Kirchen

Oberlandesgericht: Kirchenasyl rechtlich nicht bindend


Paar im Kirchenasyl (Archivbild)
epd-bild / Stefan Arend
Das OLG München hat im Fall des "Freisinger Kirchenasyls" eine Anklage wegen illegalen Aufenthalts zurückgewiesen. Zugleich stellen die Richter fest: Kirchenasyl ist kein anerkanntes Rechtsinstitut.

Das politisch seit langem umstrittene Kirchenasyl bietet nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München keinen rechtlichen Schutz vor einer Abschiebung. Das Gericht bestätigte zwar am 3. Mai den Freispruch eines Nigerianers, der im Kirchenasyl auf einen Aufenthaltsstatus in Deutschland hoffte und wegen illegalen Aufenthalts daraufhin angeklagt wurde. Das Kirchenasyl schütze aber grundsätzlich nicht vor einer Abschiebung und "verbietet dem Staat kein Handeln", betonte der Vorsitzende Richter Rainer Koch.

Das Gericht verwarf die Revision der Staatsanwaltschaft Landshut gegen den Freispruch, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sich zu einer nochmaligen Prüfung dieses Einzelfalls entschlossen habe, und nicht, weil der Mann Schutz bei einer Kirchengemeinde gesucht hatte. Die evangelische Landeskirche in Bayern erklärte, das Gericht habe die die christliche Tradition des Kirchenasyls anerkannt.

Rechtlich nicht relevant

Der Vorsitzende Richter unterstrich, Kirchenasyl sei kein anerkanntes Recht. Der Staat könne einen rechtskräftigen Abschiebungsbescheid jederzeit durchsetzen. Wenn er darauf verzichte, sei das eine bewusste und freiwillige Entscheidung der Behörden. Rechtlich gesehen sei das Kirchenasyl nicht relevant. Es bestehe "im historischen Sinne als gegenüber staatlichen Institutionen geltendes und zu beachtendes Recht nicht (mehr)".

In Bayern gibt es zum Thema Kirchenasyl zwei Abmachungen: Die eine ist die Zusage von Landesinnenminister Joachim Herrmann aus dem Jahr 2014, dass die bayerische Polizei bei Kirchenasylen "weder kirchliche Räume betreten noch gewaltsam Personen abführen" werde. Die zweite ist eine freiwillige Vereinbarung zwischen der evangelischen und der katholischen Kirchenleitung und dem Bamf vom 24. Februar 2015. Sie regelt bis ins Detail die Abläufe bei Kirchenasylen, von der sofortigen Meldung des Schutzsuchenden bei den Behörden über die Einreichung eines Dossiers bis hin zur nochmaligen Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.

"Für unsere Beratungstätigkeit ändert sich nichts"

Aus einer solchen Einzelfallprüfung ergibt sich aber wiederum ein Rechtsanspruch auf Duldung. Das Aufenthaltsgesetz sehe vor, "einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer (…) entweder unverzüglich abzuschieben oder ihn (…) zu dulden", heißt es im Urteil des Oberlandesgerichts - und zwar solange, bis das Abschiebehindernis behoben ist. Als "inlandsbezogenes Abschiebehindernis" wertete das OLG im Freisinger Fall nicht das Kirchenasyl, wohl aber die erneute Einzelfallprüfung durch das Bamf. Für den Zeitraum dieser Prüfung habe der nigerianische Flüchtling Evans I. Anspruch auf Duldung gehabt - der Vorwurf des illegalen Aufenthalts sei somit nichtig.

Demnach kann sich ein rechtskräftig abgelehnter Flüchtling im Kirchenasyl befinden und trotzdem illegal in Deutschland leben und dafür strafrechtlich verfolgt werden - nämlich dann, wenn die Behörden keine erneute Einzelfallprüfung aufnehmen. Sobald der Fall eines Flüchtlings im Kirchenasyl von den Behörden erneut geprüft wird, könnte er auch in jeder anderen Wohnung leben - denn für diesen Zeitraum hat er Anspruch auf eine Duldung.

Die evangelische Landeskirche nahm das Urteil gelassen auf. "Für unsere Beratungstätigkeit ändert sich nichts", sagte der für Kirchenasyle zuständige Oberkirchenrat Michael Martin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Man werde weiterhin versuchen, Kirchenasyle durch Beratung und andere Lösungswege zu vermeiden. Ziel sei in humanitären Härtefällen nicht, Recht zu brechen, "sondern dem Recht zum Recht zu verhelfen". Dass Kirchenasyl keinen Rechtstatus habe, sei bereits vor dem Urteil allgemeiner Konsens gewesen.

Landeskirche zuversichtlich

Mit Blick auf die rechtlich unverbindlichen Abmachungen mit der Staatsregierung zeigte sich Martin zuversichtlich: "Ich habe keinen Zweifel an der Zusage des bayerischen Innenministers, dass auch künftig Kirchenasyle nicht mit Polizeigewalt geräumt werden." Derzeit bieten 41 evangelische Gemeinden in Bayern 69 Flüchtlingen Kirchenasyl, darunter 16 Kindern. Deutschlandweit nennt die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" eine Zahl von 445 Kirchenasylen mit 674 Personen, das Bamf geht von derzeit 710 Menschen im Kirchenasyl aus.

Evans I. war 2014 über Italien nach Deutschland eingereist. Seinen Asylantrag lehnte das Bamf aufgrund der Dublin-III-Verordnung ab, im Februar 2016 ordnete es die Abschiebung in das Ersteinreiseland Italien an. Im Juli 2016 begab sich der 31-Jährige in den Schutz der katholischen Pfarrei St. Jakob in Freising, die das Kirchenasyl noch am gleichen Tag ans Bamf meldete. Im August 2016 bestätigte die Behörde, dass der Fall des Nigerianers nochmals geprüft werde. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Landshut wegen illegalen Aufenthalts lehnte das Amtsgericht Freising mit Urteil vom 27. Oktober 2017 ab.



EKD-Ratsvorsitzender: Das Kreuz stellt weltliche Werte infrage


Heinrich Bedford-Strohm
epd-bild/Oliver Dietze
Die aktuelle Identitätsdebatte rund um die künftige Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden sollte auch als kritische Anfrage an die Kirchen verstanden werden, schreibt der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten in einem Zeitungsbeitrag.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, spricht sich für Bürokratieabbau und kürzere Entscheidungswege in der Kirche aus. Eine breite Beteiligung aller Interessierten sei gut, "aber für die Zahl der Gremiensitzungen bräuchte es so etwas wie eine Obergrenze, um mehr Zeit für die Kommunikation des Evangeliums in die Welt hinein zu haben", schreibt Bedford-Strohm in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (7. Mai). Gleiches gelte für den Umfang kirchlicher Regelungswerke und die Zahl der Genehmigungsvorgänge, fügte der bayerische Landesbischof in dem Gastbeitrag hinzu, in dem er darüber hinaus erneut Stellung bezog in der Debatte um die künftige Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden.

Aus Sicht Bedford-Strohms darf das Kreuz als christliches Symbol nicht vom Staat okkupiert werden. Es könne "nicht auf ein Zeichen einer erfolgreichen Kultur- und Beheimatungsleistung reduziert werden, sondern ist mindestens genauso das Zeichen einer zum Nachdenken bringenden Infragestellung aller weltlichen Werte," schreibt er. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe nach seiner Aussage, wonach das Kreuz nicht Zeichen einer Religion sei, reagiert und erklärt, dass es in allererster Linie ein religiöses Symbol sei, aber auch zu den Grundfesten des Staates gehöre. "Dass das Kreuz zuallererst eine religiöse Bedeutung hat, darüber scheint jetzt Konsens zu bestehen. Nur indem dies auch wirklich ernst genommen wird, kann es ja überhaupt eine öffentliche Bedeutung geben", argumentiert Bedford-Strohm.

"Kulturelle Demut"

Wenn das Kreuz in öffentlichen Gebäuden hängt, sollte es aus Bedford-Strohms Sicht an das Geheimnis der Erlösung durch Jesus Christus erinnern. Dazu zählten "die im Glauben gewonnene Freiheit, dem Nächsten zu dienen", und Humanität. Das Kreuz lehre eine "kulturelle Demut, die von den Irrwegen der eigenen Kultur weiß und daraus die Konsequenzen zieht".

Im Eingangsbereich aller bayerischen Dienstgebäude soll ab dem 1. Juni ein Kreuz hängen. "Das Kreuz ist grundlegendes Symbol unserer bayerischen Identität und Lebensart", begründe Regierungschef Söder den Kabinettsbeschluss im April und brachte unmittelbar im Anschluss in der Staatskanzlei in München ein Kreuz an.

Die aktuelle Identitätsdebatte sollte auch als kritische Anfrage an die Kirchen verstanden werden, schreibt der EKD-Ratsvorsitzende. Sie hätten die Aufgabe, den Sinn des Kreuzes öffentlich zu machen. Daraus schlussfolgert der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten, dass kirchliche Reformbemühungen angesichts sinkender Mitgliederzahlen stärker als früher in "eine geistliche Erneuerung eingebettet sein müssen, in eine Besinnung auf glaubwürdige Sprache, tragende Frömmigkeit und ein klares Engagement für den Nächsten". "Wir müssen als Kirche ausstrahlen, wovon wir sprechen", forderte Bedford-Strohm.



Huber kritisiert Kreuz-Pflicht: "Jesus hat nicht im Westen gelebt"


Wolfgang Huber
epd-bild/Rolf Zoellner

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, beurteilt die Kreuz-Pflicht in Behörden in Bayern deutlich kritischer als der aktuelle Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. So wie er früher gegen die Verbannung des Kreuzes aus dem öffentlichen Raum gewesen sei, sei er heute dagegen, dass es per staatlicher Verordnung in alle Behörden komme, sagte der Huber am 3. Mai in der "Phoenix Runde".

Deutschland habe eine religiös plurale Gesellschaft. Der Staat könne eine Religion fördern, "aber nicht auf Kosten anderer", sagte der Berliner Altbischof, der von 2003 bis 2009 EKD-Ratsvorsitzender war. Die bayerische Kabinettsentscheidung, nach der von Juni an in den Eingangsbereichen aller Landesbehörden ein Kreuz aufgehängt werden muss, bezeichnete Huber als "ausgrenzend". Genauso müsse dann dafür gesorgt werden, dass Kippa und Kopftuch ihren Platz hätten, sagte Huber.

"Keine westliche Religion"

Der evangelische Theologe kritisierte auch die Deutung des Kreuzes als Symbol der kulturellen Tradition Bayerns oder des Westens. Das Christentum sei keine westliche Religion, es sei nicht im Westen entstanden, argumentierte er: "Jesus hat nicht im Westen gelebt."

Es gebe einen Unterschied zwischen dem Kreuz als Machtzeichen und dem Kreuz als Zeichen der Ohnmacht von Jesus, der an diesem Kreuz gestorben ist, betonte Huber. Christen müssten dafür sorgen, dass diese Bedeutung des Symbols nicht zugedeckt werde. Die Kirche müssten auch Anwälte sein der historischen Erfahrung des Missbrauchs, der mit dem Kreuz betrieben wurde, sagte Huber.

Der EKD-Ratsvorsitzende und bayerische Landesbischof Bedford-Strohm hatte im Streit um das Kreuz keine direkte Kritik an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geübt. Er begrüßte grundsätzlich Kreuze im öffentlichen Raum, betonte aber, das Symbol sei durch seine Bedeutung auch Verpflichtung. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, kritisierte Söder und sprach von "Spaltung".



Schwuler Jugendwart verlässt sächsische Landeskirche

Der offen homosexuell lebende evangelische Jugendwart Jens Ullrich hat nach offenbar anhaltender Diskriminierung in Gemeinden im Erzgebirge die sächsische Landeskirche verlassen. Er sei am 29. April in einem Gottesdienst in Grünhain-Beierfeld verabschiedet worden, sagte Landeskirchensprecher Matthias Oelke am 2. Mai in Dresden dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ullrich war seit 1999 im evangelisch-lutherischen Kirchenbezirk Aue (Erzgebirgskreis) als Jugendwart angestellt. Die Initiative zum Auflösen des Vertrages sei von ihm ausgegangen.

Ullrich war vor mehr als zwei Jahren von Gemeinden im Erzgebirge zum Teil mit einem Predigtverbot belegt worden, nachdem er seine Partnerschaft mit einem Mann bekanntgemacht hatte. 2017 sorgte der Fall des Jugendwarts für Schlagzeilen. In die Diskussion hatte sich auch Sachsens Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD) eingeschaltet. Im Kirchenbezirk Aue sah sich Ullrich massiven Anfeindungen und Diskriminierungen ausgesetzt. Zur Region gehören etwa 30 Kirchgemeinden mit rund 38.000 evangelisch-lutherischen Christen.

Bedauern des Landesbischofs

Die Landeskirche habe "keine Ahnung, wohin er geht", sagte Oelke. Das habe Ullrich weder seinem bisherigen Kirchenbezirk noch der Kirchenleitung in Dresden mitgeteilt. Sachsens evangelischer Landesbischof Carsten Rentzing bedauerte Ullrichs Weggang. Er habe einen "großartigen Dienst" geleistet, sagte er dem epd. Zugleich räumte er Fehler ein, die "auf der Ebene der Kommunikation und des gegenseitigen Respekts liegen".

Ullrich steht beispielhaft für eine seit Jahren kontrovers geführte Diskussion über Homosexualität innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Für die einen - sogenannte schrift- und bibeltreue Christen - sind gleichgeschlechtliche Paare mit der Bibel nicht vereinbar, für die anderen fehlt es in der Kirche an Toleranz und Fortschritt.



Kommunionstreit: Papst fordert von deutschen Bischöfen einmütige Regelung


Der katholische Priester Hasenhüttl teilt im Mai 2003 mit der evangelischen Pfarrerin Enzner-Probst bei einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner Gethsemane-Kirche die Kommunion aus.
epd-bild / Norbert Neetz

Die katholischen deutschen Bischöfe sollen auf Wunsch des Papstes ihren Streit über die Öffnung der Kommunion für evangelische Ehepartner selbst beilegen. Franziskus habe sie aufgefordert, "im Geist kirchlicher Gemeinschaft eine möglichst einmütige Regelung zu finden", teilten der Vatikan und die Deutsche Bischofskonferenz nach Beratungen in Rom mit. Der Theologieprofessor Michael Seewald betonte am 4. Mai, der Papst habe damit dem Ansinnen der sieben konservativen Bischöfe nicht stattgegeben, die eine mehrheitlich beschlossene Handreichung zur Öffnung der Kommunion mit einem Brief nach Rom stoppen wollten.

Der Papst würdige das ökumenische Engagement der deutschen Bischöfe, erklärte der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer, am 3. Mai nach dem Gespräch, an dem unter anderem der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki teilnahmen.

Umstrittene Handreichung

Ende Februar hatte die Bischofskonferenz mit mehr als Drei-Viertel-Mehrheit beschlossen, eine pastorale Handreichung für das Abendmahl von Ehepaaren unterschiedlicher Konfession auf den Weg zu bringen. Sieben Bischöfe unter Führung Woelkis wandten sich daraufhin mit einem Brief an den Vatikan. Sie bezweifeln, ob eine nationale Bischofskonferenz über die Frage des Kommunionempfangs konfessionsverschiedener Ehepartner entscheiden darf.

Der Dogmatikprofessor Seewald sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ganz offenbar folgt Rom nicht der Argumentation der sieben Bischöfe, die sagen, dass es hier um Fragen von Glaube und Einheit gehe, also um ganz zentrale Dinge." Der Ball sei ins Feld der Bischofskonferenz zurückgespielt worden. "Das ist erfreulich, weil nun theologisch und pastoral verantwortbare Lösungen gefunden werden können." Wie weit sich Rom künftig in diese Sache einschalten werde, gehe aus der "inhaltlich vagen Stellungnahme der Bischofskonferenz" aber nicht hervor.

