Düsseldorf, Köln (epd). Was für ein Ständchen zu seinem 75. Geburtstag: 75 namhafte irische Musiker huldigen Van Morrison, indem jeder eines seiner Stücke covert. Das irische Musikmagazin "Hot Press" hat bereits damit begonnen, unter dem Motto "Rave On, Van Morrison" täglich ein Video auf Youtube zu veröffentlichen. Als besonderer Gratulant ist Irlands Präsident Michael D. Higgins mit von der Partie. Ob sich das Geburtstagskind darüber freut, lässt sich allerdings schwer einschätzen. Denn das musikalische Multitalent aus dem nordirischen Belfast gilt als extrem schwierig und übellaunig. Am 31. August ist Van Morrison 75 Jahre alt geworden.
Er würde ja gern mehr sprechen, aber er habe ständig Melodien im Kopf, soll er seiner Mutter zufolge einmal gesagt haben. Abseits der Bühne ist er extrem öffentlichkeitsscheu, Interviews sind ihm verhasst. Man fühle den Blues und spiele ihn, aber man seziere ihn nicht, beschied er vor einigen Jahren dem Deutschlandfunk in einem seiner seltenen Interviews. Ein Analysieren würde alles zerstören. Dass er das auch auf sich selbst bezieht, daran lässt er keinen Zweifel: "Auch mich hat man über die Jahre viel zu oft analysiert."
"Der geniale Sturkopf" ist ein Sir
Seit fast sechs Jahrzehnten widersetzt sich "der geniale Sturkopf" ("Der Spiegel") fast allen Regeln des Musikmarktes. Bewusst liefert er keine hitparaden-tauglichen Ohrwürmer ab. Lieber preist er die Magie der Stille ("Hymns To The Silence"), den vollkommenen Augenblick in der Natur ("In The Garden") oder die spirituelle Heilung ("And The Healing Has Begun"). Wie kaum ein anderer Künstler versteht er es dabei, Jazz, Blues, irische Folkmusik, Soul und Rock zu einem eigenen, unverwechselbaren Sound zu verschmelzen.
Bei Auftritten gilt er als unberechenbar: Mal spult er wortkarg und lustlos ein kurzes Pflichtprogramm runter, dann aber verzückt er das Publikum wieder mit Konzerten voller Hingabe und Inspiration. "Van, the Man" nennen ihn seine Fans. Für sein Lebenswerk erhob ihn Königin Elisabeth II. in den Adelsstand.
Seine letzte Veröffentlichung "Three Chords and the Truth" von 2019 wurde von der Kritik als zeitloses Alterswerk gefeiert. Einmal mehr klingen darin seine großen Themen Spiritualität und Sinnsuche an: Einige Titel wie "In Search of Grace" oder "Dark Night of the Soul" verweisen wie so oft bei ihm auf biblische Bilder. In dem Stück "Nobody in Charge" lästert Morrison aber offenbar auch über aktuelle gesellschaftliche Zustände. Mit Seitenhieben auf endlos schwafelnde Politiker, die viel Geld für ihr Versagen bekämen, soll er sein Missfallen an der britischen Regierung und dem Brexit ausgedrückt haben, interpretierten Kritiker.
Morrison war mehrmals verheiratet, gilt als unsteter Geist. Seine lebenslange Suche nach spirituellen Erfahrungen führte über indische Yogis, die Scientology-Organisation und die Psychoanalyse Carl Gustav Jungs. Die Leidenschaft für Musik wurde bei ihm schon in der Kindheit geweckt: George Ivan Morrison kam am 31. August 1945 in Belfast als Sohn ausgesprochener Musikliebhaber zur Welt.
Musikbegeisterte Eltern
Der Vater, der in den Docks arbeitete, besaß eine riesige Plattensammlung mit Blues, Jazz und Gospel. Die Mutter nahm ihn mit in Gottesdienste, in denen Gospelmusik gespielt wurde. Mit zwölf Jahren gründete Morrison, der Saxofon, Klavier und Gitarre spielt, seine erste Musikgruppe. Mit der späteren Band "Them" hatte er als 20-Jähriger Mitte der 60er Jahre große Hits wie "Gloria".
Sein außerordentliches Talent stellte der Musiker aber vor allem als Solokünstler unter Beweis. Schon das frühe Werk "Astral Weeks" aus dem Jahr 1968 wurde von Kritikern als ein "Jahrhundertalbum" bejubelt. Verkaufen ließ sich die Platte allerdings zunächst kaum. Dazu war die Melange aus Folk, Blues und Jazz mit rätselhaften Texten und melancholischen Bildern offenbar doch zu sperrig. Rund 40 Jahre später, 2009, spielte er das Werk noch einmal in einem umjubelten Livekonzert ein.
Musikalisch ist Van Morrison ein Tausendsassa. Die 2001 gestorbene Blues-Legende John Lee Hooker würdigte ihn als "größten weißen Bluessänger überhaupt". Mal schließt er sich mit einer Handvoll Jazzmusiker in einem Londoner Nachtclub ein, um Jazz aufzunehmen. Ein andermal erkundet er mit irischen Folkgruppen seine keltischen Wurzeln. Er veröffentlichte aber auch schon einmal eine Platte ausschließlich mit Country-Songs.
Konzerte mit Sicherheitsabstand
Auch mit 75 Jahren wird "Van, The Man" nicht ruhiger werden: Für den 3. September ist bereits ein Auftritt im englischen Gosforth Park in Newcastle angekündigt. Dort findet in diesen Wochen die weltweit erste Konzertreihe unter Social-Distancing-Bedingungen statt: Auf 500 separierten Metallpodesten werden die Fans jeweils zu Fünfergruppen mit genügend Abstand platziert.