Zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr wurden Tausenden Familien mit Arbeitslosengeld-II-Bezug die Leistungen gekürzt. Im März hat es rund 42.000 Hartz-IV-Sanktionen gegen sogenannte Bedarfsgemeinschaften mit Kindern gegeben, wie aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. In rund 850 Fällen wurden demnach die Leistungen für eine Person im Haushalt komplett gekürzt. Bedarfsgemeinschaften sind Haushalte mit Kindern, in denen mindestens ein Elternteil staatliche Leistungen bezieht. Zuerst hatten die Zeitungen des Essener Funke Mediengruppe (31. August) darüber berichtet.

ALG II darf maximal um 30 Prozent gekürzt werden

Das Bundesverfassungsgericht hatte im November mögliche Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger erheblich eingeschränkt. Nach der Entscheidung der Karlsruher Richter darf das Arbeitslosengeld II nicht mehr um mehr als 30 Prozent gekürzt werden, um das Existenzminimum der Bezieher zu sichern. Davor gab es drei Sanktionsstufen, wenn Hartz-IV-Empfänger etwa eine als zumutbar eingestufte Arbeit ablehnen. Zunächst wurde der Regelsatz um 30 Prozent gekürzt, bei einer Wiederholung bereits um 60 Prozent. Bei jeder weiteren Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres entfiel das Arbeitslosengeld II komplett.

Bei den betroffenen 850 Familien handelt es sich laut dem Bundesarbeitsministeriums nicht um "Vollsanktionierte im eigentlichen Sinn". Vielmehr gehe es um sogenannte "Aufstocker", die ergänzend zu ihrem Einkommen Grundsicherung beziehen, sagte eine Ministeriumssprecherin den Funke-Zeitungen. Eine Sanktion könne dazu führen, dass ein Zahlungsanspruch erlischt. "So führt beispielsweise bei Leistungsberechtigten der Regelbedarfsstufe 1, deren Leistungsanspruch im SGB II aufgrund von Einkommen bei 100 Euro liegt, eine Minderung in Höhe von 30 Prozent des Regelbedarfs dazu, dass kein Zahlungsanspruch mehr besteht", erläuterte sie.

2019 gab es rund 2,9 Millionen Bedarfsgemeinschaften in Deutschland

Wie aus dem Schreiben der Bundesregierung weiter hervorgeht, gab es im Jahresdurchschnitt 2019 insgesamt rund 2,9 Millionen Bedarfsgemeinschaften bundesweit. In mehr als 999.000 und somit in rund jeder dritten Bedarfsgemeinschaft lebten Kinder unter 18 Jahren, davon mehr 761.000 in West- und knapp 238.000 in Ostdeutschland. Fast jedes zweite Kind (44,6 Prozent) lebte demnach in einer Alleinerziehenden-Bedarfsgemeinschaft.

Junge Erwachsene in Hartz-IV-Familien haben der Antwort zufolge sich im vergangenen Jahr etwas dazuverdient. Im Jahresdurchschnitt 2019 gab es rund 109.000 erwerbstätige Leistungsberechtigte unter 25 Jahre, ihre Einkünfte lagen bei rund 576 Millionen Euro.

Insgesamt belief sich das Einkommen von Kindern und jungen Erwachsenen in Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften 2019 auf rund 6,46 Milliarden Euro. 4,5 Milliarden Euro entfielen dabei auf das Kindergeld, 1,05 Milliarden Euro resultierten aus Unterhaltszahlungen. Einkommen aus Sozialleistungen beliefen sich den Angaben zufolge auf 72,5 Millionen Euro. Innerhalb von zehn Jahren hat sich das Einkommen aus Sozialleistungen laut Statistik fast halbiert: 2010 lag es noch bei rund 130,63 Millionen Euro.

Grüne fordern Systemwechsel

Der sozialpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven Lehmann, mahnte einen Systemwechsel an. "Während Gleichaltrige den Nettobetrag im Portemonnaie haben, den sie sich erarbeitet haben, müssen rund 109.000 junge Erwachsenen im SGB II-Bezug Abzüge hinnehmen, weil das erzielte Einkommen auf die Grundsicherung angerechnet und der Leistungsanspruch gemindert wird", kritisierte er und forderte die Einführung einer Kindergrundsicherung. "Wir können es uns nicht länger leisten, dass sich das Ausmaß der Kinderarmut angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zu verschärfen droht."