"Pastoraler Spielraum"

Ob der Wunsch des Papstes nach einer einmütigen Lösung konkret auch eine Einstimmigkeit im Abstimmungsverhalten der Bischöfe impliziere, sei schwer zu sagen. Entscheidend sei aber, dass der Papst den "pastoralen Spielraum, den die Mehrheitsfraktion in der Bischofskonferenz eröffnen will, nicht geschlossen hat", sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.

Nach Angaben der Bischofskonferenz wurden bei dem Gespräch im Rom die Beziehung der Frage der Öffnung der Kommunion zum Glauben und zur Seelsorge, ihre weltkirchliche Relevanz sowie ihre rechtliche Dimension erörtert. Das Treffen sei in einer herzlichen und brüderlichen Atmosphäre verlaufen, hieß es. Neben Marx und Woelki nahmen die Bischöfe Felix Genn (Münster), Karl-Heinz Wiesemann (Speyer), Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Gerhard Feige (Magdeburg) teil. Sie trafen neben dem Präfekten der Glaubenskongregation, Ladaria, auch den Präsidenten des Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will sich nun zunächst in Gesprächen "mit unseren katholischen Geschwistern" ein genaueres Bild über den Stand der Diskussion machen. "Wir freuen uns aber schon heute über die erneut deutlich gewordene Anerkennung für den ökumenischen Fortschritt in Deutschland", sagte ein Sprecher dem epd. "Es gilt, den Schwung des Reformationsjubiläum zu nutzen. Uns eint mehr, als uns trennt."

Das Verständnis des Abendmahls ist nach wie vor einer der größten Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten. An katholischen Abendmahlfeiern dürfen bislang in der Regel nur Katholiken teilnehmen.



Streiten für den Frieden


Katholikentags-Fahnen vor dem Dom in Münster
epd-bild/Friedrich Stark
Vom 9. bis 13. Mai 2018 findet in Münster der 101. Deutsche Katholikentag statt. Es wird wohl nicht nur ein frommes, sondern zugleich auch ein politisches Christentreffen. Erwartet werden zahlreiche Mitglieder des Bundeskabinetts.

"Suche Frieden": Unter diesem Leitwort steht der 101. Deutsche Katholikentag in Münster vom 9. bis 13. Mai. Fast 800 Mal erscheint das Wort Frieden in dem 680 Seiten dicken Programmheft. Auf Podien werden dazu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Das Christentreffen ist wie sein protestantisches Gegenstück - der Deutsche Evangelische Kirchentag - auch Forum für die großen Zeitthemen: Klimawandel, Flüchtlinge, Globalisierung, soziale Gerechtigkeit und Umwelt.

Das Thema Frieden hat im Jahr 2018 eine besondere Bedeutung: Vor 400 Jahren begann der verheerende Dreißigjährige Konfessionskrieg. Die Friedensschlüsse von Münster und Osnabrück 1648 beendeten die militärischen Auseinandersetzungen und schufen ein neues Gleichgewicht zwischen den europäischen Großmächten. Und 100 Jahre ist es her, dass der Erste Weltkrieg sein Ende fand.

Friede zwischen Religionen

"Angesichts der Kriege und Brandherde unserer Zeit lag die Aktualität dieses Themas auf der Hand", erklärt der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, bei der Vorstellung der Programmhöhepunkte. In Münster wird es Sternberg zufolge auch um die Suche nach dem Frieden zwischen Kulturen, Weltanschauungen und Religionen gehen.

Friede sei aber auch das Thema des alltäglichen Zusammenlebens, die Suche nach gesellschaftlichem Frieden, nach Frieden mit dem Nachbarn und Nächsten und nicht zuletzt "auch um den Frieden mit mir selbst", betont Sternberg: "In alter biblischer Tradition wird der Friede kombiniert mit der Gerechtigkeit; beide bedingen sich gegenseitig."

In Münster wird viel Politprominenz erwartet. Das Bundeskabinett ist nach Angaben der Veranstalter beim Katholikentag in Münster so stark vertreten wie selten zuvor. Kommen wollen rund die Hälfte von 16 Mitgliedern der Regierung zu Veranstaltungen und als Gesprächspartner für Podien. Mit Spannung erwartet wird eine Diskussion zur Haltung der Bundestagsparteien zu Kirche und Religion in Staat und Gesellschaft mit den religionspolitischen Sprechern der Parteien, darunter auch einem Vertreter der AfD-Fraktion. Hier könnte die Debatte um die Kreuz-Pflicht in Bayern eine Rolle spielen.

Streit riskieren

Die Diskussionen um den Frieden in Münster werden nicht langweilig, ist sich Holger Arning vom Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Uni Münster sicher: "Schließlich kommen hier wieder die unterschiedlichsten Gruppen zusammen, Politiker und Theologen, Soldaten, Militärseelsorger und Friedensbewegte, Vertreter der Hilfsverbände und viele andere", erklärte Arning in der Fachzeitschrift "Herder Korrespondenz" (Mai-Ausgabe).

"Fast alle verbindet, unabhängig von parteipolitischen Vorlieben, aber auch ein Grundkonsens, der auf den Lehren aus der Geschichte aufbaut", betonte Buchautor Arning: "Es geht ihnen um ein friedlich geeintes Europa, eine friedenssichernde Außen- und Entwicklungspolitik und den respektvollen Dialog der Religionen. Auf dieser Basis spricht nichts dagegen, auch in Münster ein bisschen Streit um den Frieden zu riskieren."

Ökumene

Auch das Thema Ökumene könnte nach dem harmonischen 500. Reformationsjubiläum im vergangenen Jahr für Irritationen sorgen: Nicht im offiziellen Programm, aber gewiss ein Gesprächsthema wird der Streit der katholischen Bischöfe über die Öffnung des Abendmahls für evangelische Ehepartner in Deutschland. Dies ist nicht nur ein innerkatholisches Thema.

Anfang April war bekanntgeworden, dass sich sieben Bischöfe unter Führung des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki mit einem Brief an den Vatikan gewandt hatten, in dem sie die Rechtmäßigkeit des Zugangs von protestantischen Ehepartnern zur Kommunion anzweifeln. Ende Februar hatte die Deutsche Bischofskonferenz mehrheitlich beschlossen, eine pastorale Handreichung für das Abendmahl von Ehepaaren unterschiedlicher Konfession auf den Weg zu bringen.

Zum Katholikentag in Münster werden mehrere Zehntausend Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet. Katholikentage werden vom ZdK in der Regel alle zwei Jahre an wechselnden Orten veranstaltet. Der 100. Deutsche Katholikentag fand 2016 in Leipzig statt, 2014 trafen sich die katholischen Laien in Regensburg, 2012 in Mannheim. Zuletzt in Leipzig waren 34.000 Dauer- und 6.000 Tagesgäste zusammengekommen.

Von Stephan Cezanne (epd)


Das rechte Maß an Kontroverse


Auf dem Kirchentag 2017 in Berlin diskutierte Bischof Markus Dröge mit der damaligen AfD-Politikerin Anette Schultner. Beim Katholikentag in Münster ist eine Veranstaltung mit dem AfD-Politiker Volker Münz geplant.
epd-Bild/Christian Ditsch
Dass die AfD auf den 101. Katholikentag eingeladen ist, ist eine Premiere. Zwar werden auf Katholikentagen traditionell nicht nur kirchliche Positionen vertreten. Doch in der Geschichte gab es immer wieder Gruppen, die man dort nicht haben wollte.

Meinungsvielfalt, Austausch, Streit: Dass all das zum Katholikentag gehört, ist in dem beinahe 700 Seiten starken Programm gleich ganz vorne zu lesen. "Beim Katholikentag ist es gute Tradition, dass kontroverse Themen auf den Tisch kommen", schreibt Thomas Sternberg, Vorsitzender der Katholikentagsleitung, in seinem Grußwort. Vor der Veranstaltung in Münster sorgt jedoch ausgerechnet die Frage nach dem rechten Maß an Kontroverse für Streit. Konkret ist es die Einladung eines AfD-Manns, woran sich die Debatte entzündet.

Dass die AfD auf einem Katholikentag vertreten sein soll, ist eine Premiere. Zu einer Diskussion zum Thema Staat und Religion seien Repräsentanten aller Parteien im Bundestag angefragt, hieß es im Februar seitens der Veranstalter. Jedoch nicht die Parteien als solche wolle man zusammenkommen lassen, wie Sternberg betonte, "sondern nur ihre kirchenpolitischen Sprecher". In der AfD-Fraktion ist das Volker Münz. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend und einige Theologen forderten daraufhin seine Ausladung - bisher ohne Erfolg. Der Katholikentag solle einer Partei, der unter anderem rassistische Tendenzen vorgeworfen werden, kein Forum bieten, argumentierten die Kritiker. Christsein und AfD passten nicht zusammen.

Kehrtwende

"Die Kritiker tun sich schwer mit der Kehrtwende, die die Katholikentagsleitung vollzogen hat", sagt Franz-Josef Bormann, Professor für Moraltheologie an der Universität Tübingen. "Eine Kursänderung ist immer eine Selbstkorrektur." Auf dem bisher letzten Katholikentag 2016 in Leipzig war die AfD noch unerwünscht. Doch seither ist vieles passiert. Schon auf dem evangelischen Kirchentag im Mai 2017 in Berlin fand eine Diskussion mit einer AfD-Politikerin statt, die inzwischen jedoch wieder aus der Partei ausgetreten ist. Und im September erhielt die AfD bei der Bundestagswahl knapp 13 Prozent der Stimmen. Seit sie jeden achten Wähler in Deutschland hinter sich weiß, ist die Partei keine gesellschaftliche Randerscheinung mehr.

Wenn es um Rassismus geht, solle man klare Kante zeigen, meint Bormann. Als Ethiker plädiere er jedoch dafür, mit Vertretern aller Parteien zu sprechen - so lange sich die Diskussion im Rahmen der Verfassung bewege. Die Entfernung der Positionen einer Partei zu denen der Kirchen kann seiner Meinung nach jedoch nicht das Kriterium für den Austausch sein: "Die FDP zum Beispiel war ja bisher auch eingeladen, obwohl sie in Fragen des Lebensschutzes ganz andere Positionen vertritt als die Kirche. Und die SPD will das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche abschaffen, mit ihr wird auch diskutiert." Bormann sieht die Aufgabe der Katholikentage auch darin, Meinungsvielfalt abzubilden.

Meinungsvielfalt abbilden

Ein Bestreben, das sich die Katholikentage in ihrer 170-jährigen Geschichte relativ spät zu eigen machten. "Erst in den 1990er Jahren setzte sich der Anspruch durch, Meinungsvielfalt abzubilden", sagt Holger Arning von der Universität Münster und einer der beiden Autoren des Buchs "Hundert Katholikentage". "Die Katholikentage standen bis dahin stets bestimmten kirchlichen und politischen Strömungen nah, sodass es auch Gruppen gab, die nicht erwünscht waren", erklärt er.

Dabei wechselten die Allianzen. Bis zur Weimarer Republik hätten die Katholikentage als Parteitagsersatz der gemäßigten Zentrumspartei gegolten. "In den frühen 1930er Jahren folgte die Herausforderung durch die Rechtskatholiken, die auf dem Katholikentag nationalistische und völkische Positionen vertraten", sagt Arning. Hier sieht er mögliche Parallelen zu dem geplanten Auftritt des AfD-Vertreters. Doch anders als früher seien Repräsentanten rechter Parteien heute nicht in die Organisation der Veranstaltung eingebunden.

Auch der Streit um die Anwesenheit bestimmter Parteien ist nicht ohne historische Parallelen. "1986 sah man davon ab, die Grünen einzuladen, die drei Jahre zuvor erstmals in den Bundestag eingezogen waren", berichtet Arning. "Nachdem die Grünen die Abschaffung von Paragraph 218 zum Schwangerschaftsabbruch gefordert hatten, hieß es, das Tischtuch sei zerschnitten." Die Grünen blieben auf den Podien außen vor.

Doch auch hier wiederholt sich die Geschichte nur ansatzweise: Volker Münz ist eingeladen. Und bisher hält er an seinem Auftritt fest.

Von Julia Lauer (epd)


Bedford-Strohm fordert differenzierten Umgang mit AfD-Anhängern

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat im Umgang der Kirchen mit der AfD und ihren Wählern mehr Differenzierung gefordert. Er wolle das Phänomen des Populismus nicht an drei Buchstaben festmachen, sagte der bayerische Landesbischof am 2. Mai in Berlin. Dahinter lägen unterschiedliche Probleme und Gruppen von Sympathisanten, erklärte er.

Bedford-Strohm nannte drei Gruppen, darunter Protestwähler und Konservative, die früher CDU oder CSU gewählt hätten. Mit beiden Gruppen müsse man das Gespräch suchen und über mögliche Problemlösungen reden, sagte er. Als dritte Gruppe sieht Bedford-Strohm Rechtsextreme. Sie nutzten die Partei, um Gedankengut wieder salonfähig zu machen, das nicht salonfähig werden dürfe. "Das ist gefährlich", sagte er und forderte von der Kirche gegenüber dieser Gruppe "klare Kante": "Da, wo die Intoleranz zum Programm gemacht wird, hört die Toleranz auf."

"Stetiges Einschüchtern"

Debatten um den Umgang mit AfD-Vertretern, die sich auch in Kirchengemeinden engagieren, und eine Nähe von theologisch-konservativen, evangelikalen Kreisen zu Positionen der AfD befeuern die Debatte um den Umgang der Kirche mit der neuen Kraft im Bundestag immer wieder neu. Die Kirche selbst wurde auch wiederholt zur Zielscheibe scharfer Kritik der AfD. Vertreter riefen sogar zum Kirchenaustritt auf.

Nach Angaben der Bischöfin der Kirche von Schweden, Antje Jackelén, ist das auch in dem skandinavischen Land nicht anders. In der Diskussion mit Bedford-Strohm berichtete sie über einen Reporter, der investigativ in einer sogenannten Trollfabrik recherchierte. Sein erster Auftrag dort sei es gewesen, der Kirche zu schaden. Die evangelische Kirche in dem Land sei mit sechs Millionen Mitgliedern die größte Organisation der Zivilgesellschaft. "Ihre Destabilisierung scheint attraktiv", sagte Jackelén. Es gehe nicht um großangelegte Angriffe, sondern stetiges Einschüchtern: "Wir stehen nicht direkt vor Wasserkanonen, sondern eher unter einem undichten Wasserhahn."

"Narrativ der Angst"

Jackelén warnte davor, dass durch sogenannte Postfaktizität auf Dauer Vertrauen verloren gehe. Menschliche Beziehungen, die Gesellschaften tragen könnten, setzten ein relativ hohes Maß an Vertrauen voraus. "Dass Lügen plötzlich lange Beine haben und der ertappte Lügner statt Scham zu zeigen mit Schamlosigkeit stolziert, ist im Grunde ein Angriff auf das gesamte menschliche Beziehungsgeflecht", sagte die Bischöfin.

Sie forderte die Kirchen auf, sich für Internationalität und Demokratie starkzumachen. Bedford-Strohm warb dafür, den Erzählungen von Populisten das Gegenteil entgegenzusetzen. Deren Narrativ sei das Narrativ der Angst, sagte er. Das sei ein Widerspruch zum christlichen Glauben, sagte Bedford-Strohm und zitierte den Bibelspruch: "Gott hat euch nicht gegeben den Geist der Furcht." Er forderte dazu auf, für Zuversicht, Freundschaft und Versöhnung zu werben und sich nicht auf die Angst vor einem "Kampf der Kulturen" einzulassen. Von Politikern forderte er, ihre Aufgabe "bedächtig, rational, aber auch empathisch" anzugehen.



