Accra (epd). Wenn die Verkäuferinnen von Kantamanto, dem größten Second-Hand-Markt in Ghana, morgens die großen Bündel mit Altkleidern öffnen und sortieren, dann herrscht oft Enttäuschung. Denn ein immer größerer Anteil der Kleidung, die zum Beispiel aus Deutschland, England oder Kanada kommt, ist schlicht und einfach Müll, wie die 46-jährige Vida Asare erzählt. Nur die guten Stücke kann sie noch verkaufen, aus den weniger guten näht sie Boxershorts, die absolut unbrauchbaren gibt sie Lumpensammlern mit.

Die ghanaische Wirtschaft ist im Keller, innerhalb eines Jahres hat sich der Wechselkurs zum Dollar fast verdoppelt. Alles, was aus dem Ausland kommt, so wie auch die Second-Hand-Kleidung, sei dadurch extrem im Preis gestiegen, sagt Asare. So bleibt ihr am Ende eines langen Arbeitstages gerade genug, um ihre drei Kinder zu versorgen und sie zur Schule zu schicken.

Täglich 100 Altkleider-Container

Rund 100 Container mit abgetragener Kleidung kommen nach Angaben des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) jede Woche in Ghana an, Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 40 Prozent davon Müll sind. Deutschland ist einer der größten Exporteure, Ghana einer der größten Importeure weltweit. Die Texilabfälle landen dann auf Müllhalden wie der am Rande der Lagune von Jamestown in der Hauptstadt Accra. Ein Ort von vielen, an dem der Abfall der Stadt einfach abgeladen wird.

Bernard Bekoe lebt mit seiner Familie in den improvisierten Häusern am Rand der Müllkippe. Von hier trieben die Altkleider Richtung Meer, belegten die Ufer, wo sonst Schildkröten ihre Eier legen und verdärben den Fischern in der Lagune den Fang, erklärt er. Am Horizont zeichnen sich die Silhouetten von Kühen ab, die auf den Müllbergen nach Futter suchen.

Als Bekoe am 21. Februar die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) trifft, nutzt er seine Chance. Er wünscht sich, dass die Arbeit auf der Müllkippe formalisiert wird und so Arbeitsplätze geschaffen werden, mit ordentlicher Bezahlung. Außerdem bräuchten sie dringend kostenlos zugängliche öffentliche Toiletten. Es seien schon so viele gekommen, und nichts habe sich geändert, sagt Bekoe.

„Zu sehen, was hier mit unseren Abfällen passiert, zeigt nochmal mehr, dass wir dafür verantwortlich sind“, erklärt Schulze. Sie verspricht, sich dafür einzusetzen, dass es auf europäischer Ebene in Zukunft so etwas wie den Grünen Punkt auch für Textilien gibt, also dass Unternehmen sich finanziell am Recycling ihrer Produkte beteiligen müssen. Auch soll ab Mitte des Jahres die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Ghana beim Aufbau von Recyclingkapazitäten unterstützen. Damit sollen vor Ort auch neue Jobs entstehen.

Laut Schulzes neuer Afrika-Strategie, die sie Ende Januar veröffentlicht hat, sollen gemeinsam mit Afrika globale Veränderungsprozesse und Strukturpolitik gestaltet werden. Schulze zufolge bedeutet das konkret, an einer wirtschaftlichen Entwicklung der afrikanischen Länder zu arbeiten, die gute Arbeit schafft und ökologisch wie sozial verträglich ist.

Importe brachten Aus für eigene Textilwirtschaft

Ghana hat auch eine eigene Textilwirtschaft, doch die hatte ihren Höhepunkt Mitte der 1970-er Jahre. Der Import von Second-Hand-Kleidung und günstigen Produkten aus China brachte sie fast zum Stillstand. Doch auch wenn der Sektor heute weniger als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, hat die ghanaische Behörde für den Exportausbau ihn als einen von zehn Schwerpunkten für die Zukunft auserkoren. Die kürzeren Transportwege nach Europa sind zum Beispiel gegenüber asiatischen Ländern ein Standortvorteil.

Etwa 20.000 Arbeitsplätze gibt es bereits in Textilfabriken in Ghana, die meist familiengeführt sind. Eine dieser Fabriken betreibt Linda Ampah mit ihrer Firma KAD Manufacturing, für die rund 150 Näherinnen und Näher in der Hauptstadt Accra aus importierten Stoffen Schuluniformen, Dienstkleidung, T-Shirts und Hosen, aber auch Tischdecken, Servietten und Kissenbezüge nähen. Bereits jetzt exportiert KAD Manufacturing den Großteil seiner Produkte. Und Linda Ampah ist zuversichtlich, dass jetzt, wo in Europa mehr auf faire Lieferketten geachtet wird, das Interesse an ihren Produkten weiter steigen wird.