämtlicher Gesellschaftsschichten leicht, Missbrauchsdarstellungen zu verbreiten und zu erwerben.