Vatikan-Finanzchef Pell muss wegen Missbrauchsvorwürfen vor Gericht

George Pell ist der bislang ranghöchste Geistliche der katholischen Kirche, der sich wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht verantworten muss. Der 76-Jährige plädiert auf nicht schuldig.

Der bisherige Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal George Pell, wird wegen Missbrauchsvorwürfen angeklagt. Ein Gericht in Melbourne sieht ausreichende Hinweise für die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Präfekten des Wirtschaftssekretariats, wie der vatikanische Informationsdienst Vaticannews am Dienstag meldete. Der 76-jährige Pell werde auf nicht schuldig plädieren. Er ist der bislang ranghöchste Geistliche der katholischen Kirche, der sich wegen des Vorwurfs des Kindesmissbrauchs vor Gericht verantworten muss.

Der Heilige Stuhl nehme die Entscheidung des australischen Gerichts zur Kenntnis, erklärte Vatikansprecher Greg Burke zur Eröffnung des Verfahrens gegen Pell. Er erinnerte daran, dass der Papst den Kardinal im vergangenen Jahr von seinem Amt als Präfekten des vatikanischen Wirtschaftssekretariats beurlaubt habe, damit er sich in seiner Heimat gegen die Anschuldigungen verteidigen könne. Diese Entscheidung bleibe bestehen. Damit bleibt Pell weiter formal an der Spitze einer der wichtigsten Vatikanbehörden.

Die zuständige Richterin Belinda Wallington habe die schwersten der Vorwürfe zurückgewiesen, die in den vergangenen vier Wochen in Anhörungen vorgebracht wurden, berichtete Vaticannews. Ob dazu auch ein mutmaßlicher Vergewaltigungsfall gehört, wurde bislang nicht bekannt. Die verbleibenden Verdachtsmomente reichen demnach jedoch für einen Prozess wegen sexuellen Missbrauchs aus.

Pell hatte seit Bekanntwerden der Vorwürfe vor zehn Jahren stets seine Unschuld beteuert. Es wird nicht damit gerechnet, dass Pell auf seinen Posten im Vatikan zurückkehrt. Ein Nachfolger wurde aber noch nicht ernannt. Der ehemalige Erzbischof von Sydney ist Mitglied im Rat der neun Kardinäle, die im Auftrag des Papstes an einer Reform der vatikanischen Kurie arbeiten, und gilt als einer der engsten Mitarbeiter von Franziskus.

Pell werden sexueller Missbrauch Minderjähriger und die Verschleierung von Missbrauchsfällen vorgeworfen. Die Vorwürfe beziehen sich auf Vorfälle aus den 70er und 80er Jahren in Pells Heimatstadt Ballarat sowie aus seiner Zeit als Weihbischof und späterem Erzbischof von Melbourne.



Missbrauchsopfer aus Chile fordern nach Papsttreffen Kehrtwende


Papst Franziskus im Januar in Chile
epd-bild/OsservatoreRonamo/Siciliani

Drei chilenische Missbrauchsopfer haben nach mehrtägigen Gesprächen mit Papst Franziskus konkrete Maßnahmen gegen sexuelle Übergriffe durch Geistliche eingefordert. Missbrauch stelle nicht nur in Chile eine "Epidemie" dar, die Tausende Menschenleben zerstört habe, betonten sie am 2. Mai in Rom. Die Kirche habe die Pflicht, ein Verbündeter im globalen Kampf gegen Missbrauch zu werden. Dies sei derzeit nicht der Fall. Juan Carlos Cruz, James Hamilton und Jose Andrés Murillo hatten dem Papst ausführlich über ihre Erfahrungen als Opfer berichtet.

Im Rahmen der Begegnungen habe Franziskus sie in seinem eigenen Namen und im Namen der Kirche um Vergebung gebeten, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Dabei habe Franziskus eingestanden, dass er selbst Teil des Problems gewesen sei, sagte Cruz unter Anspielung auf den Fall von Juan Barros. Franziskus hatte diesen zum Bischof von Osorno ernannt, obwohl er sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch seinen Mentor, den Priester Fernando Karadima, gedeckt haben soll.

Vorwürfe gegen Kardinal

Die drei Missbrauchsopfer wollten dem Papst Vorschläge für eine effektivere Bekämpfung von Missbrauch in der Kirche zukommen lassen. Doch es sei nicht ihre Aufgabe, die nötigen Veränderungen herbeizuführen, "um die Epidemie sexuellen Missbrauchs und dessen Verschleierung zu beenden". Sie äußerten die Hoffnung, dass der Papst seine Worte in "mustergültige Taten" umsetzen werde.

Die drei Missbrauchsopfer erhoben zugleich schwere Vorwürfe gegen den chilenischen Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa, der als Mitglied des neunköpfigen Kardinalsrats (K9) zur Ausarbeitung einer Kurienreform einer der engsten Mitarbeiter des Papstes ist. Dieser habe Barros mindestens fünf Jahre lang gedeckt, betonte Cruz. Er äußerte die Erwartung, dass Franziskus dessen Mitgliedschaft im K9-Rat aufhebt und dass dieser von der zivilen Justiz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. Karadima sei bereits verurteilt, habe die Strafe aber nicht angetreten, da die ihm zur Last gelegten Vergehen bereits verjährt seien.

Proteste in Chile

In einem Brief an die chilenischen Bischöfe hatte Franziskus vor wenigen Wochen "schwerwiegende Fehler" bei der Beurteilung von Missbrauchsfällen durch einen Priester in ihrem Land eingestanden. Aufgrund eines Mangels an "ausgewogenen Informationen" habe er sich ein falsches Bild von der Situation gemacht.

Die jüngste Chile-Reise des Papstes wurde durch Proteste gegen seinen Umgang mit Missbrauchsfällen in dem Land überschattet. Franziskus hatte die Vorwürfe in Chile zunächst als "Verleumdung" zurückgewiesen, wenig später aber bedauert, dadurch mögliche Opfer verletzt zu haben.

Nachdem die Vorwürfe und seine Reaktion starke Aufmerksamkeit erregt hatten, beauftragte der Papst den ehemaligen Chefermittler des Vatikans bei Missbrauchsfällen, den maltesischen Erzbischof Charles Scicluna, Opfer und Zeugen in Chile anzuhören. Scicluna erstattete Franziskus nach seiner Chile-Reise aufgrund von 64 schriftlichen und mündlichen Aussagen einen Bericht, auf dessen Grundlage der Papst nun seine Vergebungsbitte formulierte.



Trump verkündet neue "Glaubensinitiative"


Donald Trump
epd-bild/Cristian Gennari/Agenzia Romano Siciliani

US-Präsident Donald Trump hat am 4. Mai bei einer Veranstaltung zum "Nationalen Gebetstag" per Exekutivanordnung eine neue "Glaubensinitiative" ins Leben gerufen. Glauben sei "mächtiger als die Regierung, und nichts ist mächtiger als Gott", sagte Trump. Das neue Glaubensbüro solle das Weiße Haus beraten. Religiöse Organisationen dürften bei der Vergabe staatlicher Gelder nicht diskriminiert werden, heißt es in der Anordnung.

Details über Trumps Glaubensinitiative wurden nicht mitgeteilt. Auch unter den Ex-Präsidenten Barack Obama und George W. Bush hatten "Glaubensbüros" die Zusammenarbeit der Regierung mit religiösen Verbänden koordiniert. Der Nationale Gebetstag wurde 1952 per Kongressbeschluss eingeführt, er findet am ersten Donnerstag im Mai statt.

"Massive Gebetsbewegung"

Amerikaner aller Glaubensrichtungen seien eingeladen, für die USA zu beten. Nur eine "massive Gebetsbewegung wird uns zurück zu Gott bringen und unser Land heilen", sagte der diesjährige Präsident des Gebetstages, Baptistenpastor Ronnie Floyd. Gebetsgottesdienste fanden in den ganzen USA statt. Laut Floyd haben 2017 rund zwei Millionen Menschen an 30.000 Orten gebetet.

Im Weißen Haus beteten mit Trump mehrere Dutzend Geistliche und Politiker, darunter Floyd, die Fernsehpredigerin Paula White, der römisch-katholische Kardinal Donald Wuerl, Rabbi Levi Shemtov vom Rabbinerrat von Washington und die Präsidentin der Hilfsorganisation der mormonischen Kirche, Jean Bingham. Trump betonte, er habe sich seit Amtsantritt stark für Religionsfreiheit eingesetzt. Die Nation habe sich verändert. An Weihnachten sage man wieder "Fröhliche Weihnachten".

Unter den Teilnehmern waren auch Mitglieder der Baptistenkirche von Sutherland Springs in Texas. Dort hatte ein Amokläufer im November 26 Kirchgänger erschossen.



Youtuberin: Kirche muss da sein, wo die Menschen sind


Jana Highholder
epd-bild/Jörn Neumann
Die 19-jährige Jana Highholder ist das Gesicht des Youtube-Kanals "Jana". In dem Experiment der Evangelischen Kirche von Deutschland (EKD) will die Youtuberin mit anderen jungen Menschen über den Glauben und das Leben ins Gespräch kommen.

"Wofür glauben? Ist es notwendig? Hat es irgendeinen Sinn?", fragt die junge Frau mit den blonden Locken auf einem gelben Sofa. Sie könne nicht erklären, warum "man" glauben sollte, erzählt sie auf dem Youtube-Kanal "Jana". "Aber ich kann und möchte euch erzählen, warum ich glaube." Mit dem Youtube-Kanal will die evangelische Kirche junge Menschen erreichen, die nach dem Sinn des Lebens fragen. Die 19-jährige Jana Highholder lässt das Publikum an ihrem Alltag als Slammerin, Medizinstudentin und Christin teilnehmen.

Ziel sei es, den "Gottesdienst zu den Menschen zu bringen", erzählt die Humanmedizin-Studentin in Münster, die bereits seit einigen Jahren unter ihrem Künstlernamen Jana Highholder als Poetryslammerin auf Bühnen und in den sozialen Medien präsent ist. Dazu müsse man dahin gehen, wo diese Menschen sind: "Und in meiner Generation sind das die sozialen Medien."

Der Youtube-Kanal wird im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gemeinsam vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) und der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej) verantwortet. Das GEP ist das zentrale Mediendienstleistungsunternehmen der EKD. Die aej ist der Zusammenschluss der Evangelischen Jugend in Deutschland.

"Glaube findet nicht nur sonntags statt"

"Glaube ist für mich etwas Alltägliches, er findet nicht nur sonntags und nicht nur auf speziellen christlichen Veranstaltungen statt", erzählt Jana. Mit sechs Jahren hatte sie Leukämie. Da habe sie "ganz früh erfahren, dass das Leben nicht in meiner Hand liegt". Durch die Krankheit und ihre Überwindung habe sie einen dankbareren Blick auf ihr Leben bekommen. Das sei zwar Teil ihrer Geschichte. "Es ist aber nicht das einzige, worauf ich mich berufe, wenn ich sage, Gott hat sich in meinem Leben gezeigt."

Aufgewachsen ist Jana zusammen mit zwei Brüdern in Koblenz in einem christlichen Elternhaus. Auch ihre Poetry-Texte handeln oft vom Glauben. Die junge Frau ist in freikirchlichen Gemeinden engagiert, hat aber gegenüber der EKD keine Berührungsängste. Es gebe so viele Arten den Glauben zu leben, ist sie überzeugt: "Das sollte uns nicht spalten."

Neben Lebens- und Glaubensfragen lässt die Youtuberin unter der Rubrik "Jana vloggt" die Netzgemeinschaft auch an ihrem Leben teilhaben. Da zeigt sie, wie sie für ihre Klausuren lernt, wie sie für Poetry-Slams unterwegs ist oder einfach entspannt durch ihre Heimatstadt schlendert. Begleitend zum Youtube-Kanal ist Jana auch auf den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram präsent.

Digitaler Aufbruch

Bei dem Projekt gehe es nicht darum, einen "Kirchenkanal" zu etablieren, sagt Thomas Dörken-Kucharz, der Beauftragte im GEP für Social Media, Funk und RTL. "Wir möchten ausprobieren, ob Glaube als Thema in den sozialen Medien funktioniert - mit einer Person verbunden, die dafür einsteht."

Für die Evangelische Kirche in Deutschland ist das Format ein Experiment: "Jana ist Teil einer Vielzahl von digitalen Aufbrüchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland", erklärt die EKD. Dabei würden bewusst unterschiedliche Plattformen und Formate ausprobiert. Nach einem Jahr soll das Projekt evaluiert werden.

"Mit den Klicks liegen wir über den Erwartungen", freut sich Dörken-Kucharz. Die wöchentlich veröffentlichten Beiträge bei "Jana" haben rund 1.000 Aufrufe. Der Theologe Dörken-Kucharz ist bei der Aufzeichnung im Kölner Studio dabei und nimmt die geschnittene Fassung ab. Ihm ist aber wichtig, dass Jana, die mit ihrem Namen und Gesicht für das Projekt steht, dabei authentisch sein kann. Die Themenvorschläge werden vor der Aufzeichnung gemeinsam beraten. Jana überlege sich dann, wo der Beitrag hingehen könne, welche Geschichten ihr dazu einfallen.

Russische Bots

Auf Instagram oder Youtube erzählten einige User von ihrem eigenen Glauben oder stellten konkrete Fragen, berichtet Jana. Es gibt aber auch ätzende Kommentare und Beschimpfungen von Menschen, die anonym mit Religion und Kirche abrechnen wollen. Offenbar ist der Kanal sogar auch Ziel eines Angriffs von gesteuerten Computerprogrammen geworden: Innerhalb eines Tages hagelte es auf einmal 1.000 Negativbewertungen aus Russland, der Ukraine und anderen Ländern, wie Dörken-Kucharz berichtet.

Wie schafft sie es, ihr Medizinstudium, ihre Auftritte als Poetry-Slammerin und ihre Youtube-Aktivitäten unter einen Hut zubringen? Sie könne nicht etwas nur zu 25 Prozent machen, erzählt Jana Highholder. Die Aufgaben, denen sie sich verpflichtet fühle, sollten auch 100 Prozent ihrer Leistung bekommen. "Da muss ich bei anderen Dingen auch mal sagen, hier muss ich jetzt kürzer treten."

Von Holger Spierig (epd)



Gesellschaft

Friedensforscher warnen vor neuem Rüstungswettlauf


Die Bundeswehr - hier in Mali - und ihre Militärausgaben sind auf Platz neun gelandet.
epd-bild/Bettina Rühl
Die Militärausgaben haben einen Höchststand seit Ende des Kalten Krieges erreicht, erklärte das Friedensforschungsinstitut Sipri. Deutschland liegt weltweit auf Platz neun.

Angesichts der höchsten Militärausgaben seit dem Kalten Krieg warnen Friedensforscher vor einem neuen Rüstungswettlauf. "Abrüstung ist das Gebot der Stunde", betonte ein Bündnis aus Wissenschaft, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und Politik am 2. Mai in Berlin. Anlass der Mahnung ist der neue Bericht des Friedensforschungsinstitutes Sipri über weiter gestiegene globale Rüstungsausgaben im vergangenen Jahr - auf insgesamt rund 1,74 Billionen US-Dollar (1,43 Billionen Euro). Die "Top Five" waren dabei die USA, China, Saudi-Arabien, Russland und Indien. Deutschland folgte auf Platz neun.

