Göttingen (epd). Arbeitsstellen mit Aufgaben in der Verkündigung und Glaubensvermittlung könnten nach der Rechtsprechung des EuGH weiter mit einem Konfessionserfordernis versehen werden, sagte der Göttinger Jurist dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Auch für Leitungsfunktionen werden besondere Loyalitätsobliegenheiten einer gerichtlichen Prüfung standhalten." In vielen sonstigen Bereichen arbeiten in der evangelischen Kirche bereits bislang Menschen mit, die nicht Mitglied der evangelischen Kirche sind.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt verurteilte am 25. Oktober das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin, einer abgelehnten Stellenbewerberin ohne Kirchenzugehörigkeit eine Entschädigung in Höhe von rund 3.915 Euro zu zahlen. Die Klägerin Vera Egenberger klagte damit erfolgreich wegen Diskriminierung aufgrund von Religion.
Zuletzt hatte der den Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg im April dieses Jahres entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal und unbegründet die Zugehörigkeit zu einer Kirche verlangen dürfen. Die Anforderung müsse "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" sowie gerichtlich überprüfbar sein.
Die Vorgaben aus Luxemburg, denen das BAG folgte, werfen nach Ansicht des Kirchenrechtlers Heinig grundsätzliche Probleme auf. Unklar sei etwa, wie ein säkulares Gericht entscheiden solle, wann eine religiös begründete Anforderung bei der Stellenbesetzung angesichts des religiösen Ethos einer Organisation "objektiv erforderlich" ist? "Hier droht Richtertheologie durch die Hintertür", mahnte der Rechtswissenschaftler.
Das BAG versuche zwar das Problem zu umschiffen, indem es auf eine objektive Gefährdung des Ethos und damit letztlich auf die Einbindung in eine Hierarchie abstellt. Das werde aber dem bisher gerichtlich akzeptierten Leitbild einer kirchlichen Dienstgemeinschaft in keiner Weise mehr gerecht, sagte Heinig.
Dieses Problem habe der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts bewusst vermieden, als es dem religiösen Selbstverständnis Raum gelassen habe. "Man hätte nun in der Rechtsprechung im Sinne des Antidiskriminierungsrechts die Arbeitnehmerinteressen höher als bislang gewichten können." Stattdessen habe der Europäische Gerichtshof jedoch die maximale Konfrontation mit dem Bundesverfassungsgericht gesucht. "Es hat entgegen europavertraglicher Verpflichtungen und entgegen dem Willen des europäischen Gesetzgebers keinerlei Rücksicht auf die Verfassungstradition in Deutschland genommen", kritisierte Heinig.
"Das Bundesarbeitsgericht war nicht zu beneiden, als es sich nun mit den unterschiedlichen Vorgaben aus Karlsruhe und Luxemburg konfrontiert sah. Es hat sich am Vorrang des Europarechts orientiert."
Die Kirche werde nun die Urteilsgründe genau analysieren müssen, um eventuell das Bundesverfassungsgericht um ein letztes Wort zu bitten, sagte Heinig. Die Hürden dafür lägen aber hoch, denn der Vorrang des Europarechts gelte nur dann nicht, wenn andernfalls der Identitätskern des Grundgesetzes ausgehöhlt würde.