Sterbende Kinder, trauernde Mütter und protestierende, ausgemergelte Arbeiter: Es sind Szenen der Verzweiflung, die Käthe Kollwitz (1867-1945) in ihrem Zyklus "Ein Weberaufstand" festhält. Die Grafik-Serie verschaffte ihr 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung den Durchbruch. Mit dem Werk übersetzte die Künstlerin den historischen Weberaufstand von 1844 in ihre Gegenwart, um auf die elenden Lebensbedingungen der Berliner Arbeiter aufmerksam zu machen.

Heute, rund 120 Jahre nach der Entstehung der Bilder, fühlten sich die Menschen immer noch emotional angesprochen, stellt Josephine Gabler fest, Direktorin des Berliner Käthe-Kollwitz-Museums: "Kollwitz drückt essenzielle menschliche Zustände aus, die jeder nachvollziehen kann."

Am 22. April jährt sich der Todestag der Künstlerin zum 75. Mal. Sie habe sich immer so ausdrücken wollen, dass andere Menschen sie verstehen, sagt Hannelore Fischer, Direktorin des Kölner Käthe Kollwitz Museums: "Sie wollte das künstlerisch darstellen, was die Menschen bewegt und womit sie selber etwas bewegen kann." Kollwitz selbst erklärte einmal: "Ich bin einverstanden, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind."

"Sie hat um jedes Motiv gerungen"

Trauer, Schmerz, Tod und Leid, aber auch die Beziehung zwischen Mutter und Kind sind zentrale Themen ihres Werks. Sie verarbeitete das, was sie erlebte: zwei Weltkriege, die Not während der Wirtschaftskrise in der Zeit der Weimarer Republik und die Nazi-Herrschaft. Ihre Lithografien, Radierungen, Holzschnitte oder Zeichnungen sind meist in Schwarz-Weiß oder Brauntönen gehalten. Die fehlende Farbigkeit reduziert den Ausdruck der Bilder auf das Wesentliche.

Kollwitz gilt als herausragende Meisterin der Druckgrafik und der Zeichnung. "Was sie als Künstlerin auszeichnet, ist, dass sie um jedes Motiv gerungen hat", sagt Fischer. Bis zu 30 Vorzeichnungen entstanden für jede Druckgrafik.

Das zeichnerische Talent der Künstlerin, die am 8. Juli 1867 in Königsberg als Käthe Schmidt zur Welt kam, wurde früh durch ihren Vater gefördert. Sie begann ihre künstlerische Ausbildung in Königsberg und studierte von 1888 bis 1890 an der Münchner Künstlerinnenschule. Im Alter von 23 Jahren heiratete sie ihren Jugendfreund, den Arzt Karl Kollwitz.

Als erste Frau in der Preußischen Akademie der Künste

Das Paar zog nach Berlin, wo Karl Kollwitz im Bezirk Prenzlauer Berg eine Kassenarzt-Praxis führte. Hier erlebte die junge Frau das Elend der Arbeiterfamilien, das sie in zahlreichen Zeichnungen und Grafiken festhielt. 1919 wurde sie als erste Frau in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen.

"Sie hat auch für heutige Künstlerinnen noch eine starke emotionale Bedeutung, weil sie für Frauen in der Kunst ganz viel angeschoben hat", sagt Gabler. Ein tiefer Einschnitt in Käthe Kollwitz' Leben war der Tod ihres jüngeren Sohnes Peter: Er wurde 1914 als Soldat im Ersten Weltkrieg getötet. Der 18-Jährige hatte sich freiwillig gemeldet und war gegen den Willen des Vaters, aber mit Unterstützung der Mutter in den Krieg gezogen.

Den Schmerz und die Gewissensbisse verarbeitete Kollwitz unter anderem in zahlreichen Selbstporträts. Die Skulptur "Die trauernden Eltern" wurde 1932 auf dem Soldatenfriedhof im belgischen Roggevelde aufgestellt und befindet sich heute auf dem Soldatenfriedhof Vladslo in Belgien, wo auch das Grab von Peter Kollwitz ist. Später folgte noch die Plastik "Mutter mit totem Sohn", die einer Pietà ähnelt. Eine vergrößerte Kopie steht in der "Neuen Wache" in Berlin und erinnert an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

Glühende Pazifistin

Kollwitz wurde durch den Tod des Sohnes zur glühenden Pazifistin. Sie gehörte keiner Partei an, sah sich aber selbst als Sozialistin. Der Konflikt mit den Nationalsozialisten war programmiert. Nach der Machtübernahme Hitlers wurde sie gezwungen, aus der Preußischen Akademie der Künste auszutreten. Die Nazis diffamierten ihre Kunst als "entartet".

1943 wurde ihr Wohnhaus in der heutigen Kollwitzstraße durch Luftangriffe zerstört. Sie hatte Berlin zuvor verlassen. 1944 folgte sie einer Einladung Prinz Heinrichs von Sachsen, auf seinem Hof in Moritzburg zu wohnen. Dort starb sie wenige Tage vor Kriegsende am 22. April 1945.

Die Pflege des Erbes von Käthe Kollwitz liegt heute in der Hand privater Institutionen. Das Käthe Kollwitz Museum in Köln, das über die weltweit größte Sammlung ihrer Werke verfügt, wurde von der Kreissparkasse Köln gegründet. Diese hatte 1983 Werke von den Erben gekauft und damit dafür gesorgt, dass das Konvolut nicht auseinandergerissen wurde. Das Berliner Käthe-Kollwitz-Museum wurde 1986 mit Hilfe der Stiftung eines Kunsthändlers gegründet. Es ist derzeit in einer Gründerzeit-Villa in Charlottenburg untergebracht, soll aber 2022 in den geräumigeren Theaterbau des Schlosses Charlottenburg umziehen.