Die Militärausgaben hätten damit einen Höchststand seit Ende des Kalten Krieges erreicht, erklärte Sipri in Stockholm. Im Vergleich zu 2016 steckten die Regierungen 1,1 Prozent mehr in die Militärausgaben, die insgesamt 2,2 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung ausmachten. Die fünf größten Rüstungsinvestoren steuerten 60 Prozent zu der weltweiten Summe bei. Die deutschen Ausgaben stiegen 2017 um 3,5 Prozent auf 44,3 Milliarden US-Dollar.

Stärkung ziviler Konfliktlösung

"Sipri liefert nur die Zahlen", rief der Co-Präsident des Internationalen Friedensbüros, Reiner Braun, zum Handeln auf. Es sei an der Politik und der Friedensbewegung, die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Initiatoren des Aufrufs "Disarm! Don't Arm!" ("Abrüsten! Nicht aufrüsten") sprechen sich unter anderem für eine Stärkung ziviler Konfliktlösung aus. Zudem sollten die geplanten zusätzlichen Haushaltsmittel für die Bundeswehr besser in die öffentliche Infrastruktur, in Bildung, Wohnungsbau, Umwelt- und Klimaschutz sowie in die Entwicklungszusammenarbeit gesteckt werden.

Unterzeichner des Aufrufs sind unter anderen mehrere Nobelpreisträger, darunter die US-Chemiker Dudley Herschbach, Martin Karplus und John Polanyi, der US-Physiker Jack Steinberger, die jemenitische Menschenrechtsaktivistin Tawakkol Karman und die irische Friedensaktivistin Mairead Maguire. Mit Blick auf die in Russland gesunkenen Rüstungsausgaben forderte Braun neue Entspannungsinitiativen von Bundesregierung und Nato. In Russland gingen die Militärinvestitionen 2017 unter anderem aufgrund wirtschaftlicher Probleme um 20 Prozent auf 66,3 Milliarden US-Dollar zurück. Damit belegt das Land weltweit Rang vier.

USA geben am meisten aus

Nach wie vor sind die USA laut Sipri das Land mit dem größten Rüstungsetat. Die Ausgaben des Spitzenreiters blieben 2017 im Vergleich zum Jahr davor nahezu unverändert bei 610 Milliarden Dollar. Das entspricht einem Anteil von 35 Prozent der globalen Investitionen. China (Platz zwei) steigerte dem Bericht zufolge seine Ausgaben um 5,6 Prozent auf 228 Milliarden Dollar, Saudi-Arabien (Rang drei) um 9,2 Prozent auf 69,4 Milliarden Dollar und Indien (Platz fünf) um 5,5 Prozent auf 63,9 Milliarden US-Dollar.

In der Region Asien und Ozeanien wurde das 29. Jahr in Folge mehr in die Rüstung gesteckt. In den Staaten des Nahen Ostens, über die das Friedensforschungsinstitut Daten ermitteln konnte, stiegen die Investitionen 2017 im Schnitt um 6,2 Prozent. Außer Saudi-Arabien haben vor allem der Iran und der Irak deutlich aufgerüstet.

Indes gaben Staaten in Mittelamerika und der Karibik im vergangenen Jahr 6,6 Prozent weniger Geld aus. In Afrika fielen die Militärausgaben im Schnitt leicht um 0,5 Prozent.



Steinmeier sieht Kreuz-Pflicht in Bayern skeptisch


Frank-Walter Steinmeier
epd-bild / Andreas Schoelzel

Die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden stößt bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Skepsis. "Was uns sonntags in der Kirche fehlt, das wird das Kreuz in den Behörden eigentlich nicht ersetzen können", sagte der evangelische Christ Steinmeier am 6. Mai im "Bericht aus Berlin" laut Mitteilung des ARD-Hauptstadtstudios.

Steinmeier betonte, er sei nicht Schiedsrichter über die Entscheidungen, die in Bayern getroffen worden sind. Es gebe aber ein paar verfassungsrechtliche Maßstäbe, die man zu Hilfe nehmen könne, sagte der promovierte Jurist unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht. Dieses habe schon 1995 entschieden, dass das Kreuz den Wesenskern des Christentums symbolisiere. Es sei nach den Worten von Kardinal Reinhard Marx nicht vom Staat, sondern von der Kirche zu füllen.

Das bayerische Kabinett unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte im April die allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Bundeslandes geändert. Im Eingangsbereich aller staatlichen Dienstgebäude muss ab 1. Juni als Ausdruck der "geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung angebracht werden. Die Kreuz-Pflicht sorgte für eine kontroverse Debatte.



Seehofer legt los


Horst Seehofer
epd-bild/Peter Roggenthin
Horst Seehofer hat aus dem Innenministerium eine Megabehörde gemacht, erweitert um die Bereiche Bau und Heimat. Nun präsentierte er seine Pläne. Die ersten Vorhaben drehen sich um ein klassisches Thema des Ressorts: die Flüchtlingspolitik.

Aus dem Streit ums Kreuz in seiner Heimat hält sich Horst Seehofer (CSU) raus. Bei seiner ersten größeren Pressekonferenz am 3. Mai in Berlin deutet er an, dass in seinem Büro wie bei seinem Amtsvorgänger Thomas de Maizière ein Kreuz an der Wand hängt. Auch verweist er auf die CSU-Statuten, nach denen sich die Partei am christlichen Menschenbild ausrichtet. Ansonsten gilt aber: "Ich werde zu Dingen, die im Zusammenhang stehen mit der Arbeit meines Nachfolgers nichts sagen." Als Bundesinnenminister hat Seehofer auch anderes zu tun, zumal nicht wenig. Migration, Sicherheit, Heimat und Bau fallen in seine Zuständigkeit, nachdem er das Innenressort erweitert hat. Er hat viel vor, machte er deutlich.

Am konkretesten vorangeschritten sind seine Pläne demnach im Bereich der sogenannten Anker-Zentren, in denen Asylverfahren von Flüchtlingen komplett abgewickelt werden sollen, und beim Familiennachzug. Am nächsten Mittwoch soll Seehofer zufolge das Bundeskabinett den Gesetzentwurf beraten, nachdem ab August monatlich 1.000 Angehörige von subsidiär Geschützten nach Deutschland kommen sollen. Für diese Gruppe von Flüchtlingen mit untergeordnetem Schutz hatte die vorhergehende große Koalition den Familiennachzug ausgesetzt. Betroffen sind vor allem Syrer.

"Zuständigkeitswirrwarr"

Seehofer zufolge sollen Innenministerium und Auswärtiges Amt die Auswahl für die Kontingente treffen. Auch das Bundesverwaltungsamt soll Unterstützung leisten. Pro Asyl fürchtet ein "Zuständigkeitswirrwarr", Willkür bei der Auswahl und eine Unterschreitung der Kontingentgrenze. Seehofer versicherte, in den ab August verbleibenden fünf Monaten dieses Jahres sollen 5.000 Angehörige kommen können, auch wenn in einem Monat die Zahl nicht erreicht wird. "Ab 1. Januar gilt uneingeschränkt monatlich 1.000", ergänzte er.

Die Anker-Zentren sind ein Baustein von Seehofers "Masterplan" für mehr Abschiebungen, den er nach mehrfacher Ankündigung bis Anfang Juni vorlegen will. Größtes Hindernis einer Abschiebung sei es, wenn Menschen schon lange in Deutschland lebten und Wurzeln geschlagen hätten. Deswegen sollen sie schneller erfolgen, nach Seehofers Plänen am besten direkt aus den Anker-Zentren heraus, sollte ihr Asylantrag abgelehnt worden sein.

Bis zu 18 Monate

Von der Registrierung bis zum Bescheid soll in den Zentren das komplette Asylverfahren abgewickelt werden. Junge Männer sollen dafür in der Regel bis zu 18 Monate dort bleiben müssen, sagte der zuständige Staatssekretär Helmut Teichmann. Familien sollen demnach nach sechs Monaten die Einrichtungen verlassen können.

In bis zu sechs möglichst gleichmäßig in Deutschland verteilten Einrichtungen soll das Prinzip Teichmann zufolge gestestet werden. Einige Bundesländer hätten als Standort für Pilot-Einrichtungen bereits Interesse bekundet, darunter Bayern. Im August oder September sollen bis zu sechs Einrichtungen an den Start gehen, die dann für ein halbes Jahr getestet und gleichzeitig evaluiert werden. Seehofer und Teichmann gehen davon aus, dass dann für den Dauerbetrieb der Einrichtungen Gesetzesänderungen notwendig werden. Die Pilotzentren würden aber auf der bestehenden Rechtsgrundlage eingerichtet und betrieben. Anders wäre der Start in diesem Jahr nicht möglich, erklärte Seehofer.

Seehofer erneuerte auch seine Zusage, die Deutsche Islamkonferenz weiter zu betreiben, ohne aber konkrete Details und Zeitpläne zu nennen. Nach Amtsantritt hatte er mit dem Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" in einem Interview für Furore gesorgt. Nun unterstrich er, dass er dabei auch die "notwendige Feststellung" getroffen habe, dass Muslime Teil der hiesigen Gesellschaft seien. Er wolle einen differenzierten Dialog, sagte der Innenminister.

Von Corinna Buschow (epd)


Diskussion über Asylunterkünfte nach Polizeieinsatz in Ellwangen

Nach dem Großeinsatz der Polizei in einer Flüchtlingsunterkunft im baden-württembergischen Ellwangen wächst die Kritik an den geplanten Anker-Zentren für Asylbewerber. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet, dass sich organisierter Protest wie in Ellwangen wiederholen könnte, wenn viele Asylbewerber, denen die Abschiebung droht, in solchen Sammelunterkünften untergebracht werden. Auch die Diakonie Deutschland lehnt die Zentren ab.

Das Bundesinnenministerium wies unterdessen Befürchtungen zurück, die Anker-Zentren könnten weitere Fälle wie in Ellwangen provozieren. "Das sehen wir nicht so", sagte eine Sprecherin am Freitag in Berlin. Um die Sicherheit in den geplanten Anker-Zentren zu gewährleisten, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Ländern Unterstützung durch die Bundespolizei angeboten. Am 3. Mai hatte Seehofer erste Pläne für die Einrichtungen, in denen Asylverfahren bis zur möglichen Abschiebung abgewickelt werden sollen, präsentiert. Im Herbst sollen seinen Plänen zufolge bis zu sechs Test-Einrichtungen an den Start gehen.

"Kein Wachpersonal"

Der GdP-Vorsitzende Oliver Malchow lehnte indes eine Bewachung von Anker-Zentren durch die Bundespolizei ab. "Wir wollen solche Zentren nicht bewachen. Wir sind ausgebildete Polizeibeamte und kein Wachpersonal", sagte er am 4. Mai im Bayerischen Rundfunk. "Wir wissen gar nicht, warum wir Menschen, die hier Asylanträge gestellt haben, bewachen müssen, ihnen also die Freiheit nehmen müssen", fügte Malchow hinzu. "Die Leute müssen beschäftigt werden. Sie dürfen da nicht rumlungern und nur verwahrt werden, das führt zu Aggressivität", warnte der GdP-Chef.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der "Passauer Neuen Presse (Freitag): "Weder die Bundes- noch die Landespolizei verfügen über die personellen Kapazitäten, um solche Ankerzentren mit zu sichern." Der stellvertretende GdP-Vorsitzende, Jörg Radek, sagte "Focus Online": "Anker-Zentren machen es erst möglich, dass solche Strukturen und Dynamiken entstehen, wie wir sie jetzt in Ellwangen erlebt haben." Nötig seien hingegen mehr Polizisten, die sich um Rückführungen kümmern können.

"Explosiver Mix"

In der Nacht zum 30. April hatten rund 150 Bewohner der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen die Abschiebung eines 23-jährigen abgelehnten Asylbewerbers aus Togo zunächst gewaltsam verhindert. Am 3. Mai stürmte die Polizei die Flüchtlingsunterkunft mit einem Großaufgebot und nahm den Afrikaner fest. Er soll gemäß dem Dublin-Abkommen nach Italien als Erstaufnahmeland abgeschoben werden.

Die Diakonie forderte nach den Ereignissen in Ellwangen eine Abkehr von den Anker-Zentren, in denen Asylbewerber und abgelehnte Flüchtlinge leben sollen. "Dann sitzen dort Menschen, die auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Verfolgung ihre Anhörung im Asylverfahren vorbereiten neben Landsleuten, die Tag und Nacht in Angst vor ihrer Abschiebung leben", sagte Präsident Ulrich Lilie. Ein solcher "explosiver Mix" von hochbelasteten Menschen berge jede Menge Sprengstoff für Konflikte. Lilie argumentierte, gerade der Rückbau der großen Aufnahmezentren im vergangenen Jahr habe zu einem spürbaren Rückgang der Straftaten in der Kriminalitätsstatistik geführt.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, von einer Situation wie in Ellwangen gehe "kein gutes Signal aus". Er warnte zugleich vor pauschalen Forderungen nach konsequenter Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Zwar gebe es "definitiv ein Vollzugsdefizit bei Abschiebungen", sagte Günther. Aber das Problem sei sehr vielschichtig: "Abschiebungen treffen oft auch die Falschen." Als Beispiel nannte er Familien, "die seit Ewigkeiten in Deutschland leben und gut integriert sind". Vor diesem Hintergrund verteidigte er die Anker-Zentren: "Dort kann schnell entschieden werden, ob jemand eine Bleibeperspektive hat."



Kirchen kritisieren Gesetzentwurf zum Familiennachzug

Die Kirchen protestieren bei der Bundesregierung gegen deren Pläne zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär geschützten Flüchtlingen. Dem Ziel, den Interessen betroffener Schutzberechtigter nach einer Familienzusammenführung entgegenzukommen, werde der Gesetzentwurf nicht gerecht, heißt es in einer Stellungnahme der evangelischen und katholischen Kirche, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Die Pläne berücksichtigten nur unzureichend den verfassungs-, völker- und europarechtlich verbürgten Schutz von Ehe und Familie, heißt es darin weiter.

Diesen rechtlichen Vorgaben werde ein Kontingent nicht gerecht. Noch dazu sei es "zahlenmäßig restriktiv bemessen", kritisieren die Kirchen. Die große Koalition will den Familiennachzug zu Flüchtlingen mit dem untergeordneten, subsidiären Schutz, der seit Frühjahr 2016 ausgesetzt ist, ab August wieder ermöglichen. Pro Monat sollen 1.000 Angehörige kommen können. Die Kontingentregelung schafft aber nicht wieder einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführungen, wie ihn die Kirchen fordern.

Seehofer kündigte am 3. Mai an, dass der Gesetzentwurf zum Familiennachzug voraussichtlich am 9. Mai vom Bundeskabinett beraten werden soll. Damit sei eine zeitgerechte Umsetzung mit den Beratungen in Bundestag und Bundesrat bis zum 1. August möglich.



Empörung über Dobrindts Attacke gegen "Anti-Abschiebe-Industrie"

Mit seiner Kritik an einer "Anti-Abschiebe-Industrie" hat der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt empörte Reaktionen beim Koalitionspartner SPD und bei den Grünen hervorgerufen. Das Gerede über eine "Anti-Abschiebe-Industrie ist Quatsch", denn "den Abschiebungsgegnern, deren Ziele man begrüßen oder ablehnen kann, geht es nicht um Geld", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs der "Welt" (7. Mai). Dobrindt betreibe den "verzweifelten Versuch, einige AfD-Wähler zurückzuholen", erklärte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD. "Aber meist wählen die Leute das Original, nicht die Kopie."

Dobrindt hatte der "Bild am Sonntag" gesagt, durch Hilfsorganisationen und Anwälte, die sich auf Widersprüche gegen abgelehnte Asylanträge spezialisierten, würden "Bemühungen des Rechtsstaats sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert".

