Tübingen (epd). Das Bundesarbeitsgericht hat sich damit nicht leicht getan. Nachdem der Europäische Gerichtshof im "Fall Egenberger" die Einstellungspolitik der Diakonie Deutschland bereits kritisiert hatte, konnte der 8. Senat des BAG in Erfurt nicht anders, als der konfessionslosen Klägerin zwei Monatsgehälter als Entschädigung für die - angebliche - Benachteiligung aus Gründen der Religion zuzusprechen. Doch merkt man den Begründungsversuchen der Erfurter Richter/innen an, auf welch "schiefe Ebene" der EuGH die deutschen Kolleginnen und Kollegen geführt hat. Man kommt leicht ins Rutschen, wenn man meint, das Geschäft der Kirche und ihrer Diakonie von außen auf das für richtig gehaltene "Ethos" kontrollieren zu müssen.
Die Erfurter Richterinnen und Richter äußerten erhebliche Zweifel an der Wesentlichkeit der beruflichen Anforderung, die von der Diakonie Deutschland für einen Teilzeitjob zur Begleitung und Berichterstattung über die UN-Antirassismus-Konvention für nötig befunden wurde: Die evangelische Konfession sei hierfür nicht erforderlich, weil im konkreten Fall keine "wahrscheinliche und erhebliche Gefahr bestand, dass das Ethos des Beklagten beeinträchtigt würde". Der 8. Senat meinte, dass die Stelleninhaberin lediglich in einen internen Meinungsbildungsprozess in der Diakonie Deutschland eingebunden war und deshalb in ethos-bezogenen Fragen gar nicht unabhängig handeln konnte.
Jetzt wissen wir also, wie das BAG die vom EuGH geforderte "wirksame gerichtliche Kontrolle" zu handhaben versucht: Staatliche Richter/innen bemühen sich nach Kräften, die Selbsteinschätzung kirchlicher Einrichtungen zu überprüfen, ob und inwieweit ein – hier intellektuell durchaus anspruchsvoller – Referenten-Job das Etikett "religionsnah" verdient oder nicht. Eine solche Fremdeinschätzung hat das Zeug zur Bevormundung. Warum soll die Diakonie nicht eine Aufgabe mit – zumindest christlich sozialisierten – Bewerberinnen und Bewerbern besetzen wollen, wenn es gerade um eine "politische" Funktion der Kirche mit Außenwirkung geht?
Besser wäre es gewesen, wenn die in der Verhandlung in Erfurt geäußerten Bedenken der Vorsitzenden Richterin des 8. Senats ernster genommen worden wären und der Weg dieses schiefen Verfahrens weiter nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht umgeleitet worden wäre. Der Schutz, den die Kirchen aufgrund Art. 17 AEUV und damit auch aufgrund Art. 4 Abs. 2, 140 GG genießen, kann nicht mit einer "wirksamen gerichtlichen Kontrolle" ohne jede Beachtung der eigenen Einschätzung der Kirchen angemessen gewährleistet werden. Verfassungsrechtlich alleine vertretbar erscheint hingegen eine "Missbrauchskontrolle", so wie dies in der 2. Instanz vom LAG Berlin-Brandenburg durchexerziert wurde.
Eine besonders pikante Note erhält dieses Verfahren dadurch, dass die Klägerin gar nicht qualifiziert war für diesen Job. Ein abgeschlossenes Jura- oder Politikstudium hatte sie nicht vorzuweisen, sondern lediglich eine Ausbildung als Sozialpädagogin. Eine nicht qualifizierte Bewerberin erhält also eine Entschädigung für eine Stelle, die sie nicht hätte antreten können. Wie kann das sein? Den Richterinnen und Richtern hätte sich eine Überprüfung dieses Sachverhalts aufdrängen müssen mit der Folge, dass "in Wirklichkeit" mangels fachlicher Eignung eine Diskriminierung gar nicht in Betracht kommen konnte. Eine doppelt "schiefe Ebene" also, auf der die Bundesrichter/innen ins Rutschen gekommen sind.