Dr. Tedros verzieht keine Miene. Er rückt seine Brille zurecht, vermeidet es, mit den Fingern sein Gesicht zu berühren. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation nimmt die Kameras fest in den Blick. Im Krisenzentrum der WHO beginnt er langsam zu sprechen.

Schon der erste Satz ist dramatisch, es geht um die Ausbreitung der Atemwegserkrankung Covid-19: "In den vergangenen zwei Wochen ist die Zahl der Covid-19-Fälle außerhalb Chinas um das dreizehnfache gestiegen, die Zahl der betroffenen Länder hat sich verdreifacht." Nach dem Einstieg braucht Tedros noch fünf Sätze, dann kommt ein Wort über seine Lippen: "Pandemie."

Lässiges Lachen

Dem WHO-Chef blieb angesichts der eskalierenden Corona-Krise keine andere Wahl, als den Ausbruch als Pandemie einzustufen. Eine Pandemie gilt als die ernsthafteste Form einer sich global ausbreitenden Infektionskrankheit.

Im WHO-Krisenreaktionszentrum verfolgt Tedros seit Wochen auf den Monitoren wie das Corona-Virus um sich greift. Wie es ein Land nach dem anderen befällt. Gefährlich ist das Virus vor allem für alte Menschen und solche mit Vorerkrankungen.

Der eskalierende Notstand nimmt dem Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus, wie er mit vollem Namen heißt, seine Unbekümmertheit. Das lässige Lachen, das zu den Markenzeichen des fünffachen Familienvaters gehört, zeichnet sich kaum noch auf seinem Gesicht ab.

Keine Anweisungen

Corona markiert die erste ganz große Bewährungsprobe für den WHO-Chef, der das Amt Mitte 2017 übernahm: Der frühere Außenminister und Ex-Gesundheitsminister aus Addis Abeba koordiniert als globaler Virenjäger den Kampf gegen Covid-19. Er und seine Experten beraten und unterstützen die mehr als 190 WHO-Mitgliedsländer.

Der Immunologe Tedros, der einen Doktortitel in "Community Health" erwarb, kann den Staaten jedoch keine Anweisungen geben. Er verschreibt die Medizin, die Medizin schlucken müssen andere. Bislang haben Tedros und seine WHO im Kampf gegen Covid-19 nach Meinung vieler Experten eine gute Figur gemacht. "Der WHO-Generaldirektor hat die richtige Balance zwischen Information, Aufklärung und Warnung gefunden", urteilt Christoph Bonsmann, Vorstand des Deutschen Medikamenten-Hilfswerks action medeor. Tedros habe weder zu spät noch panikartig reagiert.

Dass Tedros den Corona-Ausbruch erst dann zu einer Pandemie erklärte, nachdem weit über 100 Länder betroffen waren, löste jedoch einige Diskussionen aus. Es war "sicher nicht zu früh", sagt der Epidemiologe Marcel Salathé aus dem Schweizer Lausanne. Es gebe keinen perfekten Zeitpunkt, eine Pandemie auszurufen, gibt er zu bedenken.

Lob für China, Sorge um Afrika

Für einiges Kopfschütteln sorgte zu Beginn der Krise das penetrante Lob für Chinas Führung aus dem Munde des WHO-Chefs. "China setzt derzeit neue Maßstäbe bei der Reaktion auf einen Ausbruch", hatte Tedros im Januar versichert. Als Chinas Präsident Xi Jinping den WHO-Chef empfing, vermittelten Bilder den Eindruck eines Besuchs bei Hofe. Xi der Herrscher, Tedros der Bote.

Die "größte Sorge", die den ersten afrikanischen WHO-Chef umtreibt, betrifft seinen eigenen Kontinent: Was passiert, wenn das Corona-Virus die Menschen in Afrika flächendeckend angreift? Inzwischen meldeten über zehn afrikanische Staaten Infektionen. Die meisten Länder Afrikas und ihre Einwohner leiden unter schwachen Gesundheitssystemen - das Virus könnte dort und auch in anderen armen Regionen besonders viele Todesopfer fordern.

Wie zermürbend eine Kampagne gegen eine Epidemie gerade in Afrika sein kann, weiß Tedros nur zu gut. Mitte 2018 brach die hochansteckende Krankheit Ebola im gewaltgeplagten Nordosten der Demokratischen Republik Kongo aus. Tedros beorderte ein Großaufgebot von Ärzten und Seuchenexperten in das Gebiet, reiste selbst regelmäßig hin. In diesen Tagen, nachdem rund 2.260 Menschen starben, klingt die Ebola-Epidemie aus. Wenn bis zum 12. April kein neuer Fall auftaucht, wird der Ausbruch offiziell als beendet erklärt. Das wäre ein Erfolg für Tedros, ein Erfolg in schwierigen Zeiten.