Göring-Eckardt: "Unsäglich"

Nach den Worten des SPD-Fraktionschefs im bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher, betreibt Dobrindt mit solchen Äußerungen eine "gefährliche Politik der Spaltung". Er sei im bayerischen Landtagswahlkampf offenkundig "bereit, das geistige Volumen eines Donald Trump vollstens auszufüllen", sagte Rinderspacher der "Welt".

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt betonte, wenn sich "Bürgerinitiativen und Anwälte dafür einsetzen, dass es bei der Prüfung von Asylansprüchen korrekt und human zugeht, dann sind gerade sie es, die Recht und Ordnung hochhalten". Es sei "unsäglich", dass Dobrindt "solches Engagement verleumdet, um mit AfD-Parolen Bayern-Wahlkampf zu machen", sagte sie der Zeitung.

Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz ergänzte: "Wer die Anwendung von rechtsstaatlichen Mitteln pauschal verunglimpft, der versteht den Rechtsstaat nicht und verabschiedet sich in Richtung Rechtspopulismus." Dobrindt breche "mit der liberalen Rechtsstaatstradition, die Bayern und Deutschland in den letzten Jahrzehnten so erfolgreich gemacht hat".



Wenn Flüchtlinge versteckt werden


Proteste gegen Abschiebungen nach Afghanistan und Irak (Archivbild)
epd-bild/Ralf Maro
Mit dem "Bürgerasyl" wollen Aktivisten Flüchtlinge vor ihrer drohenden Abschiebung bewahren. Sie berufen sich dabei auf zivilen Ungehorsam. Ihr Vorgehen gilt als rechtlich umstritten.

Sechs Kinder hatte die Frau, alle gesundheitlich angeschlagen, und sie war als Angehörige der Roma-Minderheit vor Diskriminierung in Serbien geflüchtet. Zurück sollte sie trotzdem, einen Termin für die Abschiebung gab es schon. Also wurde sie versteckt, von mehreren Unterstützern in Freiburg, und das wochenlang. Die Behörden sollten sie nicht finden. Es gibt Menschen, die sagen: Das ist illegal. Andere sagen: Ja ist es, es ist aber auch notwendig – und nennen es "Bürgerasyl".

"Das Asylrecht ist ausgehöhlt und bietet keinen Schutz mehr. Das müssen nun Bürgerinnen und Bürger übernehmen", sagt Michaela Baetz, Sprecherin der Initiative Bürgerasyl Nürnberg-Fürth. Rund ein Dutzend solcher Gruppen gibt es mittlerweile in Deutschland, neben der in Nürnberg und Fürth etwa in Freiburg, Hanau, Stuttgart und Göttingen.

Beihilfe

Hier engagieren sich Menschen, die finden, dass deutsche Behörden zu oft und zu schnell abschieben – und die etwas dagegen unternehmen wollen, indem sie Flüchtlinge verstecken, denen die Ausweisung droht. Wie oft das bislang geschehen ist, darüber gibt es keine Zahlen – denn das, was die Befürworter Bürgerasyl nennen, ist für andere eine Straftat, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann: "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt".

Das ist auch der Grund, warum es schwer ist, jemanden zu finden, der von seinen Erfahrungen mit der Unterbringung eines Flüchtlings erzählt. Die Gruppe Nürnberg-Fürth ist noch relativ jung. Ihre Sprecherin Michaela Baetz erklärt, wie das Bürgerasyl vor Ort funktioniert: Sie konzentriert sich auf Menschen aus Afghanistan. "Afghanen sind an sich nicht schutzwürdiger als andere Flüchtlinge, aber die Situation in ihrem Land ist ganz offensichtlich so, dass sie eigentlich nicht zurückgeschickt werden können."

Rund 60 Unterstützer hat die Gruppe. Wie viele tatsächlich bereit sind, einen Geflüchteten aufzunehmen, kann Baetz nicht sagen. Aber klar ist, dass es immer losgeht, sobald eine Abschiebung bevorsteht oder sie vermutet wird: Dann wird der bedrohte Flüchtling beherbergt – reihum, von verschiedenen Menschen, solange, bis die Gefahr vorüber ist. Baetz sagt aber auch: "Wir wollen öffentlich machen, dass wir die gegenwärtige Abschiebepraxis nicht hinnehmen." Es gehe um zivilen Ungehorsam.

Skepsis bei Pro Asyl

Das Bürgerasyl ist umstritten. So hält es der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) für illegal, wie er in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP klarstellte: "Personen, die dazu aufrufen, solche Straftaten zu begehen, können sich wegen Anstiftung beziehungsweise wegen der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten strafbar machen", heißt es dort.

Das wiederum bezweifelt Albert Scherr, Soziologe an der Pädagogischen Hochschule Freiburg: "Die Frage ist doch: Liest man Bürgerasyl als politische Meinungsäußerung, als zivilen Ungehorsam oder als Unterstützung einer strafwürdigen Aktion?" Letzteres sei zwar denkbar und für den Straftatbestand "Beihilfe zum illegalen Aufenthalt" kämen sogar Gefängnisstrafen infrage. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass Gerichte so urteilen würden: "Damit sind ja eigentlich Schlepper gemeint." Da es zum Bürgerasyl noch keine Rechtspraxis gebe, sei aber alles, was man darüber sagen könne, spekulativ, sagt Scherr.

Auch Organisationen der Flüchtlingshilfe stehen dem Bürgerasyl skeptisch gegenüber – gerade im Vergleich mit dem Kirchenasyl. So sagt etwa Bernd Mesovic, Sprecher von Pro Asyl: "Dem Kirchenasyl liegt ja eher die Idee einer Denkpause zugrunde, mit der man eine Abschiebung kurzfristig erst mal aufhalten will. Es handelt sich aber hier um keinen zivilen Ungehorsam, sondern eine Anerkennung des Rechtsstaats." Den Kirchen spricht er eine "moralische Sonderrolle" zu, beim Bürgerasyl vermisst er "eine weitergehende Handlungsperspektive".

Von Sebastian Stoll (epd)


Historiker Segev: "Israel ist eine dramatische Erfolgsgeschichte"


Tom Segev
epd-bild / Dan Porges

70 Jahre wird der israelische Staat in diesem Jahr. Am 14. Mai 1948 verkündete der erste Ministerpräsident David Ben-Gurion die Staatsgründung. Der israelische Historiker und Journalist Tom Segev wagt sich in seinem kürzlich erschienen Buch "David Ben Gurion - Ein Staat um jeden Preis" an eine Entheroisierung des israelischen Staatsmannes. "Ich habe das Bestreben, den Menschen zu zeigen und nicht die aus Stein gemeißelte Figur, die auf einem Sockel steht", sagte Segev dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Herr Segev, viele Bücher beschreiben den "Mythos David Ben-Gurion". Worum ging es Ihnen bei der Beschreibung des ersten Ministerpräsidenten Israels?

Tom Segev: Ben-Gurion war eigentlich erst eine sehr umstrittene Figur - er hat niemals mehr als ein Drittel der Wählerstimmen bekommen. Erst mit den Jahren ist der Mythos um seine Person entstanden. Ich habe das Bestreben, den Menschen zu zeigen und nicht die aus Stein gemeißelte Figur, die auf einem Sockel steht. Ben-Gurion konnte sehr emotional sein, er konnte seine Gefühle beschreiben, er hatte sehr viele persönliche Krisen. Er war himmelhoch-jauchzend, zu Tode betrübt. Sowohl die Depressionen, die er hatte, hat er sehr ehrlich und detailliert beschrieben, wie auch die plötzlichen Euphorien. Er hatte eine journalistische Beobachtungsgabe, die in vielen einzelnen Szenen in seinem Tagebuch zum Ausdruck kommt. Das ist sehr faszinierend.

epd: Was würde Ben-Gurion zu 70 Jahre Israel sagen?

Segev: Israel ist schon die Verwirklichung des Traumes, den Ben-Gurion hatte. Das Land ist zweifellos eine dramatische Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Den meisten Israelis geht es besser als den meisten Menschen auf der Welt. Doch heute haben wir eine Situation, die Ben-Gurion immer vermeiden wollte: Dass Israel Gebiete beherrscht, die so eng von Arabern bevölkert sind. Er hat ja gezielt 1948 beim Unabhängigkeitskrieg die Altstadt von Jerusalem und die Westbank nicht erobern lassen und war auch dagegen, dass die Gebiete 1967 erobert werden. Es ging ihm immer um die jüdische Mehrheit. Das bedeutete, Verzicht auf einen Teil des Landes. Ich glaube, die Besatzungspolitik der letzten 50 Jahre steht eigentlich im Gegensatz zu dem, was er für Israel wollte.

epd: Die israelische Geschichte ist geprägt durch den israelisch-palästinensischen Konflikt. Konnte Ben-Gurion das voraussehen?

Segev: Ich denke, dass Ben-Gurion Recht hatte, als er schon 1919 - also vor fast 100 Jahren - festgestellt hat, dass es einen Frieden zwischen Zionisten und Palästinensern eigentlich nicht geben kann. Das ist ein Konflikt zweier Nationen, die miteinander um ihre Identität kämpfen. Beide definieren ihre Identität durch das Land und deshalb war Ben-Gurion der Urheber der Formel, die man heute so oft hört: Dass es ein Konflikt ist, den man managen kann, aber nicht lösen. Heute wird er von israelischer Seite sehr schlecht gemanagt. Die Besatzungspolitik ist sehr hart, doch die meisten Israelis interessieren sich nicht mehr dafür: Sie glauben nicht mehr wirklich an den Frieden. Zudem ist der palästinensische Terrorismus unter Kontrolle. In absehbarer Zeit wird sich an dem Konflikt nichts ändern.

epd-Gespräch: Elisa Makowski


Vorkämpfer der Schwulenbewegung


Hirschfeld-Denkmal in Berlin
epd-bild/Christian Ditsch
Er war seiner Zeit weit voraus. Der vor 150 Jahren geborene Arzt und Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld beschäftigte mit geschlechtlicher Vielfalt - und kämpfte für die Rechte Homosexueller.

Magnus Hirschfeld (1868-1935) gilt als Begründer der ersten Schwulenbewegung. In erster Linie war er aber Sexualwissenschaftler, der für die Straffreiheit von Homosexualität kämpfte - zu einer Zeit, als an die erst seit 2017 mögliche "Ehe für alle" noch lange nicht zu denken war. Am 14. Mai jährt sich der Geburtstag des jüdischen Arztes zum 150. Mal.

Die erst 2011 gegründete Bundesstiftung Magnus Hirschfeld und die seit den 1980er Jahren bestehende Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft planen zahlreiche Gedenkveranstaltungen. Dazu gehört ein Festakt im Haus der Kulturen der Welt in Berlin, in dessen Nähe einst Hirschfelds Institut für Sexualwissenschaft stand.

Hirschfeld kam 1868 als Sohn eines jüdischen Arztes im pommerschen Kolberg zur Welt, studierte Philologie in Breslau und Medizin in Straßburg, München, Heidelberg und Berlin. Nach seiner Promotion eröffnete er 1894 zunächst eine naturheilkundliche Arztpraxis in Magdeburg.

Institut für Sexualwissenschaft

Einer seiner Patienten, ein Offizier, beging am Vorabend seiner Hochzeit Suizid, weil er schwul war. Dieser Vorfall gilt - neben dem Strafprozess gegen den homosexuellen britischen Schriftsteller Oscar Wilde - als ein Auslöser dafür, dass Hirschfeld sich mit der Erforschung der Homosexualität befasste.

Er ging nach Berlin-Charlottenburg und gründete 1897 mit anderen Mitstreitern das "Wissenschaftlich-humanitäre Komitee (WhK)". Es war die weltweit erste Organisation, die sich für die Gleichberechtigung von Homosexuellen einsetzte. Mit einer Petition an den Reichstag kämpfte er - erfolglos - für die Abschaffung des Paragrafen 175, der sexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellte.

Vor fast 100 Jahren, 1919, gründete Hirschfeld dann sein Institut für Sexualwissenschaft, die erste Einrichtung dieser Art. Neben der Forschung gab es dort auch Beratung und Aufklärung, und es wurden Geschlechtskrankheiten behandelt. Hirschfeld arbeitete zudem als medizinischer Sachverständiger in Gerichtsprozessen und engagierte sich politisch als Sozialdemokrat.

Seine eigene Homosexualität thematisierte er nicht groß. Aus seinen letzten Jahren sind zwei Partner bekannt, mit denen er zusammenlebte.

Exil in Frankreich

1930 begab sich Hirschfeld auf eine Weltreise, von der er nicht nach Deutschland zurückkehren sollte: Nach dem Erstarken des Nationalsozialismus blieb er im Exil in Frankreich. 1933 plünderten die Nationalsozialisten sein Institut in Berlin. Sie entwendeten eine Büste Hirschfelds, vernichteten einen Großteil seiner Sammlungen und seiner Bibliothek und verbrannten diese auf dem Berliner Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz.

Der Versuch einer Institutsneugründung in Paris scheiterte. Hirschfeld starb an seinem 67. Geburtstag am 14. Mai 1935 in Nizza. Dort wurde er auch begraben. Auf seiner Grabplatte steht sein Leitspruch: "Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit".

Erst spät flammte das Interesse an ihm und seiner Arbeit wieder auf. Schließlich ergingen noch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik bis in die 1960er Jahre hinein zahlreiche Urteile gegen homosexuelle Männer. Endgültig gestrichen wurde der Paragraf 175 erst 1994.

Ralf Dose war 1982 Mitbegründer der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft. Innerhalb der Westberliner Schwulen- und Lesbenbewegung habe es damals wieder ein Interesse gegeben, sich mit den geschichtlichen Vorfahren auseinanderzusetzen und diese auch wieder langsam ins Bewusstsein zu rücken, sagt er. Zudem sollten die Homosexuellen als eine Opfergruppe der Nationalsozialisten nicht länger vergessen bleiben. Dabei sei Hirschfeld sozusagen wiederentdeckt worden.

Seine wissenschaftlichen Arbeiten sind aber auch umstritten. In der Kritik standen vor allem seine naturwissenschaftliche Herangehensweise und seine Auffassung zur Eugenik, in der es darum ging, mit Erkenntnissen aus der biologischen Forschung die Fortpflanzung zu regulieren. Wie andere Zeitgenossen war Hirschfeld der Meinung, durch entsprechende Eheberatung, Aufklärung und Familienplanung soziales Elend verringern zu können. Die NS-Rassenhygiene lehnte er aber ab.

Kategorie von Mann und Frau aufgelöst

Hirschfeld betrachtete Sexualität aus der Biologie heraus. Er beschrieb "sexuelle Zwischenstufen". In der Homosexualität wollte er "einen tief innerlichen konstitutionellen Naturtrieb" erkennen. Im Prinzip habe Hirschfeld die Kategorie von Mann und Frau völlig aufgelöst, sagt Ralf Dose. Dies sei damals bereits weit über das hinausgegangen, was gesellschaftlich akzeptabel war.

Der Geschäftsführer der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, Jörg Litwinschuh, beobachtet derzeit ein gestiegenes Interesse am Erbe Hirschfelds und verweist auch auf die vielen Anmeldungen für den Festakt am 14. Mai. Dies sei auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Rechtspopulismus, Problemen mit Antisemitismus und Einwanderungsdebatten zu sehen, sagt er: "Wir merken eine stärkere Politisierung."

