Bei Antonius Höckelmann ging es drunter und drüber. Fotos seines Ateliers zeigen ein Durcheinander aus scheinbar achtlos hingeworfenen Zeichnungen und Gemälden, dazwischen Scheren, Pinsel und Farbtöpfe. Die Kölner Galeristin Ute Mronz schaute sich das Chaos bei ihren Atelierbesuchen eine Weile an und bot dem Künstler schließlich einen Ausweich-Arbeitsplatz in ihrem Haus an. So entstand eine Freundschaft und Mronz trug eine umfangreiche Sammlung von Höckelmann-Werken zusammen, die sie nun zu großen Teilen dem Arp Museum schenkte.

Anlass genug, Höckelmann 20 Jahre nach seinem Tod erstmals wieder eine umfassende Werkschau zu widmen. Zumal der Kölner Künstler zu Unrecht so gut wie in Vergessenheit geraten sei, sagt Museumsdirektor Oliver Kornhoff. Die Rolandsecker Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Kunsthalle Bielefeld entstand, biete nun die Möglichkeit, das Werk wieder zu entdecken.

Kooperation mit Kunsthalle Bielefeld

Die Ausstellung "Antonius Höckelmann. Alles in allem" präsentiert bis zum 24. Mai insgesamt 85 Skulpturen, Reliefs, Gemälde und Zeichnungen des im westfälischen Oelde geborenen und in Köln gestorbenen Künstlers. Sie ist zugleich eine Rückkehr Höckelmanns nach Rolandseck, wo er vor 50 Jahren einen Studienaufenthalt im damaligen Künstler-Bahnhof verlebte.

In den 70er und 80er Jahren war Höckelmann neben berühmten Künstlern wie Georg Baselitz, Markus Lüpertz oder A.R. Penck an bedeutenden Ausstellungen beteiligt, etwa der documenta 6 und 7. Von den Kollegen wurde Höckelmann anerkannt und geschätzt, erreichte aber nie deren Bekanntheitsgrad. Antonius Höckelmann sei ein Einzelgänger gewesen, erklärt Markus Lüpertz, selbst einer der erfolgreichsten deutschen Künstler der Gegenwart. Höckelmann habe sich in sein eigenes Universum eingeschlossen. "Dennoch ist er sicher einer der zukunftsträchtigsten Künstler meiner Generation", urteilt Lüpertz, der über 20 Jahre Rektor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf war.

Arbeiten an der Grenze von Abstraktion und Figürlichkeit

Antonius Höckelmann machte zunächst in Oelde eine Ausbildung zum Holzbildhauer und studierte danach Bildhauerei an der Hochschule für bildende Künste in Berlin, bevor er sich in Köln niederließ. Seine Arbeiten bewegen sich an der Grenze von Abstraktion und Figürlichkeit. Sie zeichnen sich durch wuchernde, organische Formen aus. Er beschäftigte sich mit Motiven aus der Tier- und Pflanzenwelt, der Sexualität und dem Pferdesport. In der Ausstellung sind auch eine Reihe von Selbstporträts zu sehen. Höckelmann hatte zwar eine Nähe zum spontanen, und aus dem inneren Erleben des Künstlers getriebenen Gestus des Informel. Doch er ließ sich dieser Kunstrichtung nicht zuordnen. Höckelmann habe großen Wert darauf gelegt, unabhängig zu bleiben, sagt Kuratorin Jutta Mattern.

Das spiegelt sich auch in seiner Arbeitsweise. Für seine Skulpturen verwendet er häufig ungewöhnliche Materialien. Höckelmann formt sie zum Beispiel aus Styropor oder Alu-Folie, die er farbig anmalt. Stabilität erhalten die verschlungenen Wesen und Gebilde durch einen Holzkern oder mit Hilfe in Kleister getränkter Gaze. Charakteristisch ist die Dynamik und Offenheit seiner Skulpturen. So wirkt Höckelmanns "Aluminium-Madonna" auf den ersten Blick wie ein abstraktes Gebilde. Erst beim Umschreiten der Skulptur zeigt sich der Kopf der Madonna sowie das Jesus-Kind, das den Eindruck macht, als entgleite es der Mutter gerade.

Wider der Schwerkraft

Höckelmanns Skulpturen scheinen sich der Schwerkraft zu widersetzen, was auch dadurch unterstrichen wird, dass einige aufgehängt sind. Hier zeigt sich der Einfluss des italienischen Barock mit seinen schwebenden Putten, den Höckelmann bei einem Studienaufenthalt in Neapel kennen- und schätzen lernte.

Auch für seine Bilder wählt Höckelmann ungewöhnliche Materialien. Er zeichnet auf Leinwand, malt auf Papier, mixt Wachskreiden, Bleistift, Tusche, Acrylfarbe oder Farbspray. So sei die Unterscheidung zwischen Zeichnung und Gemälde bei Höckelmann oft kaum zu treffen, sagt Mattern. Auch bei der Ausstellung seiner Werke ging Höckelmann ungewöhnliche Wege. Seine Kunst müsse an jedem Ort bestehen, entschied er. So zeigte er seine Arbeiten in Gaststätten oder Geschäften. Den Innenraum einer Kneipe an seinem Wohnort, dem Kölner Eigelstein, gestaltete er über Jahre mit seinen Deckenskulpturen, Zeichnungen und Gemälden. "Höckelmann war unabhängig, was den Kunst- und Galeriebetrieb anging. Er hatte keine feste Galerie, sondern er war autonom", sagt Mattern.

Dieser Drang zur Unabhängigkeit vom Kunstbetrieb mag ein Grund dafür sein, dass Höckelmanns Name weniger präsent ist als der seiner bekannten Kollegen. Markus Lüpertz, der sich im Gegensatz zu Höckelmann selbst als "Malerfürst" zu inszenieren weiß, ist jedoch der Meinung, dass das Werk seines verstorbenen Kollegen nicht in Vergessenheit geraten wird. "Die Zeit hat den tragischen Höckelmann erlebt. Die Zukunft wird ihn feiern", prophezeit er.