München (epd). In der aktuellen Debatte um assistierten Suizid in diakonischen Einrichtungen hat die Ethikexpertin der Diakonie München und Oberbayern, Dorothea Bergmann, für eine Diskussion auf breiter Basis geworben. Die in der Diakonie Beschäftigten müssten sich damit auseinandersetzen, wie sie mit Menschen umgehen, die von ihrem Recht auf Selbstbestimmung Gebrauch machen wollten.
Der Wunsch zu sterben entstehe immer aus Notsituationen. "Sollen wir sie vor die Tür setzen oder ihre Entscheidung ignorieren?", fragte die Theologin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bergmann sagte, sie halte es "für unchristlich und nicht seelsorgerlich, die Menschen damit allein zu lassen und ihnen einen Segen zu verwehren".
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das in Paragraf 217 Strafgesetzbuch geregelte Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe gekippt. Im Januar 2021 hatten drei Theologen, darunter Diakoniepräsident Ulrich Lilie, in einem Zeitungsbeitrag für eine "ergebnisoffene, aber wertgebundene" Beratung, Unterstützung und Begleitung für Menschen plädiert, die in einer diakonischen Einrichtung um Beihilfe zur Selbsttötung bitten. Namhafte Theologen sprechen sich gegen assistierten Suizid in Heimen und Krankenhäusern der Diakonie aus.
Dorothea Bergmann leitet seit über 15 Jahren die Fachstelle "Spiritualität - Palliative Care - Ethik - Seelsorge" bei der Diakonie-Tochter "Hilfe im Alter", die Trägerin von zehn Alten- und Pflegeheimen in und um München ist. Die Fachstelle berät die Pflegeteams in palliativen und ethisch schwierigen Situationen. Der Sterbewunsch am Lebensende sei im Pflegealltag nicht unbekannt, sagt die Pfarrerin: "Es gibt Senioren, die sich die Treppe runterstürzen oder Tabletten sammeln und schlucken." Missglücke ein solcher Selbstmordversuch, seien die Folgen häufig tragisch. "Kirche redet sich leicht, wenn sie sagt: Suizid darf nicht sein!", kritisierte Bergmann. Denn andererseits sei das Feld der Altenheimseelsorge "komplett unterbesetzt".
Wenn Kirche sich einer offenen Diskussion um den Umgang mit assistiertem Suizid in ihren Einrichtungen verschließe, würde das Thema indirekt tabuisiert. "Wer diese Option nicht grundsätzlich für sich ausschließt, geht dann nicht mehr in ein diakonisches Heim", befürchtet die Seelsorgerin. In der Folge erfahre man nicht mehr von Suizidplänen und könne die Menschen weder beraten noch begleiten.
Die Theologin stellt klar, dass eine Beratung zwar ergebnisoffen, aber nie neutral sein könne: "Sie müsste den Menschen bei aller Offenheit immer auch vermitteln: Lieber wäre mir, du bliebest am Leben." Die klare christliche Haltung laute: "Das Leben ist wertvoll, auch wenn jemand alt, siech und leidend ist." Eine Beratung mit hoher seelsorgerlicher Qualität könne diesen Wert des Lebens manchen Menschen deutlich machen und andere Optionen als den Suizid aufzeigen. "Gerade deshalb", findet Bergmann, "kann sich Kirche da nicht wegducken."