Von Romy Richter (epd)



Soziales

Landeskirchen wollen deutsche Entscheidung zum Arbeitsrecht abwarten


Warten auf Justitia
epd-bild/Heike Lyding
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird das Urteil des Bundesarbeitsgericht für den Sommer erwartet. Bis dahin bleibt es bei Einzelfallprüfungen.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum kirchlichen Arbeitsrecht sehen die evangelischen Landeskirchen keinen Anlass für schnelle Änderungen ihrer Einstellungspraxis. Dies ergab eine bundesweite Umfrage des Evangelischen Pressedienstes. Die überwiegende Mehrheit der Landeskirchen und ihrer Diakonien wollen zunächst die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) abwarten, an das der EuGH den Rechtsstreit zurückverwiesen hat.

Das BAG-Urteil wird für Sommer erwartet. "Bis dahin bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob bei Stellenausschreibungen auf die zwingende Voraussetzung der Kirchenmitgliedschaft verzichtet werden sollte", sagte der westfälische Kirchenrat Henning Juhl in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ähnlich äußerten sich auch andere Landeskirchen und Diakonischen Werke.

Der EuGH in Luxemburg hatte am 17. April entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal und unbegründet eine Kirchenmitgliedschaft bei Bewerbern verlangen dürfen (AZ: C-414/16). Bei einer solchen Anforderung an einen Bewerber müsse ein direkter Zusammenhang zwischen der Konfession und der Tätigkeit bestehen. Zudem müsse von einem Gericht überprüft werden können, ob die Voraussetzung einer Kirchenmitgliedschaft "wesentlich", "rechtmäßig" und "gerechtfertigt" sei.

Stärkere Begründung

Das könnte die Kirchen und ihre Einrichtungen dazu zwingen, ihre Stellenanforderungen künftig stärker zu begründen. "Der EuGH ermahnt uns in seinem Urteil, die Regelungen klar zu beschreiben, konsequent umzusetzen und den Bezug auf den kirchlichen Auftrag zu benennen", erklärten die leitende Kirchenjuristin der evangelischen Kirchen in Niedersachsen, Stephanie Springer, und Diakonie-Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke in Hannover.

Im konkreten Rechtsstreit ging es um die konfessionslose Berlinerin Vera Egenberger, die sich 2012 erfolglos beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben und daraufhin wegen religiöser Diskriminierung geklagt hatte. Über den Ausgang des Verfahrens, in dem Egenberger eine Entschädigungszahlung durchsetzen will, muss nun das BAG in Erfurt befinden.

Wie die epd-Umfrage ergab, wird in den Landeskirchen von bestimmten Berufsgruppen die Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche erwartet, etwa von Gemeindemitarbeitern in der Verkündigung, Kirchenmusikern und Küstern. Manche Landeskirchen wie etwa die evangelische Kirche im Rheinland, in Bayern oder die Nordkirche haben sich bereits für konfessionslose Mitarbeiter sowie für Mitarbeiter anderer Konfessionen und Religionen geöffnet.

Fachkräftemangel

Dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen viele Menschen betreut werden, die keiner christlichen Kirche angehören. Dazu gehören Pflegeheime, Kitas und die Jugendarbeit. Bei der Diakonie spielt hier auch der Fachkräftemangel in sozialen Berufen eine Rolle. Dabei erwarten Kirche und Diakonie von allen Mitarbeitern - auch jenen ohne Religionszugehörigkeit - die Achtung des christlichen Profils und des diakonischen Auftrags.

Laut der Umfrage des Evangelischen Pressedienstes ist die überwiegende Mehrheit der kirchlich Beschäftigten Mitglied der evangelischen Kirche. Eine Ausnahme bildet Ostdeutschland: So gibt die Diakonie Mitteldeutschland den Anteil der konfessionslosen Beschäftigten in ihrem Gebiet mit 56 Prozent an.



Essener Tafel erhält nach Aufnahmestopp für Ausländer mehr Spenden

Der kurzzeitige Aufnahmestopp für Ausländer an der Essener Tafel hat den Verantwortlichen einen Geldsegen verschafft. Seitdem im Februar die Entscheidung der Tafel bekanntwurde, seien der Einrichtung rund 50.000 Euro mehr an Spenden zugeflossen als im Vergleichszeitraum 2017, sagte der Leiter der Tafel, Jörg Sartor, dem "Zeit-Magazin". Es handle sich dabei vor allem um viele kleine Beträge, mit denen die Spender ihren Zuspruch für das Vorgehen ausdrücken wollten. Auf Banküberweisungen stünden vielfach Solidaritätsbekundungen wie "Durchhaltespende".

Bis Ende April sind beim Chef der Tafel den Angaben zufolge zudem mehr als 4.000 E-Mails von Bürgern aus ganz Deutschland eingetroffen, viele davon positiv. Die Absender äußerten überwiegend Sympathie für den Aufnahmestopp, wie es hieß.

Die Essener Tafel hatte bundesweit für heftige Debatten gesorgt, weil sie im Dezember den vorübergehenden Aufnahmestopp für Ausländer verhängt hatte. Als Grund nannte die Ehrenamtlichen-Organisation einen hohen Ausländer-Anteil unter den Bedürftigen. Alte Leute und Mütter mit Kindern fühlten sich durch junge ausländische Männer verdrängt und kämen seltener. Sartor hatte den Beschluss mehrfach verteidigt, auch gegen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Anfang April wurde der Aufnahmestopp wieder aufgehoben.



WHO: Drecksluft tötet sieben Millionen Menschen pro Jahr

Durch das Einatmen dreckiger Luft sterben laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund sieben Millionen Menschen pro Jahr. Die Regierungen müssten entschlossener gegen die tödliche Verschmutzung ankämpfen, forderte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am 2. Mai in Genf.

Seinen Angaben zufolge atmen neun von zehn Menschen weltweit Luft ein, die eine zu hohe Konzentration an Schadstoffen aufweist. Die verdreckte Luft gefährde alle Menschen, die Ärmsten seien aber besonders bedroht, betonte Tedros. Etwa 90 Prozent aller Todesfälle durch Schmutzluft seien in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verzeichnen. Asien und Afrika seien die Brennpunkte der Krise.

Offenes Feuer

Rund drei Milliarden Menschen hätten keine Möglichkeit, in ihren Unterkünften ohne eine belastende Rauchentwicklung zu kochen, hieß es weiter. Das offene Feuer bei der Essenszubereitung trage wesentlich zu Millionen Todesfällen bei, die auf verschmutzte Luft in Wohnungen und Unterkünften zurückgingen.

Rund 4,2 Millionen Menschen sterben laut WHO hingegen durch verdreckte Luft, die sie im Freien einatmen. Industrieabgase und der Schadstoffausstoß durch Autos und andere Fahrzeuge tragen den Angaben nach erheblich zu den Todesfällen bei. Die Schmutzpartikel dringen laut der WHO tief in Atemwege, Lungen und das Herz-Kreislaufsystem ein.

Den Angaben zufolge verursacht verschmutzte Luft ein Viertel aller tödlich verlaufenden Herzerkrankungen bei Erwachsenen. Ein Viertel aller Schlaganfälle, knapp 30 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs und 43 Prozent aller chronischen Lungenleiden lassen sich laut WHO ebenso auf verschmutzte Luft zurückführen.




Medien & Kultur

Karl Marx gastiert in Trier


Trier zeigt zum Karl-Marx-Jubilaeum vier Ausstellungen ueber Leben und Werk
epd-bild/Oliver Dietze
Drei Ausstellungen, vier Museen, 300 Veranstaltungen: Die Stadt Trier fährt ein großes Programm zum 200. Geburtstag von Karl Marx. Die Museen widmen sich seinem Werk, seinem Leben und seiner Zeit - aber auch der Arbeitswelt von heute.

Ein französischer Salon mit rosafarbenen Wänden, ein dunkler Raum, dann wieder ein heller mit einer Ornamenttapete. Das Stadtmuseum Simeonstift nähert sich so den Lebensstationen von Karl Marx (1818-1883). Jeder Stadt ist ein solcher Raum gewidmet - von Trier über Paris bis nach London. Dazu kommt in der Mitte eine zentrale Medienstation mit Informationen zum Netzwerk des Philosophen vor Ort und Dokumenten sowie Briefwechseln. Seit dem 5. Mai ist die Doppelausstellung unter dem Titel "Karl Marx 1818-1883. Leben. Werk. Zeit" im Stadtmuseum und im Rheinischen Landesmuseum Trier zu sehen.

In fast allen Räumen kommen auch die Themen Armut und Emigration vor. Mal sind es die Straßenkinder in Paris, mal ein Mädchen, das an einem Webstuhl arbeitet, mal eine Gruppe europäischer Emigranten in einem kleinen Ruderboot auf stürmischer See. Im Trierer Raum können die Besucher eine Armutskarte der Stadt entdecken und sehen, wo die Armen lebten, die rund 80 Prozent der Bevölkerung ausmachten.

"Vier Marxe"

Diese Ausstellung zu Marx und seinen Lebensstationen ist nicht die einzige, die am 5. Mai in seiner Geburtsstadt Trier startete. Auch im Karl-Marx-Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung beginnt eine neue Dauerausstellung. Es gehe darum, das Geburtshaus des Philosophen als größtes Exponat wieder sichtbar zu machen, erklärt Kuratorin Ann-Kathrin Thomm. Es solle sich wie ein Wohnhaus anfühlen. Die Informationen sind meist mit einer Handschrift an den Wänden zu entdecken. Es geht um die Herkunft des Philosophen, seine Arbeitsweise und die Wirkung seiner Thesen.

"Wir stellen vier 'Marxe' vor", betont Thomm: den Journalisten, den Philosophen, den Gesellschaftswissenschaftler und den Ökonomen. Marx sei für viele Menschen ein Stichwortgeber gewesen. "Es gab nur einen gewissen Fundus und daraus bauten sich Intellektuelle ihren Marx", erklärt die Kuratorin.

Weiter weg von Marx entfernt sich das Museum am Dom. Unter dem Titel "LebensWert Arbeit" bietet es eine Ausstellung zur Arbeit heute - anhand von zeitgenössischen Werken. Die Schau ist nach Modulen thematisch aufgeteilt, darunter Globalisierung, Soziallehre und Arbeitsplatz. "Viele Menschen fragen sich, wie dieser aussehen wird, ob sie überhaupt noch einen haben oder durch einen Androiden ersetzt werden", erklärt Kuratorin Gabriele Lohberg. So zeigen einige Fotos, wie ein Roboter aussähe, der heute schon die Arbeit eines Menschen erledige.

"An allem ist zu zweifeln"

Textilfabriken in Bangladesch oder rumänische Feldarbeiter in Rheinland-Pfalz sind ebenso präsent wie Videostationen zum Thema kreative Arbeit. In einer ist zu sehen, wie ein Roboter ein Selbstporträt malt. Auch die katholische Soziallehre kommt mit dem Trierer Oswald von Nell-Breuning vor. Sein Arbeitsraum mit Schreibmaschine, Bett und Schreibtisch ist nachgestellt, im Hintergrund läuft klassische Musik, immer wieder sind Videoausschnitte von Maidemonstrationen zu sehen.

Nach den Worten der rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) soll das Marx-Jubiläum einen Perspektivwechsel ermöglichen. Vielen Menschen sei nur eine einzige Facette des Philosophen bekannt, betont sie. "Marx ist streitbar." Die Ausstellungen und das Rahmenprogramm sollten dabei helfen, ein breiteres Verständnis zu ermöglichen. Für den Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung, Kurt Beck (SPD), können die Ausstellungen und das Rahmenprogramm nur "Anstoß, nicht Endpunkt der Auseinandersetzungen" sein.

Dazu passt auch der letzte Raum im Rheinischen Landesmuseum: Vor einer blauen Wand auf einem blauen Podest liegt der Kopf von Marx. Darüber der Satz: "An allem ist zu zweifeln." Die Besucher können sich dann selbst mit Zetteln äußern, wer Karl Marx für sie ist. Auf den Wänden rund um das Podest prangen bereits Antworten wie "ein Trierer" oder "kein Marxist?".

Von Marc Patzwald (epd)


Umstrittene Karl-Marx-Statue in Trier enthüllt


Die umstrittene Bronzeskultpur
epd-bild/Oliver Dietze
SPD-Chefin Andrea Nahles würdigte zu Karl Marx' 200. Geburtstag dessen Bedeutung für die Gegenwart. Die Enthüllung einer Marx-Statue wurde indes von Protesten begleitet. Die umstrittene Skulptur ist ein Geschenk aus China.

Tausende Trierer haben am 5. Mai mit prominenten Gästen den 200. Geburtstag von Karl Marx gefeiert. Begleitet von Protesten, aber ohne größere Zwischenfälle wurde eine umstrittene Bronzeskulptur von Marx (1818-1883) enthüllt. Die Statue des Philosophen und Ökonomen auf dem Simeonstiftplatz nahe der Porta Nigra ist ein Geschenk der Volksrepublik China. Bei der Wiedereröffnung des Museums im Trierer Geburtshaus von Karl Marx betonte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles die Bedeutung seiner Lehren für den Umgang mit der digitalen Revolution.

Nahles sagte, die Gesellschaft stehe durch den heutigen "Digitalkapitalismus" und die Steigerung der Produktivität vor ähnlichen Herausforderungen wie zu Zeiten der Industriellen Revolution vor 200 Jahren. Es bleibe eine "soziale Aufgabe", die Zukunft für die Menschen zu gestalten. Die SPD werde weiter für eine solidarische Marktwirtschaft kämpfen, sagte die Parteichefin.

"Kein Schwarz-Weiß"

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) warnte bei dem Festakt davor, Marx für in seinem Namen errichtete Diktaturen verantwortlich zu machen. Er dürfe aber auch nicht "zum Heiligen hochstilisiert" werden. "Es gibt kein Schwarz-Weiß", betonte Dreyer. Das Geburtshaus von Karl Marx in Trier, das anlässlich des 200. Geburtstags am 5. Mai mit neuer Dauerausstellung wiedereröffnet wurde, wird seit 1968 von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung als Museum betrieben. Bei dem Festakt verlas der Moderator Günther Jauch die Geburtsurkunde des Philosophen, die einer von Jauchs Vorfahren unterzeichnet hatte.

Bei strahlendem Sonnenschein wurde ie mit einem roten Tuch verhüllte Marx-Statue vor rund 3.000 Zuschauern eingeweiht. Die Skulptur ist mit Sockel 5,50 Meter groß und zeigt den Vordenker des Kommunismus erhobenen Hauptes und nach vorne schreitend. Neben Anhängern der in China verfolgten Falun-Gong-Bewegung protestierte auch die AfD mit einem Schweigemarsch, an dem laut Polizei rund 70 Menschen teilnahmen. Der Gegenprotest des Multikulturellen Zentrums Trier gegen den AfD-Marsch startete nach Polizeiangaben mit 150 Teilnehmern und wuchs im Verlauf des Demonstrationszugs auf rund 500 Menschen an.

PEN-Kritik

Die Polizei zeigte sich zufrieden mit dem friedlichen Verlauf der Proteste. Am 6. Mai sagte ein Polizeisprecher: "Die Statue steht und ist unversehrt." Die Polizei war nach eigenen Angaben mit mehreren Hundertschaften aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen präsent und hatte die Innenstadt weiträumig abgesperrt. Für die Annahme des chinesischen Geschenks hatte die Stadt Trier auch Kritik unter anderem von der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und dem Schriftstellerverband PEN-Zentrum geerntet.

Mit einem Bürgerfest feierten die Trierer bis zum frühen Abend den Marx-Geburtstag. Am 6. Mai öffneten auch die Marx-Ausstellungen "Leben, Werk, Zeit" im Rheinischen Landesmuseum Trier, "Stationen eines Lebens" im Stadtmuseum Simeonstift sowie "LebensWert Arbeit" im Museum am Dom ihre Pforten für Besucher. Die drei Ausstellungen laufen bis zum 21. Oktober.



