Drei chilenische Missbrauchsopfer haben nach mehrtägigen Gesprächen mit Papst Franziskus konkrete Maßnahmen gegen sexuelle Übergriffe durch Geistliche eingefordert. Missbrauch stelle nicht nur in Chile eine "Epidemie" dar, die Tausende Menschenleben zerstört habe, betonten sie am 2. Mai in Rom. Die Kirche habe die Pflicht, ein Verbündeter im globalen Kampf gegen Missbrauch zu werden. Dies sei derzeit nicht der Fall. Juan Carlos Cruz, James Hamilton und Jose Andrés Murillo hatten dem Papst ausführlich über ihre Erfahrungen als Opfer berichtet.

Im Rahmen der Begegnungen habe Franziskus sie in seinem eigenen Namen und im Namen der Kirche um Vergebung gebeten, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Dabei habe Franziskus eingestanden, dass er selbst Teil des Problems gewesen sei, sagte Cruz unter Anspielung auf den Fall von Juan Barros. Franziskus hatte diesen zum Bischof von Osorno ernannt, obwohl er sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch seinen Mentor, den Priester Fernando Karadima, gedeckt haben soll.

Vorwürfe gegen Kardinal

Die drei Missbrauchsopfer wollten dem Papst Vorschläge für eine effektivere Bekämpfung von Missbrauch in der Kirche zukommen lassen. Doch es sei nicht ihre Aufgabe, die nötigen Veränderungen herbeizuführen, "um die Epidemie sexuellen Missbrauchs und dessen Verschleierung zu beenden". Sie äußerten die Hoffnung, dass der Papst seine Worte in "mustergültige Taten" umsetzen werde.

Die drei Missbrauchsopfer erhoben zugleich schwere Vorwürfe gegen den chilenischen Kardinal Francisco Javier Errázuriz Ossa, der als Mitglied des neunköpfigen Kardinalsrats (K9) zur Ausarbeitung einer Kurienreform einer der engsten Mitarbeiter des Papstes ist. Dieser habe Barros mindestens fünf Jahre lang gedeckt, betonte Cruz. Er äußerte die Erwartung, dass Franziskus dessen Mitgliedschaft im K9-Rat aufhebt und dass dieser von der zivilen Justiz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. Karadima sei bereits verurteilt, habe die Strafe aber nicht angetreten, da die ihm zur Last gelegten Vergehen bereits verjährt seien.

Proteste in Chile

In einem Brief an die chilenischen Bischöfe hatte Franziskus vor wenigen Wochen "schwerwiegende Fehler" bei der Beurteilung von Missbrauchsfällen durch einen Priester in ihrem Land eingestanden. Aufgrund eines Mangels an "ausgewogenen Informationen" habe er sich ein falsches Bild von der Situation gemacht.

Die jüngste Chile-Reise des Papstes wurde durch Proteste gegen seinen Umgang mit Missbrauchsfällen in dem Land überschattet. Franziskus hatte die Vorwürfe in Chile zunächst als "Verleumdung" zurückgewiesen, wenig später aber bedauert, dadurch mögliche Opfer verletzt zu haben.

Nachdem die Vorwürfe und seine Reaktion starke Aufmerksamkeit erregt hatten, beauftragte der Papst den ehemaligen Chefermittler des Vatikans bei Missbrauchsfällen, den maltesischen Erzbischof Charles Scicluna, Opfer und Zeugen in Chile anzuhören. Scicluna erstattete Franziskus nach seiner Chile-Reise aufgrund von 64 schriftlichen und mündlichen Aussagen einen Bericht, auf dessen Grundlage der Papst nun seine Vergebungsbitte formulierte.