Ausgabe 11/2016 - 18.03.2016
Erfurt (epd). Schwerbehinderten Arbeitnehmern, die wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern mehrere Jahre ins Gefängnis, darf wegen der langen Abwesenheit der Job fristlos gekündigt werden. Das gilt selbst dann, wenn der Beschäftigte nach den tariflichen Bestimmungen eigentlich unkündbar ist, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 9. März veröffentlichten Urteil. Dem Arbeitgeber sei es nicht zuzumuten, mehr als zwei Jahre den Arbeitsplatz freizuhalten.
Damit ist ein in Nordrhein-Westfalen im Landesbetrieb Straßenbau angestellter Verwaltungsfachwirt seinen Job los. Der Mann arbeitete seit 24 Jahren in dem Beruf und ist mit einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
Das Landgericht Aachen hatte ihn im Juli 2011 wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung in mehreren Fällen rechtskräftig zu einer siebeneinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Eine Woche nach Haftantritt kündigte das Land dem eigentlich nach den tariflichen Bestimmungen unkündbaren Mann fristlos "mit Auslauffrist" zum 30. September 2013. Das entsprach den Fristen bei einer ordentlichen Kündigung. Das Integrationsamt "bestätigte" dem Land, dass es die Zustimmung zur Kündigung erteile.
Der Verwaltungsfachwirt hielt die Kündigung für unwirksam. Es liege kein wichtiger Grund vor, der diese rechtfertige. Er sei zu Unrecht verurteilt worden und rechne mit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens.
Bei ordentlichen Kündigungen liege ein personenbedingter Kündigungsgrund vor, "wenn der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt noch eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen hat und eine vorherige Entlassung nicht sicher zu erwarten steht", urteilte jedoch das BAG. Dem Arbeitgeber könne dann regelmäßig nicht zugemutet werden, den Arbeitsplatz zu reservieren und Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen.
Könne ein tariflich unkündbarer Arbeitnehmer haftbedingt seine Arbeit nicht antreten, komme eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist in Betracht. Hier liege die Haftstrafe deutlich über die Dauer von zwei Jahren, so dass dem Land die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten sei. Hinweise für die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gebe es nicht.
Der Kläger habe zudem seinen außergewöhnlich langen Ausfall selbst verschuldet. Schließlich sei auch die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung rechtzeitig eingeholt und erteilt worden.
Az.: 2 AZR 381/14