Literaturnobelpreis wird 2018 nicht vergeben

Wegen der Krise in der Schwedischen Akademie wird der Literaturnobelpreis in diesem Jahr nicht vergeben. Die Schwedische Akademie habe entschieden, den Literaturnobelpreis 2018 zu verschieben und ihn im kommenden Jahr zu verleihen, teilte die Stiftung Nobelpreis am 4. Mai in Stockholm mit. Die Entscheidung, den Preis dieses Jahr nicht zu vergeben, gewährleiste die langfristige Reputation des Nobelpreises, hieß es weiter.

In den vergangenen Wochen ist die Schwedische Akademie in eine schwere Krise geraten: Im Zentrum des Skandals steht der Betreiber des "Kulturforums" in Stockholm, Jean-Claude Arnault, Ehemann des inzwischen ebenfalls zurückgetretenen Akademiemitglieds Katarina Frostenson. Ihm wird sexuelle Belästigung in 18 Fällen vorgeworfen. Das "Kulturforum", dass er gemeinsam mit der Lyrikerin Frostenson führte, wurde finanziell von der Akademie unterstützt.

Nicht mehr beschlussfähig

Zuletzt war das Auswahlgremium nicht mehr beschlussfähig, nachdem mehrere der 18 Mitglieder, darunter die ständige Sekretärin Sara Danius, zurückgetreten waren. Hintergrund ist ein Streit über den Umgang mit Korruptionsvorwürfen und sexuellen Übergriffen in den Reihen der Akademie.

Den Preis, der jährlich vergeben wird, zu verschieben, sei gerechtfertigt, wenn die Glaubwürdigkeit des Preises auf dem Spiel stehe. Das sei bereits mehrfach in der Geschichte der Preises geschehen, teilte die Stiftung mit.



Hüttenarbeiter von Ottmar Hörl in der Völklinger Hütte


Hüttenarbeiter
epd-bild / Oliver Dietze

Zum Tag der Arbeit präsentiert die Völklinger Hütte ein Skulpturenprojekt des Konzeptkünstlers Ottmar Hörl. Unter dem Titel "Second Life" sind seit dem 2. Mai 100 von Hörl gestaltete Figuren von Hüttenarbeitern zu sehen. Der Künstler ist unter anderem für seine Skulpturenprojekte zu Martin Luther oder Karl Marx bekannt. Seine Hüttenarbeiter-Figuren und eine begleitende Retrospektive zum Werk des Künstlers sollen in der Völklinger Hütte mindestens bis zum 4. November zu sehen sein.

Die Figuren seien dem Völklinger Hüttenarbeiter mit Helm und Arbeitskleidung nachempfunden, teilten die Veranstalter mit. Die größte Skulptur steht auf dem Völklinger Platz und ist den Angaben nach mit Sockel 6,20 Meter groß. In dem Projekt erhielten die Arbeiter ein "zweites Leben", hieß es. Das Projekt sei eine Einladung, das Thema Arbeit neu zu diskutieren. Betrachter sollten etwa darüber nachdenken, was es bedeute, wenn Generationen von Arbeitern ihre Stellen verlieren und sich gewohnte gesellschaftliche Strukturen auflösen.



Neues Online-Portal zu NS-Raubkunst

Tausende Objekte der Sammlung Rudolf Mosse wurden in der Nazizeit versteigert und verschwanden in Museen und Privatbesitz. Seit 2017 fahndet ein Forschungsprojekt nach den verschwundenen Werken. Ein Online-Portal zeigt erste Ergebnisse.

In Künstlerkreisen hieß Anfang des 20. Jahrhunderts das dreigeschossige Stadtpalais von Rudolf Mosse am Leipziger Platz in Berlin "Mosseum". Der legendäre deutsch-jüdische Verleger (1843-1920), unter anderem Herausgeber des links-liberalen "Berliner Tageblatts", war ein passionierter Kunstsammler. Zu seiner mehrere tausend Objekte umfassenden Sammlung gehörten Namen wie Wilhelm Leibl, Franz Lenbach, Adolph Menzel oder Max Liebermann. Neben Gemälden und Skulpturen sammelte er aber auch Kunsthandwerk, Möbel, Textilien, ägyptische Altertümer, Benin-Bronzen und Ostasiatika sowie wertvolle Handschriften und seltene Bücher.

1933 trieben die Nazis Mosses Tochter Felicia und Schwiegersohn Hans Lachmann-Mosse mit den drei Kindern ins Exil. Der Besitz wurde versteigert, von vielen der Kunstwerke verlor sich die Spur. Seit einem Jahr erforschen die in den USA lebenden Nachfahren der Mosse-Familie gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen in Deutschland den Verbleib der geraubten Kunstwerke. An dem Projekt wirken seit Frühjahr 2017 neben der an der Freien Universität Berlin angesiedelten Mosse Art Research Initiative (Mari) weitere Einrichtungen mit wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Kulturstiftung der Länder, die Stiftung Jüdisches Museum Berlin und das Landesarchiv Berlin. Die ersten Ergebnisse der Nachforschungen sind nun auf einem neuen Online-Portal zu sehen, wie die projektverantwortliche Koordinatorin Meike Hoffmann am 2. Mai sagte.

24 Werke identifiziert

"Wir haben bisher die Forschung zu 115 Werken aufgenommen, zu 68 Werken haben sich belastbare Spuren ergeben", sagte Hoffmann. "Für 30 Werke sind im Mari-Online-Portal alle Informationen hinterlegt, die in unsere Forschung eingegangen sind." 24 Werke konnten die Provenienzforscher bereits eindeutig identifizieren, acht sogar lokalisieren. Die Werke befinden sich unter anderem im Belvedere in Wien, im Tel Aviv Museum in Israel, im Arkell Museum in Canajoharie im US-Bundesstaat New York oder im Privatbesitz.

Mari ist die erste öffentlich-private Partnerschaft in der Provenienzforschung und gilt bislang als einzigartig. Der Sprecher der Mosse-Erbengemeinschaft und Präsident der Mosse Foundation, Roger Strauch, spricht von einer beispiellosen Zusammenarbeit. Sie stehe für die wohlwollende Grundhaltung der deutschen Regierung und der Kultureinrichtungen des Landes, sagte der US-Amerikaner in Berlin. "Danken möchten wir auch den vielen talentierten Provenienzforschern, die mit großer Beharrlichkeit nach den Kunstwerken aus der Sammlung Mosse suchen."

Neun Exponate zurückgegeben

Als eine der ersten deutschen Einrichtungen hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 2015 und 2016 neun Werke aus den eigenen Beständen an die Mosse-Erben in den USA zurückgegeben. Drei davon konnten in den folgenden Jahren für die Sammlungen der Staatlichen Museen erworben werden. Zurückgekauft wurden von den Mosse-Erben ein römischer Kindersarkophag sowie die "Susanna" von Reinhold Begas (1831-1911) und eine Löwenskulptur von August Gaul (1869-1921). Der Kindersarkophag ist im Neuen Museum und die "Susanna" in der Alten Nationalgalerie zu sehen. "Die liegende Löwin" wird künftig in der James-Simon-Galerie zu besichtigen sein. Eine neue Medienstation neben der "Susanna" erinnert zudem an die geglückte Restitution der Objekte.

Von Markus Geiler (epd)


EKD-Datenschutzbeauftragter: Internet kein rechtsfreier Raum


Michael Jacob
epd-bild/Norbert Neetz

Anlässlich der Netzkonferenz re:publica hat der kirchliche Datenschutzbeauftragte Michael Jacob zu mehr Reflexion des eigenen Handelns im Internet aufgefordert. In den vergangenen Jahren habe sich ein Bewusstsein breitgemacht, dass das Netz ein eigener Raum sei, sagte Jacob dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. "Manchmal erscheint es mir, als wenn einige glauben, man stehe im virtuellen Raum jenseits von allem anderen. Aber man ist mittendrin", sagte der Beauftragte für den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die Freiheit im Internet sei ein hohes Gut und Ausdruck von Meinungsfreiheit, sagte Jacob. Man müsse beklagen, dass diese Freiheit in weiten Teilen der Welt, unter anderem in China, eingeschränkt werde. "Auf der anderen Seite steht aber auch ganz klar, dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist", sagte der Jurist und ergänzte: "Es gelten die gleichen Straf- und Zivilgesetze wie sonst im Leben."

"Alle Tabus fallen"

Insbesondere zwei Dinge machten ihm Sorgen, sagte Jacob. Die Kirche habe ein besonderes Augenmerk darauf, "wie wir im Netz in einer vermeintlichen Anonymität miteinander umgehen". "Man hat manchmal den Eindruck, dass bei einigen Menschen alle Tabus fallen", sagte er. Menschen seien bereit, in einer häufig ehrverletzenden Art und Weise andere anzugehen. Auf der anderen Seite seien Menschen bereit, "ihre persönlichsten, privatesten, sogar intimsten Sachen einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen". Als Datenschutzbeauftragter sehe er hier Anlass für eine breite Diskussion und Aufklärung.

epd-Gespräch: Corinna Buschow


Farid Bang und Kollegah besuchen Auschwitz

Nach dem Antisemitismus-Eklat um den Musikpreis Echo haben sich die Rapper Kollegah und Farid Bang zu einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bereiterklärt. "Wir nehmen die Einladung an", sagte Farid Bang der "Bild". Das Internationale Auschwitz-Komitee hatte den beiden Musikern nahe gelegt, die KZ-Gedenkstätte zu besichtigen. Dass die Rapper nun zugesagt hätten, sei "ein Signal an ihre vielen Fans", sagte der Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, der Zeitung. Der Auschwitz-Besuch soll dem Bericht zufolge am 3. Juni stattfinden.

Bei der Echo-Gala Mitte April waren Farid Bang und Kollegah trotz Antisemitismus-Vorwürfen und massiver Kritik im Vorfeld ausgezeichnet worden. Die beiden Rapper erhielten den Preis für ihr Album "Jung, Brutal, Gutaussehend 3" in der Kategorie Hip-Hop/Urban National. Darin finden sich Textzeilen wie "Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow" oder "Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen".

Die Auszeichnung der Rapper hatte bundesweit ein Welle der Empörung ausgelöst. Zahlreiche Preisträger, darunter Stardirigent Daniel Barenboim und Rockmusiker Marius Müller-Westernhagen, hatten daraufhin aus Protest ihre Auszeichnungen zurückgegeben. Unter dem massiven öffentlichen Druck entschied der Bundesverband Musikindustrie in der vergangenen Woche, den Echo in der bisherigen Form abzuschaffen.



Filme der Woche

Isle of Dogs – Ataris Reise

In einem fiktiven Japan der Zukunft sorgt ein hundehassender Präsident dafür, dass per Gesetz alle Vierbeiner, inklusive dem geliebten Haustier seines Neffen Atari, auf eine Müllinsel deportiert werden. Wenige Jahre später fliegt der nun 12-Jährige allein dort hin und schließt sich auf der Suche nach seinem Haustier mit einem Rudel wilder, heruntergekommener Hunde zusammen. Einfallsreich integriert der Regie-Exzentriker Wes Anderson japanische Kultur, sarkastische bis düstere Versatzstücke sowie Unmassen an Popkultur in einen Animationsfilm, der trotz aller Eigentümlichkeit ein starkes allegorisches Potential für so zentrale Themen der gesellschaftlichen Gegenwart wie die aktuelle Flüchtlingskrise aufweist.

Isle of Dogs – Ataris Reise (USA /Deutschland (2018). R u. B: Wes Anderson. Sprecher (OV): Bryan Cranston, Koyu Rakin, Edward Norton, Bob Balaban, Bill Murray, Jeff Goldblum. 101 Min.

Die Augen des Weges

Die indigene Kultur der Quechua in den zentralen Anden Perus wird zunehmend bedroht. Rodrigo Otero Heraud begleitet in seinem Dokumentarfilm den pilgernden Schamanen Hipólito Peralta Ccama, eigentlich Lehrer in einer Kleinstadt auf seiner Reise von den Bergen bis hin zum Meer der andinen Welt. Sein Erkunden des Lebensraums kommt auch einem Vermitteln des indigenen Wertesystems gleich, das neben der Verknappung der Landmasse auch durch eine erneute Missionierungswelle evangelikaler Sekten bedroht ist. Ein direkter Einblick in einen vom Verschwinden bedrohten Kosmos.

Das ist unser Land! (Frankreich/Belgien 2017). R u. B: Rodrigo Otero Heraud. Da: Hipólito Peralta Ccama. 88 Min.

Auf der Jagd – Wem gehört die Natur?

Dem komplexen Politikum des deutschen Waldes nimmt sich Alice Agneskirchner in ihrem Dokumentarfilm an. Ihre Interviewpartner sprechen von Abschussraten, Wirtschaftsfaktoren der Holzindustrie und der Wolfs- und Wildpopulation. Konkurrierende Standpunkte werden gleichberechtigt und ohne zusätzliche Wertung nebeneinander ausgestellt, sodass die Vielseitigkeit entsprechender Problemkomplexe sich in den Kinosessel übersetzt. Zusammen mit fast meditativem Bildmaterial entsteht ein überraschend spannendes Werk über die Politik der Natur.

Auf der Jagd – Wem gehört die Natur? (Deutschland / Kanada 2018). R u. B: Alice Agneskirchner. 97 Min.

Was werden die Leute sagen?

Nisha wächst als Kind pakistanischer Eltern in einer norwegischen Stadt auf und wechselt täglich zwischen den Kulturen: Ihre Familie möchte sie auf dem Weg zu einer traditionsbewussten pakistanischen Frau wissen, sie selbst aber will die persönlichen Freiheiten ihres sozialen Umfelds teilen. Der Konflikt eskaliert schließlich so weit, dass Vater und Bruder das Mädchen gegen ihren Willen nach Pakistan bringen. Regisseurin Iram Haq verfilmt eine stark autobiographisch geprägte Geschichte, denn auch sie wurde als 14-Jährige von den eigenen Eltern nach Pakistan entführt. Und trotzdem wird sie in ihrem Film tatsächlich beiden Seiten gerecht, nicht zuletzt dank ihrer fantastischen Darstellerriege.

Was werden die Leute sagen? (Norwegen/Deutschland/Schweden 2017). R u. B: Iram Haq. Da: Maria Mozdah, Adil Hussain, Rohit Sharaf, Ekavali Khanna. 106 Min.

www.epd-film.de




Entwicklung

Nach dem Sieg der Demokratie wächst in Gambia die Ungeduld


Straßenszene in Gambia
epd-bild/Odile Jolys
Vor einem Jahr herrschte Feierlaune: Die Menschen im westafrikanischen Gambia hatten es geschafft, einen autoritären Machthaber zu vertreiben. Doch nun ist die Aufbruchstimmung verflogen. Putschgerüchte gehen um, ethnische Spannungen brechen auf.

Als der Präsident nach 22 Jahren an der Macht seine Wahlniederlage nicht hinnehmen wollte, ging das Volk im westafrikanischen Gambia auf die Straßen. Nach wochenlangen Demonstrationen und massivem Druck aus Nachbarländern trat Yahya Jammeh schließlich im Januar 2017 ab. Er wurde ins Exil nach Äquatorialguinea geschickt. Politische Gefangene kamen frei. Doch heute, mehr als ein Jahr nach dem Sieg der Demokratie, macht sich Ernüchterung in Gambia breit.

Auf den Straßen der Hauptstadt Banjul haben die früher allgegenwärtigen Plakate des Präsidenten Platz für Werbung gemacht. Auch viele Polizei-Checkpoints sind verschwunden, die Stimmung an den Grenzposten ist spürbar entspannter. Lediglich das Bild Jammehs auf den Banknoten erinnert noch an den einstigen autoritären Herrscher, und die Fähre über den Gambia-Fluss trägt den Namen seines Dorfes, Kanilai. Nicht alles konnte unter seinem Nachfolger Adama Barrow geändert werden.

