Im Kampf gegen den Klimawandel haben sich führende Experten für eine radikale Wende beim Gebäudebau ausgesprochen. Der Baussektor sei ein Schlüsselsektor zur Erreichung der weltweiten Klimaziele, sagte der Gründer und Direktor Emeritus des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, am 21. April in Berlin. Das Bauen, Betreiben und Abreißen von Gebäuden trage zu etwa 40 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen bei.

Diese Dimension sei in der Klimadebatte und von Entscheidungsträgern bislang zu wenig berücksichtigt worden. "Wenn wir die gebaute Umwelt nicht in die Klimagleichung einbeziehen, dann haben wir keine Chance, die Zwei-Grad-Linie von Paris zu halten", betonte Schellnhuber.

Bauressort für die Themen ländlicher Raum und Baukultur

Der Klimaforscher forderte von einer neuen Bundesregierung zudem die Schaffung eines eigenen Bauressorts: "Bislang fristet der Baubereich in der deutschen Politik ein Stiefkinddasein." Künftig müsse es ein zentrales Ressort geben, das auf die Themen ländlicher Raum und Baukultur ausgerichtet ist: "Das ist ein absolutes Zukunftsthema und sollte genauso auch gewichtet werden in einer neuen Bundesregierung."

Gemeinsam mit dem Präsidenten des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, und der Architektur-Professorin der Universität Wuppertal, Annette Hillebrandt, stellte Schellnhuber eine neue Initiative mit dem Titel "Bauhaus der Erde" vor. Aufgerufen wird darin zu einer "grünen Bauhaus-Bewegung des 21. Jahrhunderts".

Die Initiative fordert unter anderem die Substitution von Stahlbeton durch organische Baustoffe wie Holz oder Bambus. Damit könnten erhebliche Mengen an klimaschädlichen Emissionen vermieden werden. Zudem würden organische Baustoffe klimaschädliches Kohlendioxid speichern. "Mit regenerativer Architektur könnten wir uns quasi aus der Klimakrise herausbauen", sagte Schellnhuber.

Plädoyer für nachhaltige Forstwirtschaft

"Der Gebäudebereich hinkt beim Klimaschutz in Deutschland noch hinterher", sagte Messner. Es sei offensichtlich, dass hinsichtlich Primärenergiebedarf und Treibhausgaspotenzial grundsätzlich die Holzbauweise besser abschneidet als die Massivbauweise. Die ungenutzten Potenziale des Holzbaus müssten gehoben werden.

Mit einer Bauwende verbunden werden müsse zudem eine nachhaltige Forstwirtschaft, betonten die Experten. Grundvoraussetzung für das nachhaltige Bauen mit Holz sei zudem der Einsatz von international einheitlich zertifiziertem Holz, welches durch funktionierende Lieferketten-Trackingsysteme die Herkunft aus Schutzgebieten eindeutig ausschließe.

Hillebrandt unterstrich, dass zur Senkung der CO2-Emissionen und des immensen Abfallaufkommens aus dem Bausektor auch Baubestand erhalten werden müsse. Für eine Weiternutzung von Gebäuden sollten nachwachsende Baustoffe rückbau- und recyclingfreundlich eingesetzt werden. Mit jedem Haus müsse der Welt etwas zurück gegeben werden. "Müll - damit meine ich auch CO2 - ist ein Designfehler!", erklärte die Architektur-Professorin.