Der Journalist Deniz Yücel ist in Istanbul wegen angeblicher Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Das teilte Yücel, der bei der Urteilsverkündung nicht anwesend war, am 16. Juli auf Twitter mit. Außenminister Heiko Maas (SPD) erklärte in Berlin, das Urteil gegen den deutsch-türkischen Journalisten sende das "absolut falsche Signal".

Die Ankündigung weiterer Ermittlungsverfahren sei für ihn überhaupt nicht nachvollziehbar, sagte der Minister. "Darin zeigt sich, dass wir weiterhin erhebliche Differenzen beim Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit haben." Diese Entwicklung trage nicht dazu bei, Vertrauen in die Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze in der Türkei aufzubauen. Maas erinnerte auch an weitere deutsche Staatsbürger, die sich in türkischer Haft befinden.

"Unrechtsstaat"

Auch die Grünen kritisierten das Urteil als einen Skandal. Die Medienpolitikerin Margit Stumpp wies darauf hin, dass sich das Istanbuler Gericht nicht nur gegen ein Urteil des Verfassungsgerichts in Ankara, sondern auch gegen die Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes stelle.

Die Journalistengewerkschaft dju in ver.di erklärte, zwar habe die 32. Istanbuler Strafkammer Yücel vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Doch sei das Urteil ein "weiterer Schlag gegen Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei". Das Urteil sei ein Beleg dafür, "dass die Türkei ein Unrechtsstaat ist", sagte die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einem "Willkürurteil, das kritische und unabhängige Berichterstattung dauerhaft kriminalisiert". Offensichtlich sei Rache das alles bestimmende Motiv der türkischen Justiz gegen die Kritiker von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.

"Politisches Urteil"

Yücel twitterte: "Dass die Richter entschieden haben, lieber das Verfassungsgericht bloßzustellen als den Staatspräsidenten, (...) zeigt einmal mehr, wie es um die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land bestellt ist: erbärmlich". In einem ersten Statement für "welt.de" sprach er von einem "politischen Urteil, wie die ganze Geschichte meiner Verhaftung politisch motiviert war".

Das Urteil sieht Yücel dennoch gelassen: Er sei inhaftiert worden, weil er seine Arbeit als Journalist gemacht habe. "Natürlich wäre ein Freispruch nicht nur rechtlich zwingend, sondern auch erleichternd gewesen. Aber letztlich ist mir dieses Urteil egal, es hat auch keine praktischen Auswirkungen."

Amnesty Deutschland erklärte, die Verurteilung Yücels zeige, dass die Verfolgung von kritischen Journalisten in der Türkei unvermindert weitergehe. "Laut Amnesty sitzen derzeit rund 100 Medienschaffende in türkischen Gefängnissen - mehr als in jedem anderen Land der Welt.

Yücel hatte von Februar 2017 an gut ein Jahr lang in der Türkei im Gefängnis gesessen hatte, davon zehn Monate in Isolationshaft. Der ehemalige Türkei-Korrespondent der Zeitung "Welt" hatte sich in einigen Artikeln kritisch über den Kurdenkonflikt und den Putschversuch im Juli 2016 geäußert. Daraufhin hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Yücel als "PKK-Vertreter" und "deutschen Agenten" bezeichnet. Im Februar 2018 konnte Yücel nach Deutschland zurückkehren. Ende Juni 2018 begann der Prozess in Istanbul in seiner Abwesenheit.