Aufbruchstimmung vorbei

Während des dramatischen Machtwechsels waren die Kameras der ganzen Welt auf das arme englischsprachige Land mit zwei Millionen Einwohnern gerichtet, das kleiner als Hessen und vom Senegal umgeben ist. Europäische Touristen kennen Gambia für seine schönen Strände und billigen All-inklusive-Hotels. Heute ist die Aufbruchstimmung weg. Das Land zählt zu den ärmsten der Welt und ist verschuldet.

Baustellen als Zeichen wirtschaftlichen Aufschwungs sucht man vergebens. Stattdessen lähmen Streiks im öffentlichen Dienst das Land. Die versprochene internationale Hilfe braucht Zeit. Wesentlich schneller reagierten die Asylbehörden in Europa und den USA: Allein im März wurden 36 Gambier aus den Vereinigten Staaten nach Hause geschickt. Dabei machen die Überweisungen der Migranten aus dem Ausland 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Ungeduld macht sich breit. "Der Wandel ist zu langsam", schimpft ein Bankangestellter. "Unsere Politiker an der Macht sind unfähig. Wieso sind die Preise für Reis, Speiseöl oder Zement so hoch?" Hilfswerke warnen indes vor übereilten Erwartungen. "Es wird Zeit brauchen", sagt Francis Mendy, Leiter der Caritas in Gambia. "Die Leute im Amt sind neu und unerfahren. Und in den Medien ist von Millionen für Hilfen und Investitionen die Rede. Davon spüren die Leute noch nichts."

Mendy ist besorgt, weil manche Gambier sich das diktatorische Regime zurückwünschen. "Wir brauchen Jammeh, nicht Barrow", hätten junge Demonstranten geschrien, sagt er kopfschüttelnd und fügt hinzu: "Barrow kommuniziert nicht genug. Die Regierung schafft somit ein Vakuum, das gefährlich sein könnte."

Ethnische Spannungen

Derweil erholt sich die Partei des geschassten Machthabers wieder. Sie setzt auf die Gefühle der Volksgruppe der Diolas, die unter Jammeh stark in der Leibgarde des Präsidenten und in der Armee vertreten war. "Es gibt viel Paranoia und Angst aufseiten der Diolas, die Verlierer zu sein," warnt Mendy. Der neue Präsident Barrow hat viele Diolas aus der Armee entlassen. Angst vor einem Putsch geht um. Barrow selbst wird immer noch von Truppen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) geschützt. Sie kamen während des Machtwechsels ins Land - und blieben, auf seinen Wunsch, heißt es.

Die ethnischen Spannungen sind auch ein Erbe des alten Regimes, denn Jammeh hetzte gegen die Mandinka, ging aber auch hart gegen unliebsame Diolas vor. "Die Leute müssen auch daran erinnert werden, dass es Opfer von Jammeh in allen Volksgruppen gibt, auch unter den Diolas," erklärt die 28-jährige Ayeshah Jammeh, die selbst Diola ist und im Zentrum für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen arbeitet. Sie weiß, wovon sie spricht: Ihr Vater Haruna Jammeh war der Bruder des ehemaligen Machthabers, er wurde 2005 ermordet.

Die Tochter will jetzt Klarheit darüber, was mit ihrem Vater geschah. Dabei hofft sie auf die von der Regierung eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission. In sozialen Netzwerken wird die junge Frau, weil sie sich für Diolas einsetzt, als Verräterin beschimpft und bedroht. "Wir haben heute eine Demokratie und Redefreiheit", sagt sie. "Aber alles geht nur langsam voran."

Von Odile Jolys (epd)


Jüdischer Kandidat auf islamischer Liste


Simon Slama
epd-bild/Sarah Mersch
In Tunesien sorgt die Kandidatur eines Juden für die Ennahdha-Partei bei den Kommunalwahlen für Gesprächsstoff. Doch Simon Slama will nicht als Marionette der Islamisten gesehen werden.

Nach einer Fahrradtour durch Monastir heißt es, Wahlkampfbroschüren zu verteilen. Dabei muss Simon Slama sich immer wieder mit Parteianhängern fotografieren lassen und Journalisten Interviews geben: Der Wahlkampf dominiert derzeit das Leben des 54-jährigen Tunesiers. Normalerweise repariert er in der Altstadt von Monastir Nähmaschinen, doch seine Kandidatur bei den Kommunalwahlen am 6. Mai hat weit über seine Heimatstadt hinaus für Aufsehen gesorgt. Slama ist landesweit der einzige jüdische Kandidat - und obwohl selbst parteilos, trat er ausgerechnet auf der Liste der muslimisch-konservativen Ennahdha-Partei an.

Kritiker bezeichnen seine Kandidatur als geschickte Werbetaktik. Doch Slama wehrt sich, als Marionette der Islamisten betrachtet zu werden. Ennahdha sei längst keine religiöse Partei mehr. "Außerdem sind sie am besten organisiert und machen ernstzunehmende Arbeit", verteidigt er seine Entscheidung, die auch in seiner Familie und seinem Umfeld zunächst auf Unverständnis stieß. "Was soll das, warum machst du das?, haben mich die Leute gefragt." Seine Frau habe ein paar Tage nicht mehr mit ihm sprechen wollen.

Schnell entschieden

Bei Ennahdha hat man nicht lange gezögert, als Slama fragte, ob er als Parteiloser bei ihnen kandidieren dürfe. "In fünf Minuten war die Entscheidung gefallen, und zwar einstimmig", sagt Ennahdha-Bezirksvorsitzender Habib Azzem, dem Slamas Kandidatur gelegen kam. "Man will uns immer in die islamistische Ecke drängen. Mit Simons Kandidatur hatten wir die Chance, uns dagegen zu verteidigen." Diese Chance lasse sich die Partei nicht entgehen, aber bewusst eingefädelt habe man das nicht. Weltanschauliche Unterschiede spielten in Monastir keine Rolle. "Gemeinsam können wir das Tunesien der Zukunft erschaffen", sagt Slama.

Die Küstenstadt Monastir mit mehr als 70.000 Einwohnern ist der Geburtsort von Staatsgründer Habib Bourguiba (1903-2000) und anderer wichtiger Politiker. Nidaa Tounes, die säkular-konservative Volkspartei, die 2012 als Gegengewicht zu Ennahdha gegründet wurde und sich als Erbe von Bourguibas Ideen sieht, ist hier traditionell stark. Slama rechnet sich dennoch gute Chancen auf einen Sitz im Gemeinderat aus. Er steht auf Platz 7 von 30 Listenplätzen.

Slama sagt, es sei dringend, dass sich in Tunesien endlich etwas zum Positiven entwickelt. Er habe den Eindruck, dass sich in den sieben Jahren seit dem Sturz der Ben-Ali-Diktatur im Zuge des "Arabischen Frühlings" kaum etwas getan habe. Genau deshalb wolle er sich jetzt für das Wohl seiner Stadt engagieren. "Ich möchte hier eines Tages etwas hinterlassen."

Nur noch eine jüdische Familie

Slamas Familie ist die einzige jüdische Familie, die heute noch in Monastir lebt, es gibt keine Synagoge mehr. "Vor der Unabhängigkeit waren es noch 520 Familien. Damals lebten Juden, Christen und Muslime in der Altstadt Tür an Tür", sagt er. Auch wenn er als Jude heute in der Minderheit ist: Anfeindungen erlebe er keine, er sei in der Stadt akzeptiert, sagt er.

Die meisten tunesischen Juden wanderten nach der Unabhängigkeit 1956 und nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 im Nahen Osten aus. Heute leben unter den 11,5 Millionen Tunesiern noch rund 1.500 Juden, die sich aus dem politischen Leben weitgehend heraushalten. Unter starkem Polizeischutz findet jährlich die Pilgerfahrt zur La-Ghriba-Synagoge auf der südtunesischen Insel Djerba statt, der ältesten erhaltenen Synagoge auf dem afrikanischen Kontinent, in diesem Jahr am 2./3. Mai. Auch Slama reiste mit, um vor der Wahl noch einmal Kraft zu tanken.

Bei den Kommunalwahlen konnten die Tunesier zum ersten Mal seit dem politischen Umbruch 2011 ihre Gemeindevertreter wählen. Die Wahlen stellen einen ersten Schritt der Dezentralisierung dar, die in der Verfassung von 2014 verankert wurde. Erst Ende April wurde ein umfassendes Gesetz verabschiedet, das den Kommunen mehr Unabhängigkeit von der Zentralregierung zugesteht.

Diese Chance will Slama nutzen, um seine Stadt mitzugestalten. Dafür bringt er sogar sportlichen Einsatz. Am Abend eines Wahlkampftags tauscht er seinen grauen Anzug gegen Ennahdha-Leibchen und Sportschuhe, um mit anderen Kandidaten und Jugendlichen werbewirksam Fußball zu spielen.

Von Sarah Mersch (epd)


Tansania: Gericht setzt Zwang zu Registrierung für Blogger aus

Ein Gericht in Tansania hat die von den Behörden verfügte Registrierung von Bloggern gestoppt. Das neue Gesetz, wonach alle Blogger für ihre Zulassung umgerechnet über 750 Euro zahlen sollten, wäre in diesen Tagen in Kraft getreten. Am 10. Mai werde das Gericht begründen, wieso es die Regelung ausgesetzt hat, berichtete der britische Sender BBC am 4. Mai. Demnach hatten Menschenrechtsorganisationen, Medien und die Autoren eines prominenten Blogs gegen das Gesetz geklagt. Laut der Regierung sollen die neuen Bestimmungen das ostafrikanische Land davor schützen, dass sich Lügen verbreiten. Kritiker sehen darin eine Maßnahme, um die Meinungsfreiheit einzuschränken.

Kritik an Regierung

Das Gesetz sieht vor, dass Blogger für die Registrierung umfangreiche Unterlagen über Investoren, Angestellte und Kapitalverhältnisse vorlegen müssen. Unabhängig davon behält die Regierung sich den Entzug einer Lizenz vor, etwa wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses oder Bedrohung der nationalen Sicherheit. Aus gleichem Grund darf die Behörde Posts löschen lassen. Wer die neuen Bestimmungen nicht erfüllt, riskiert hohe Geld- oder Haftstrafen.

Das Gesetz wendet sich vor allem gegen erfolgreiche Blogger, die die autoritäre Politik der Regierung unter Präsident John Magufuli kritisieren. Laut dem tansanischen Blogger Krant Mwantepele betrifft die neue Regelung in ihrer vorgesehenen Form auch gewöhnliche Nutzer, die in sozialen Medien aktiv sind. In Afrika, wo die Bevölkerung selbst in entlegenen Gebieten Zugang zu Smartphones hat, haben sich soziale Medien in den vergangenen Jahren als Kanäle für kritische Stimmen etabliert.



Entwicklungshaushalt steigt auf 9,4 Milliarden Euro

Der Haushalt des Bundesentwicklungsministeriums soll in diesem Jahr auf 9,4 Milliarden Euro steigen. Das sind 978 Millionen Euro mehr als im Jahr 2017, wie Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am 2. Mai in Berlin mitteilte. Das Bundeskabinett hatte zuvor den Haushaltsentwurf für das aktuelle Jahr und die Eckwerte bis 2022 beschlossen. Demnach sollen auch die Ausgaben für die humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt um rund 300 Millionen Euro auf 1,5 Milliarden Euro steigen.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) äußerte sich "sehr zufrieden" mit dem Haushalt 2018, kritisierte jedoch die Pläne für die folgenden Jahre. Er verwies auf deutsche Aufgaben und Zusagen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Fluchtursachen in Afrika oder auch beim Wiederaufbau im Irak. Mit den Haushaltsplänen für 2019 und den Folgejahren "sind die Bedarfe nicht abzudecken", warnte er. Bleibe es dabei, werde die ODA-Quote ohne Einrechnung der Flüchtlingskosten im Inland von derzeit 0,5 Prozent auf 0,47 weiter sinken.

Schriftlicher Einwand

Die sogenannte ODA-Quote bezeichnet, wie hoch der Anteil der Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonationaleinkommen ist. Die EU-Staaten haben sich auf 0,7 Prozent verpflichtet. Deutschland hat das Ziel 2016 erstmals knapp erfüllt, wobei die Flüchtlingshilfe im Inland mitgerechnet wurde. 2017 lag die Quote bei 0,66 Prozent.

Scholz bestätigte, dass Müller und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) schriftlich Einwände gegen die Haushaltspläne erhoben haben. Aus dem Entwicklungsministerium hieß es, dass der Minister eine Protokollerklärung zum Kabinettsbeschluss abgegeben habe, wonach er dem Haushaltsentwurf 2019, der in den kommenden Wochen erarbeitet wird, nur dann zustimmen könne, wenn er nachgebessert werde. Das Haushaltsaufstellungsverfahren soll bis Anfang Juli laufen. Dann wird darüber im Kabinett beraten. Über den endgültigen Haushalt entscheidet der Bundestag.

Auch "Brot für die Welt" warnte davor, nach dem Anstieg in diesem Jahr bei den Ausgaben für Entwicklungshilfe nachzulassen. "Strohfeuer helfen den Ärmsten der Armen nicht", sagte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Notwendige Initiativen zur Bekämpfung von Hunger und extremer Armut könnten nicht gestartet werden, wenn ihre Finanzierung in den Folgejahren nicht gesichert sei.




Termine

25.-26.5. Wittenberg

Landwirtschaft für die biologische Vielfalt

Ökolandbau fördert nicht automatisch den Artenreichtum. Das gelingt nur, wenn die ökologische Bewirtschaftung auf eine bestimmte Art und Weise erfolgt. Dazu fehlen aber oft die Voraussetzungen, etwa gezielte Kooperationen mit Naturschutzbehörden und -verbänden sowie erweiterte, praktikable Honorierungssysteme. Wie die Artenvielfalt von geeigneten Konzepten ökologischen Landbaus profitieren kann, wird anhand gelungener Beispiele aus der Schweiz und Deutschland diskutiert.

https://ev-akademie-wittenberg.de

1.-3.6. Loccum

Atommüll-Lager: Die große Suche... Endlager, Zwischenlager und Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Suche nach einem deutschen Atommüll-Lager hat begonnen: Geologische Daten aus dem ganzen Land werden zusammengetragen und infrage kommende Standorte vor Eingriffen geschützt. Welche Ergebnisse liegen vor und welche Schlüsse werden daraus gezogen? Die Herausforderung einer längerfristigen Zwischenlagerung wird bewusster. Wie steht es um die Entwicklung eines Konzeptes? Was ist aus gelungenen und gescheiterten Partizipationsprojekten für das aktuelle Verfahren zu lernen?

http://www.loccum.de

1.-3.6. Bad Boll



Konfuzius in Vergangenheit und Gegenwart. Menschenrechte im Konfuzianismus?

Konfuzius hat die ostasiatischen Kulturen (China, Japan, Korea, Vietnam) wie kein anderer über 2500 Jahre geprägt. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten hat er in China ein Comeback erfahren, aber auch in den USA findet seine Lehre immer mehr Anhänger (Boston Confucianism). Doch wie erklärt sich diese zeit- und kulturübergreifende Wirkung? Was hat Konfuzius tatsächlich gelehrt? Wie wird er von der kommunistischen Partei ausgelegt? Wie verhält es sich mit dem Thema „Menschenrechte“ im Konfuzianismus? Welche Relevanz hatte und hat er für Europa?

www.ev-akademie-boll.de