Der Sozialverband VdK in Nordrhein-Westfalen befürchtet nachteilige Folgen der Corona-Pandemie für arme, kranke, behinderte und ältere Menschen. Die Bewältigung der Corona-Krise dürfe nicht auf Kosten sozial benachteiligter Gruppen gehen, mahnte der VdK-Landesvorsitzende Horst Vöge am 16. Juli in Düsseldorf. "Durch unsere 370.000 Mitglieder wissen wir, dass vielfach aus Angst, Hilflosigkeit oder fehlender Unterstützung starke persönliche Einbußen hingenommen werden - etwa bei der gesundheitlichen Versorgung."

Auch mit Blick auf eine mögliche zweite Corona-Infektionswelle fordert der Sozialverband deshalb von Land und Kommunen eine Bilanz der bisherigen Krisenbewältigung. Damit könnten Schlussfolgerungen für die künftige Gestaltung der Gesundheits- und Sozialpolitik gezogen und sozialen Folgewirkungen besser vorgebeugt werden, sagte Vöge.

In dem Fazit sollte nach Einschätzung des VdK unter anderem bilanziert werden, wie Krankenhäuser, Pflege- und Bildungseinrichtungen auf die Pandemie reagiert haben. Mögliche Benachteiligungen von Älteren, Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderung seien zu prüfen. "Pflegebedürftige gehören zu den am schwersten Betroffenen in der Corona-Krise", unterstrich Vöge. "60 Prozent aller Verstorbenen sind von Pflegeheimen oder Pflegediensten betreute Menschen. Deren Anteil an infizierten Personen beträgt aber nur 8,5 Prozent."

Mit Sorge registriert der VdK in diesem Zusammenhang auch die hohen Infektionsraten beim Pflegepersonal: "Der Anteil infizierter Mitarbeiter ist in ambulanten Pflegediensten doppelt so hoch wie in der Normalbevölkerung, in stationären Einrichtungen sogar sechsmal so hoch", gab Vöge zu bedenken. Hier habe es im Verlauf der Krise zu wenig Vorsorge gegeben. Deshalb müsse es künftig eine dauerhafte und ausreichende Versorgung mit Schutz- und Desinfektionsmitteln, systematische und regelmäßige Tests bei den Bewohnern und eine bessere Vergütung für das Personal geben.

Auch die häusliche Pflege und die vielen pflegenden Angehörigen dürften im Zuge der Corona-Krise nicht aus dem Blick geraten, mahnte der VdK-Landeschef. Denn über 75 Prozent der Pflegebedürftigen - allein rund 420.000 in NRW - würden zu Hause durch Angehörige versorgt. Doch hätten sich viele dieser Menschen in der Ausnahmesituation von Bund und Land benachteiligt gefühlt. Notwendig seien daher Sofort-Hilfe-Pakete mit Leistungen wie Lohnersatz für berufstätige pflegende Angehörige sowie Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder.

Der VdK warnte außerdem davor, dass im Zuge der Corona-Krise wichtige Projekte wie die bis 2022 geplante Barrierefreiheit im öffentlichen Nahverkehr, die Stärkung von sozialen Versorgungsstrukturen in der Fläche und der weitere Ausbau der digitalen Infrastruktur vernachlässigt werden könnten. Auch bei der Schaffung gleicher Bildungschancen müsse es weiter vorangehen. So dürften etwa Kinder aus einkommensschwachen Haushalten nicht "digital ausgegrenzt" werden, weil das Geld für Computer fehle. All diese Themen gehörten weiterhin "ganz oben auf die Agenda".

Die Kosten der Corona-Krise will der VdK "sozial gerecht verteilt" sehen und befürwortet die Erhebung einer einmaligen Abgabe für Vermögen über dem Freibetrag von mindestens einer Million Euro. Auch die SPD hat bereits eine entsprechende "Reichen-Steuer", von der selbstbewohnte Häuser und Wohnungen aber ausgenommen werden sollen, zur Diskussion gestellt. Union und mittelständische Unternehmen halten dagegen nichts von der Idee.