Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat die Bundesanwaltschaft für Stephan E. lebenslange Haft mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld sowie Sicherungsverwahrung gefordert. E. sei eines Mordes und eines versuchten Mordes aus rassistischer Gesinnung schuldig, sagte Bundesanwalt Dieter Killmer am 22. Dezember vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Damit blieb die Bundesanwaltschaft in ihrem Schlussplädoyer bei ihren Anklagepunkten: Stephan E. (47) soll den früheren Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 allein heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen ermordet und den Asylbewerber Ahmed I. im Januar 2016 mit einem Messer versucht haben zu ermorden. Beide Taten seien "rechtsextremistische Anschläge gewesen", sagte Killmer. E bestreitet die Tat an Ahmed I.

Bundesanwalt spricht von rassistischem Weltbild

Der ebenfalls Angeklagte Markus H. (44) habe zur Ermordung Lübckes "psychische Beihilfe" ebenfalls aus niedrigen Beweggründen geleistet, ergänzte Bundesanwalt Daniel Otto am 40. Verhandlungstag. H. habe E. unter anderem in seinem rassistischen Weltbild und Hass immer wieder bestärkt, mit ihm Schießübungen gemacht und den Tod Lübckes billigend in Kauf genommen, hieß es weiter. E. habe die Tat zwar allein ausgeführt: "Aber in seinem Hass war er nicht alleine", sagte Killmer. Zum Ziel geworden sei der Politiker wegen seiner Werte und seines Eintretens für Flüchtlinge. Für die Beihilfe und den illegalen Waffenbesitz forderte Killmer insgesamt neun Jahre und acht Monate Haft für H.

Der Bundesanwalt geht weiterhin davon aus, dass H. bei der Tat gegen Lübcke nicht anwesend war. E. hatte während der Ermittlungen, in drei Vernehmungen bei der Polizei und auch während der 39 Verhandlungstage seine Schilderung der Vorgänge auf der Terrasse immer wieder geändert und sich in Widersprüche verstrickt. Seine letzte Version: Er habe geschossen, H. sei aber dabei gewesen. H. hat dazu bisher geschwiegen.

Killmer hält weiterhin die erste Version, wonach E. in der Tatnacht allein war, für "mehrheitlich glaubhaft". Sie sei lebhaft und mit zahlreichen Details und Täterwissen angereichert. Später habe sich E. hingegen in seinem Aussageverhalten taktierend verhalten und auch, entgegen seiner Ankündigung, die Fragen der Familie Lübcke nicht beantwortet. "Offenheit und Aufklärung sehen anders aus", sagte Killmer.

Zu Beginn seines Plädoyers hatte Killmer die Ermordung des Politikers Lübcke in politische, gesellschaftliche und persönliche Zusammenhänge eingeordnet. Es sei in Deutschland seit 1945 der erste Mord an einem Politiker aus rechtsextremistischen Motiven gewesen, sagte er.

Hetzkampagne gegen Lübcke

Im Zentrum des Hasses hat nach Ansicht der Anklage eine Äußerung des Politikers auf einer Bürgerversammlung zu einem Flüchtlingsheim im Oktober 2015 gestanden, bei der E. und H. waren: "Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist." Nach Überzeugung der Anklage hat H. diese Aussage als Videoschnipsel im Internet verbreitet, Folge war eine jahrelange Hetzkampagne gegen Lübcke. Wegen dieses einen aus dem "Zusammenhang gerissenen Satzes" habe Lübcke sterben müssen, sagte Killmer.

Dem viereinhalbstündigen Plädoyer folgte der Angeklagte E. meist mit gesenktem Blick und im Schoß liegenden Händen. H. machte sich Notizen. Wie schon bei vielen Verhandlungstagen zuvor verfolgten auch die Witwe Lübckes und seine beiden Söhnen die Verhandlung.

Auch in der Tat gegen Ahmed I. , die E. bestreitet, sieht Killmer einen heimtückischen Mordversuch aus niederen Beweggründen. Nur durch Zufall sei der Asylbewerber nicht tödlich verletzt worden.

Killmer forderte zudem, gegen H. erneut einen Haftbefehl zu erlassen. In Bezug auf H. hatte der Staatsschutzsenat Anfang Oktober angeordnet, den Haftbefehl aufzuheben. Das Gericht konnte keinen dringenden Tatverdacht mehr erkennen, der eine weitere Untersuchungshaft gerechtfertigt hätte.

Der Prozess hatte Mitte Juni begonnen. Ab dem 12. Januar 2021 sollen Nebenklage und Verteidigung ihre Plädoyers halten, das Urteil ist für Ende Januar geplant.