Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), Gerd Landsberg, hat sich besorgt über den Mitgliederschwund der Kirchen geäußert. "Die Kirchen und ihre Organisationen wie Diakonie und Caritas sind für die Sozialstrukturen in den Kommunen unverzichtbar", sagte Landsberg am 27. August bei einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Kirchen und Wirtschaft in Bonn. Die Kirchen betrieben nicht nur viele soziale und Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder Pflegeheime. Sie hätten darüber hinaus eine wichtige befriedende Funktion in der Stadtgesellschaft, indem sie sich für Toleranz, Nächstenliebe und das Zugehen auf Fremde einsetzten.

Vor diesem Hintergrund könnten die steigenden Austrittszahlen aus der evangelischen und katholischen Kirche - 500.000 allein im vergangenen Jahr - zu sozialen Verwerfungen in den Städten und Gemeinden führen, warnte Landsberg. Er appellierte an die Kirchen, mehr auf die Menschen zuzugehen. "Kirche hat eine Bringschuld. Sie muss die schweigende Mehrheit der noch nicht Ausgetretenen erreichen und das tut sie nicht." Notwendig sei eine viel engmaschigere Mitgliederpflege.

Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche räumten Versäumnisse ein. "Wir haben unsere Hausaufgaben nicht gemacht, wir haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt, wir haben gepennt", sagte der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Bonn, Dietmar Pistorius. Die Kirche habe sich zu lange in ihren gut etablierten Zirkeln und Kreisen eingenistet und nicht gemerkt, dass eine Erosion stattfinde. In der Folge wendeten sich vor allem junge Menschen im Alter zwischen 21 und 35 Jahren von der Kirche ab.

Stadtdechant: Kirche ist erstarrt

"Die Kirchen sind so in tiefer Depression und Selbstbeschäftigung gefangen, dass sie den Beitrag, den sie für die Gesellschaft leisten können, kaum mehr erbringen", sagte der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken. Die Kirche sei erstarrt. Das mache Aufbruchsbewegungen schwierig.

Dennoch gebe es in der derzeitigen Situation Chancen, stellten die Kirchenvertreter fest. "Wir müssen wieder rausgehen zu den Menschen, müssen sie in ihren Lebensbezügen aufsuchen", sagte Pistorius. Er beobachte auch bei jungen Menschen, die nicht kirchlich gebunden seien, ein hohes religiöses Interesse. "Wir müssen Erfahrungsräume schaffen, im denen Menschen Gott begegnen können." Denkbar sei es etwa, kirchliche Räume stärker für die Stadtgesellschaft zu öffnen.

"Die Kirche hat in Zukunft eine Chance, wenn sie ein alternativer Lebensraum wird", sagte Picken. Dazu müsse Kirche glaubwürdig Gemeinschaft leben. "Kirche könnte Impulsgeber für ein neues Wir-Gefühl sein." Dazu müsse sie aber bereit sein, mit anderen gesellschaftlichen Kräften integrativ zusammen zu arbeiten. "Auch die Kirchen müssen von ihrem hohen Ross herunter und nach Schnittmengen mit anderen gesellschaftlichen Gruppierungen suchen", forderte der Stadtdechant.