Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechnet trotz der gegenwärtigen Zunahme der Corona-Infektionen nicht mit einem zweiten Lockdown wie im Frühjahr. Man habe inzwischen viel über das Virus und seine Verbreitung gelernt, sagte Merkel am 28. August in der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie appellierte, vor allem verletzliche Gruppen im Blick zu behalten. Es sei ihr Ziel, "den gesellschaftlichen Zusammenhalt so weit wie möglich zu bewahren", sagte die Kanzlerin.

Die Pandemie belaste die Menschen sehr ungleich, bilanzierte Merkel. Sie versicherte, die Bundesregierung stehe an ihrer Seite. Dazu müsse man mit diesen Gruppen im Gespräch bleiben, sagte die Kanzlerin. Das empfehle sie auch immer wieder ihren Ministerinnen und Ministern.

Merkel verwies auf Pflegebedürftige, die lange keinen Kontakt zu Angehörigen haben konnten, Arbeitslose, Familien in beengten Wohnungen und Kleinunternehmer, die um ihre Existenz bangen. "Auf sie alle müssen wir besonders achten", sagte Merkel.

Isolierung von Pflegeheimen nicht mehr zu erwarten

Sie gehe nicht davon aus, dass es erneut zu einer Isolierung von alten Menschen in den Pflegeheimen komme. Man habe inzwischen genug gelernt, "um sicherzustellen, dass es so wie es war in den ersten Wochen nicht wieder vorkommt". Sie mache sich aber Sorgen, dass sich ganze Gruppen aus der Öffentlichkeit zurückziehen, Menschen weiterhin mit wenigen Kontaktpersonen klarkommen müssten und wenig rausgehen könnten.

Gleichzeitig betonte Merkel, die Lage sei noch immer ernst. Es sei damit zu rechnen, dass die Situation im Herbst und Winter durch den Aufenthalt in geschlossenen Räumen sogar wieder schwieriger werde. Auf Abstands- und Hygieneregeln könne daher nicht verzichtet werden. "Es wird nicht so wie früher, solange wir keinen Impfstoff und kein Medikament haben", sagte Merkel.

Als zwei weitere zentrale Ziele ihrer Corona-Politik für den Herbst und Winter bezeichnete Merkel, die Bildung zu sichern und die Wirtschaft "am Laufen zu halten oder wieder zum Laufen zu bringen". Schulen und Kitas müssten geöffnet bleiben. Man müsse alles dafür tun, "dass unsere Kinder nicht die Verlierer der Pandemie sind", sagte Merkel. Für die Zukunft der deutschen Wirtschaft müsse es darum gehen, gerade in der Krise die Innovationskraft Deutschlands zu stärken und beispielsweise klimafreundliche Technologien und die Digitalisierung voranzutreiben.

"Nie dagewesene Herausforderung"

Die Pandemie sei eine nie dagewesene Herausforderung, sagte Merkel. Die Unterstützungsmaßnahmen, die den Staat viel Geld kosten, seien daher notwendig gewesen. Deutschland könne sich das auch leisten. Keiner wisse aber, wie lange die Situation andauere. Auch für die finanzielle Kraft des Landes sei es damit eine nie dagewesene Herausforderung.

Die Kanzlerin kam wie inzwischen traditionell jeden Sommer einer Einladung in die Bundespressekonferenz, dem Verein der Hauptstadtjournalisten, nach. Die Kanzlerin stellt sich dabei Fragen zu allen Themen, die für die Korrespondenten von Interesse sind. Es war der 26. Besuch von Merkel in der Bundespressekonferenz seit ihrer ersten Wahl zur Kanzlerin im Jahr 2005. Wegen der Abstandsregeln konnten in diesem Jahr nur 40 Korrespondenten vor Ort sein, die per Los ausgewählt wurden.