Die Konstruktion hängt über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher und sieht sehr kompliziert aus. Es handelt sich um einen Nachbau der ISS, der Internationalen Raumstation, die 1998 ins All geschossen und seitdem ständig erweitert wurde. Das Modell misst 2,7 mal 1,9 Meter und besteht aus 8.000 Einzelteilen, die eine Modellbaufirma eigens für das LWL-Museum für das Naturkundemuseum in Münster hergestellt hat. Das Team vor Ort hat es in mühevoller Kleinarbeit zusammengebaut. Es ist eines der eindrucksvollsten Objekte der neuen Jahresausstellung "Überlebenskünstler Mensch", die bis September 2021 zu sehen ist.

Im Mittelpunkt der großen Themenschau stehen vier große Fragen: Was macht uns aus? Wie haben wir uns verbreitet? Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? "Um diese Fragen zu beantworten, beleuchten wir Kerneigenschaften des Menschen, stellen unterschiedliche Lebensräume vor und fragen nach der Zukunft unseres Planeten", sagt Museumsdirektor Jan Ole Kriegs.

Sonnenkompass von Antarktis-Forscher Robert Falcon Scott

Dazu haben die drei Ausstellungsmacherinnen Lisa Klepfer, Ramona Dölling und Hanna Rüschoff mehr als 1.000 Objekte zusammengetragen, die auf einer Fläche von 1.200 Quadratmetern präsentiert werden. Auch zahlreiche Originale wie der Sonnenkompass, den Robert Falcon Scott auf seiner Antarktis-Expedition benutzte, und die älteste gefundene Schrift der Menschheit aus dem mesopotamischen Uruk zählen zu den Exponaten. Zu den Höhepunkten gehört eine geologische Probe, die der Forscher Alexander von Humboldt von seinen Expeditionen mitbrachte.

Die Ausstellung ist nicht nur lehrreich, sondern bietet durch die Inszenierungen unterschiedlicher Lebensräume wie Südsee, Regenwald oder Wüste auch einen hohen Schauwert. Zu sehen sind eine steinzeitliche Schamanin, eine Nachbildung des Planeten Mars oder die Skelette eines Menschen und eines Gorillas, die einträchtig nebeneinander im nachgebauten Studierzimmer von Professor Hermann Landois (1825-1905) stehen. Der Zoologe war vor rund 150 Jahren Gründer des Museums, dessen Träger heute der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ist.

Kopfserie

Das Thema Evolution wird Museumsgästen durch Rekonstruktionen der Köpfe von Vor- und Frühmenschen nähergebracht. Die realistischen Nachbildungen sind eine Leihgabe der niederländischen Brüder und Künstler Adrie und Alfons Kennis, wie Lisa Klepfer erzählt. "Durch sie werden unsere ausgestorbenen Vorgänger greifbar und nah."

Mehrere Räume beschäftigen sich damit, was den Menschen ausmacht. Thematisch geht es um die Einzigartigkeit der menschlichen Sprache und die Möglichkeit, größere Gemeinschaften zu bilden. Aber auch die Funktion des Geldes als eine Vereinbarung mit globaler Gültigkeit wird anschaulich vermittelt. Ein weiterer Aspekt ist Spiritualität, die anhand von Schöpfungs- und Jenseitsmythen aus aller Welt in Szene gesetzt wird. Dabei hat das Museum mit Design-Studenten der Fachhochschule in Münster zusammengearbeitet.

Vom Faustkeil bis zum Computertomographen - die Zahl der Erfindungen in der Geschichte der Menschheit ist groß. In einem überdimensionalen Setzkasten werden einige präsentiert. Aber es sind nicht nur praktisch-kluge wie das Fahrrad. Auch eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg findet sich in der Auswahl. "Es wäre naiv, die Entwicklung des Menschen nur als Kette von Verbesserungen zu skizzieren", sagt LWL-Direktor Matthias Löb. "Es ging immer auch um Ausbreitung auf der ganzen Welt, um effizientere Methoden des Tötens oder um Ausbeutung der Natur mit weitreichenden Folgen für Artenvielfalt und Klima."

Virtuelle Fahrt über den Mars

Zum Schluss richtet das Kuratorinnen-Team den Blick in die Zukunft, wenn es um technische Möglichkeiten und die damit verbundenen ethisch-moralischen Fragen geht. Themen wie Klonen, DNA-Manipulation und frei konfigurierbare Designer-Babys werden kritisch hinterfragt sowie Ideen zu alternativen Lebensformen behandelt. So können Besucher mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille (VR) eine Marskolonie erkunden. Dafür wurde ein Globus des roten Planeten mit einem Durchmesser von einem Meter angefertigt, gestaltet nach Satellitenaufnahmen der NASA-Raumsonde "Viking-Orbiter".

Die Besiedlung dieses Planeten gehört zu den gängigen Zukunftsvisionen der Raumfahrt. Doch bei genauem Hinsehen dank VR-Brille erweist sich der Stern als recht ungemütlich und unwirtlich mit einer Durchschnittstemperatur von minus 63 Grad Celsius. "Es ist keine gute Idee, die Erde zu verwüsten und dann dorthin zu flüchten", meint Museumsleiter Kriegs.