Saarbrücken (epd). Die am zweiten saarländischen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung beteiligten Verbände und Einrichtungen dringen auf eine schnelle Umsetzung der geplanten Maßnahmen. "Damit die weiteren beschlossenen Projekte zeitnah umgesetzt werden, müssen die verantwortlichen Ministerien jetzt einen konkreten Maßnahmenkatalog mit Kostenplanung, der Benennung von Verantwortlichen und einer konkreten Zeitplanung vorlegen", sagte der Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes, Thomas Otto, am 17. Juni in Saarbrücken. Sozialministerin Monika Bachmann (CDU) erklärte: "Wir werden gemeinsam einen Weg gehen, der noch lang ist."
Der Aktionsplan mit seinen Sofortmaßnahmen und längerfristigen Zielen sei "ein Auftakt für einen weiteren Prozess", betonte Bachmann. "Es ist ein wirklich guter Anfang gemacht, nicht glücklich, aber zufrieden sind wir." Zu den Sofortmaßnahmen zählen eine Energiesicherungsstelle sowie ein Notfallfonds Stromsperren für arme Haushalte, beitragsfreie Mittagessen für Kinder von Geringverdienern, der Ausbau eines Pilotprojekts zu Frühe Hilfen in Geburtskliniken, die Einrichtung oder der Ausbau weiterer Kinderhäuser sowie ab 2021 ein Sozialticket für den öffentlichen Nahverkehr.
Der Aktionsplan wurde interministeriell in einem Beirat zur Armutsbekämpfung entwickelt, zu dem unter anderem Sozialverbände, Kirchen, Städte- und Gemeindetag, die Arbeitskammer und die Saarländische Armutskonferenz gehören. Von Mai 2018 bis Februar 2020 hätten sie insgesamt zehnmal getagt, berichtete Bachmann. Der Plan beinhaltet sowohl bereits bekannte Maßnahmen als auch spezielle Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Wohnraum, Kinderarmut und Bildung, Langzeitarbeitslosigkeit sowie Mobilität. Der Plan enthält allerdings auch einen von Städte- und Gemeinde- sowie Landkreistag geforderten Finanzierungsvorbehalt.
Diakonie Saar: Strukturelle Bekämpfung von Armut im Vordergrund
Die Geschäftsführerin der Diakonie Saar, Anne Fennel, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass in hartem Ringen ein Plan entstanden sei, der greife und umsetzbar sei. "Es ging darum einen seriösen Plan zu erstellen und nicht schlicht Worthülsen zu verkünden, aus denen dann nichts wird." Alle Maßnahmen seien daran zu messen, "dass sie bei den von Armut betroffenen Menschen direkt ankommen und dort nachhaltig spürbar sind", betonte Fennel.
Es müsse grundsätzlich um die strukturelle Bekämpfung von Armut und Armutsursachen gehen, betonte Fennel mit Blick auf zukünftige Themenbereiche. So müsse es bundesweit um die Bemessung von Sozialleistungen und das Thema Kindergrundsicherung gehen. Gerade um Chancengleichheit herstellen zu können, bräuchten Kinder aus armen Familien bessere Unterstützung.
Außerdem müssten bei weiteren Besprechungen die von Armut betroffenen Menschen stärker eingebunden werden. "Wir müssen einfach immer aufpassen, da greifen wir uns als Sozialverbände auch an die eigene Nase, dass wir nicht aus einer Professionalität heraus sagen, wir wissen schon, was für die anderen gut ist", betonte sie.
Armutskonferenz wirbt für Empathie
Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende der Saarländischen Armutskonferenz, Wolfgang Edlinger. Die Lebenswirklichkeit armer Menschen müsse immer im Blick sein. In der aktuellen Sozialpolitik würden sie oft als zu minimierender Kostenfaktor gesehen, die an ihrer Lage selbst Schuld seien. Dieses gesellschaftliche Bild müsse sich ändern.
"Nur, wenn wir Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit zur Maxime unseres Handelns machen, kann der vorliegende Plan gelingen", betonte er. Im Gegensatz zum ersten Aktionsplan sei ein Handlungsrahmen erarbeitet, der vordringliche Maßnahmen beschreibe. "Wenn wir es jetzt nicht schaffen, dann können wir einpacken."
Der Beirat bestimmt den Angaben zufolge über die Mittelzuweisung aus dem Sonderfonds der Landesregierung zur Armutsbekämpfung. Dieser sieht der Ministerin zufolge für die Jahre 2019 und 2020 jeweils 500.000 Euro vor. Da das vergangene Jahr nur aus Beratungen bestanden habe, stehe nun eine Million Euro zur Verfügung.
Der erste Aktionsplan zur Armutsbekämpfung erschien bereits 2013. Im Jahr 2015 erschien ein Armuts- und Reichtumsbericht, Anfang 2017 der erste saarländische Familienreport. Der neue Aktionsplan für das Saarland verzögerte sich zuletzt wegen der Corona-Pandemie erneut.