Bochum (epd). Der am 11. Januar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" veröffentlichte Diskursbeitrag zur Suizidassistenz hat vielfältige Reaktionen ausgelöst. Der "Sitz im Leben" unserer Überlegungen ist die Tatsache, dass es nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil von Februar 2020 notwendig ist, ein Schutzkonzept zu entwickeln. Damit soll der Missbrauch einer Suizidassistenz im Sinne eines "anything goes" verhindert und die unsichere Lage, die derzeit vorherrscht, beendet werden.
Es geht uns nicht darum, dass die Kirche zum Akteur der Suizidhilfe wird, sondern darum, dass diakonische Einrichtungen nicht darum herumkommen werden, sich zu überlegen, wie sie damit umgehen, dass auch von ihnen betreute Menschen eine Suizidassistenz in Anspruch nehmen wollen und werden. Denkt man darüber nicht nach, bedeutet das erstens, die neue Rechtsentwicklung außer acht zu lassen und zweitens Sterbewillige, die sich einen Suizid wünschen, aus einer diakonischen Einrichtung zu entlassen und damit in einer für sie äußerst schwierigen Lage alleine zu lassen. Beides scheint uns nicht angemessen zu sein.
Wir haben deshalb einen Vorschlag gemacht, der helfen soll, die Voraussetzungen zu klären, unter denen eine Suizidassistenz in diakonischen Einrichtungen denkbar sein könnte. Sie sollen sicherstellen, dass kein Druck auf Sterbende ausgeübt wird und Nützlichkeitserwägungen keine Rolle spielen. Zu dem Schutzkonzept gehört eine intensive medizinische Beratung über Alternativen und damit über eine bestmögliche palliative Versorgung.
Darüber hinaus denken wir an eine seelsorgliche Begleitung, die Sterbewilligen mit einer empathisch-akzeptierenden Grundhaltung begegnet, die ein offenes Ohr für ihre Ängste hat und nach Möglichkeit auch Kontakt zu den engsten Angehörigen herstellt und versucht, das familiäre Gespräch wieder in Gang zu bringen, wo es unter der Belastung einer solchen Entscheidung mühsam geworden ist. Eine ethisch sensible Seelsorge, die die Nöte des Sterbewilligen ernst nimmt und sich nicht besserwisserisch über sie stellt, setzt dabei auch Impulse, die zu einem Überdenken der Entscheidung führen können – aber nicht müssen.
Theologisch ist für uns elementar, dass ein Suizid nicht als Sünde verurteilt werden kann und darf – wie dies in der Tradition mit vielen verheerenden Folgewirkungen der Fall war und wie dies in der katholischen Kirche bis heute der Fall ist. Menschen mit Sterbewunsch dürfen nicht stigmatisiert werden. Sie sind in der Regel vom Leiden extrem erschöpft – ihnen gilt unser Respekt, unsere Empathie und unsere solidarische Begleitung.
Die Krankenhausseelsorge in der EKD hat deshalb auch unseren Vorstoß begrüßt und betont, dass Seelsorgende in der Sterbebegleitung trotz aller Bemühungen immer wieder auf Menschen treffen, die den letzten Weg nicht mehr gehen wollen oder können und aufgrund eines für sie nicht mehr erträglichen Leiden zu sterben wünschen. Es gibt Grenzfälle, in denen im Bewusstsein um den Vorrang des Lebens ein Ja zu einer willentlichen Beendigung des Lebens gesprochen werden kann. Selbstbestimmung ist Ausdruck der Menschenwürde, die in der Gottebenbildlichkeit des Menschen wurzelt. Diese Würde verbietet es, dass über einen Menschen gegen dessen Willen in schwerwiegender Weise verfügt wird.
Wir begrüßen deshalb das Ende der innerkirchlichen Denk- und Diskussionsblockade im Hinblick auf die Frage einer Suizidassistenz. Dass die Möglichkeit einer Suizidhilfe innerhalb von diakonischen Einrichtungen zu neuen Problemen und Dilemmata führt, ist uns bewusst. Gerade deshalb hoffen wir auf eine sachlich-weiterführende Diskussion – in der Bundesärztekammer, im Rat der EKD, in den diakonischen Einrichtungen. Wir brauchen eine Diskussion, die sich nicht in Polemik erschöpft, sondern die gestellten Herausforderungen wahr- und ernst nimmt.