Ein Bild malen, eine Skulptur schaffen ist für Markus Lüpertz auch nach Jahrzehnten immer noch ein aufregender Prozess. Denn jedes Mal versuche er, dem Vergleich mit den größten Künstlern der Geschichte standzuhalten, sagt er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf kurz vor seinem 80. Geburtstag. "Es gibt nichts Einsameres, als vor dieser weißen Leinwand zu stehen und sich mit 2.000 Jahren Kultur und Malerkultur zu konfrontieren." Ob es die Ninas des spanischen Malers Diego Velazquez seien oder das großformatige Ölgemälde "Guernica" von Pablo Picasso, "man hat ja Giganten vor sich".

Lüpertz geht als Maler seinen eigenen Weg und verbindet gegenständliche Malerei mit Abstraktion. Das zeichnet auch Kirchenfenster aus, die er etwa für Sankt Andreas in Köln gemacht hat, oder den Totentanz für die Kirche Sankt Franziskus in Mönchengladbach. Seine Skulpturen, vor allem die der Musiker Ludwig van Beethoven in Bonn und Wolfgang Amadeus Mozart in Salzburg, sind umstritten.

Malerfürst und Gentleman

Auch sein eigenes Erscheinungsbild - er gibt sich als Malerfürst mit schweren Ringen an jedem Finger, eigens für ihn angefertigten Anzügen und Stock mit Silberknauf - wird von manchen belächelt. "Der darf das. Er ist ein echter Gentleman," sagt dagegen einer seiner engsten Freunde, der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder. Am 25. April ist Markus Lüpertz 80 Jahre alt geworden.

In die Wiege gelegt ist Lüpertz der Aufstieg zu einem der wichtigen deutschen Maler der Nachkriegszeit und Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie (1988 bis 2009) nicht. In Liberec in der Tschechoslowakei wird Markus Lüpertz am 25. April 1941 geboren. 1948 zieht er mit der Familie ins Rheinland, nach Rheydt bei Mönchengladbach. Als seine Eltern sich das Gymnasium für ihn nicht mehr leisten können, geht er eigene Wege, geleitet von dem Wunsch, Maler zu werden. Das Arbeitsamt schickt ihn zunächst zu einem Anstreicher in die Lehre, dann zu einem Gestalter von Flaschenetiketten. Beides misslingt.

Von der Zeche über Fremdenlegion zur Kunst

Geld verdient er eine Zeit lang unter Tage. "Ich hatte eine romantische Vorstellung von der Arbeit im Bergwerk", sagt Lüpertz. Nach einem Jahr zieht er aber weiter, nach Südfrankreich zur Fremdenlegion. Als aber ein Einsatz im Algerienkrieg droht, kann er sich aus dem Staub machen. Zurück in Deutschland beginnt er dann auf der Werkkunstschule in Krefeld mit dem Kunststudium.

Ein Glasmaler bringt ihn in die Benediktinerabtei nach Maria Laach. Da entdeckt Lüpertz die Welt der Bücher, in die er sich Zeit seines Lebens versenken wird. "Er ist hochgebildet, und es macht Spaß, mit ihm nicht nur über Kunst, sondern auch über Gesellschaftspolitik und vor allem Geschichte zu reden", sagt Gerhard Schröder. Die Herkunft aus einfachen Verhältnissen und ein Aufstieg aus eigener Kraft verbindet beide. "Ich hätte es aber nie geschafft, mich aus diesem Hintergrund der Kunst zuzuwenden", sagt Schröder. Er habe Freunde gebraucht, nicht zuletzt Lüpertz, die ihn lehrten "Kunst von Kitsch" zu unterscheiden.

Karriere über Umwege

Markus Lüpertz' Laufbahn führt, wenn auch mit Umwegen, nach oben: "Mit 15 verließ ich mein Elternhaus, flog von allen Schulen, selbst meiner geliebten Düsseldorfer Kunstakademie, und mit 30 war ich Professor!" Er bildet seinen Stil, malt große Formate, stark in den Farben, immer rhythmisch und, anders als die meisten Künstlerinnen und Künstler der Nachkriegszeit, nicht abstrakt.

Der Kunsthistoriker Armin Zweite, der Museen wie das Lenbachhaus in München und die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen leitete, schätzt diesen eigenen Stil, der das Figurative mit dem Abstrakten verbindet. "Es zeichnet Markus Lüpertz aus, dass er die Geschichte der Malerei sehr genau reflektiert, sie weiter entwickelt, mal persifliert, mal zerstört oder sie neu formuliert", sagt Zweite.

Wucht der Bilder

Für die Beschäftigung mit Krieg und Nationalsozialismus sucht er auch seinen eigenen Ausdruck, setzt dabei aber vor allem auf die Wirkung, manchmal Wucht der Bilder. Ein 14 Meter langes Bild heißt "Westwall" und macht aus den Panzersperren ästhetische Gebilde. Auch Soldatenhelme malt er wie Objekte. Lüpertz, der auch Gedichte schreibt, sieht es als Aufgabe des Künstlers an, den Protest gegen die Unmenschlichkeit so zu gestalten, dass auch spätere Generationen davon berührt werden. "Er muss seine gebrochenen Flügel, seinen Hass auf diese Hölle, verbinden mit der Verpflichtung auf Ewigkeit," schreibt Lüpertz.

Seine größte Statue hat er für Gelsenkirchen geschaffen, einen 18 Meter hohen Herkules. Mit Gestalten der Antike beschäftigt sich Lüpertz immer wieder, weil die Kunst vorchristlicher Zeit "unseren Sinn für Schönheit" entwickelt habe. Zudem habe sich ein Gespür für Verletzlichkeit entwickelt angesichts der nur unvollständig erhaltenen Skulpturen, "die wir nur als Torso" kennen. Auch daran erinnert Lüpertz' Beethoven-Statue im Hofgarten in Bonn. Ihr fehlen die Arme, ein Bein ist amputiert. Zu ihren Füßen liegt ein Kopf, der an den Komponisten Beethoven erinnert, der seine eigene Musik im späteren Lebensverlauf nicht mehr hören konnte. Lüpertz ist überzeugt: "Das Genie muss über seine Gebrechen siegen."

Er selbst arbeitet in einem seiner vier Ateliers in Düsseldorf, bei Berlin, in der Toskana und in Karlsruhe, seinem Hauptwohnsitz, auch mit 80 Jahren noch weiter. Jedes Bild trage schon das nächste in sich, jede Skulptur fordere eine neue, eine bessere, sagt der Künstler. Ob seine Werke wirklich gut seien, "das wird die Kunstgeschichte erst in 200 Jahren erkennen".