Häufebecher waren im 16. und 17. Jahrhundert begehrte Sammelobjekte. Die niedrigen Silberbecher hatten nur einen kleinen Fußrand und konnten so praktischerweise gestapelt werden. Auch 1938 waren die Sammlerstücke noch heiß begehrt - zumindest in Köln. Dort träumten die Stadtoberen davon, der kunstgewerblichen Sammlung unter anderem durch den Erwerb eines solchen wertvollen Trinkgefäßes internationale Ausstrahlung zu verleihen. Als Generaldirektor der kunstgewerblichen Sammlungen ließ sich Adolf Feulner vom Luzerner Kunsthändler Theodor Fischer einen reich verzierten Häufebecher aus dem 16. Jahrhundert zur Ansicht schicken.

Allerdings fehlte letztlich das Geld zum Ankauf. Wie kommt es also, dass der Renaissance-Becher letztlich doch als Schenkung in der Kölner Sammlung landete? War es eine großzügige Wohltat des Schweizer Händlers? Im Rahmen eines Mitte Juli gestarteten Forschungsprojekts gingen Kölner Provenienzforscher der Geschichte des Trinkgefäßes auf den Grund.

Zweifelhaftes Tauschgeschäft

Die Forschungen belegen, dass das Trinkgefäß als Ergebnis eines politisch motivierten Tauschgeschäftes nach Köln kam. "Der Becher war die Initialzündung zu dem Projekt", sagt die Leiterin der Dokumentation im Kölner Museum für Angewandte Kunst, Nuray Amrhein. Der 14,5 Zentimeter hohe, vergoldete Silberbecher ist rundum mit Hinterglasbildern der sieben Planetengötter der Kuppa verziert. Als sich ein Kunsthistoriker mit diesen speziellen Malereien beschäftigte, sei das Stück in den Fokus geraten, sagt Amrhein. Aufmerksam wurde die Expertin, weil Fischer als eine der zentralen Figuren des Handels mit NS-Raubkunst in der Schweiz gilt.

Die Kölner Provenienzforscher fanden heraus, dass das Tauschgeschäft zwischen Fischer und der Stadt Köln auf den Ankauf eines Geschenks für den führenden NS-Politiker Hermann Göring zurückgeht. Die Stadtoberen schenkten Görings Tochter 1938 zur Taufe ein Bild Lucas Cranach d.Ä., das sie bei Kunsthändler Fischer erwarben. Der Haken: "Sie konnten das Bild letztlich wegen fehlender Devisengenehmigungen nicht bezahlen", erklärt Marcus Leifeld von der museumsübergreifenden Stelle für Provenienzforschung der Stadt Köln.

So bot die Stadt Fischer ein Tauschgeschäft an: Er sollte sich ein Bild aus den städtischen Sammlungen aussuchen. Fischers Wahl fiel auf ein Gemälde Vincent van Goghs, das jedoch deutlich mehr wert war, als das Cranach-Bild. So musste der Kunsthändler sozusagen "Wechselgeld" herausgeben - in Form von Kunstgegenständen. Darunter auch der begehrte Häufebecher. Allerdings sei die ursprüngliche Herkunft des Bechers noch nicht restlos geklärt, sagt Amrhein. Fischer erwarb ihn wohl aus einer Schweizer Sammlung. "Aber da müssen wir noch weiter nachgraben."

Knapp 400 Objekte werden auf mögliche NS-Raubkunst überprüft

Der Häufebecher ist nur eines von knapp 400 Objekten, die zwischen 1933 und 1945 in das Museum gelangten. Zwei Jahre haben die Forscher im Rahmen des vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projektes Zeit, um diese Stücke auf ihre Herkunft zu prüfen, darunter Porzellan, Möbel oder Gläser.

Köln hatte 2007 als erste deutsche Stadt eine zentrale und museumsübergreifende Stelle für Provenienzforschung geschaffen. Der Historiker Leifeld und die Kunsthistorikerin Britta Olényi von Husen prüfen im Auftrag der Stadt die Herkunft von Kunstwerken und Objekten aus den neun kommunalen Museen. Dabei arbeiten sie eng mit den Experten aus den einzelnen Häusern zusammen.

Bislang wurden laut von Husen rund 4.000 Stücke untersucht. 23 davon seien den Nachkommen der rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben worden. Fast die Hälfte der restituierten Werke seien den Museen dennoch erhalten geblieben, teils durch Rückkauf oder als Dauerleihgabe. Die Stadt wolle die Provenienzforschung weiter voranbringen, sagt Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach. Anfang des Jahres wurden die halben Stellen Leifelds und von Husens auf jeweils eine ganze Stelle aufgestockt. "In neun kommunalen Museen treten eben immer wieder neue Zweifelsfälle zutage", sagt Laugwitz-Aulbach.