Sie waren geprägt vom "Bankrott der alten Gesellschaft" nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Künstler um den Schriftsteller André Breton mit seinem 1924 in Paris veröffentlichten "Manifest des Surrealismus" teilten die Ablehnung von Materialismus, Rationalismus und Kapitalismus. Sie suchten eine darüber, in Traum und Unbewusstem liegende Wirklichkeit zu erfassen und für die Freiheit in der Gesellschaft zu kämpfen. Bekannt wurden vor allem männliche Vertreter wie Salvador Dalí, Max Ernst, Marcel Duchamp oder René Magritte. Künstlerinnen waren aber genauso Teil des Surrealismus - ihnen widmet die Schirn-Kunsthalle in Frankfurt am Main ihre erste große Ausstellung des Jahres unter dem Titel "Fantastische Frauen. Surreale Welten von Meret Oppenheim bis Frida Kahlo".

Die bis 24. Mai geöffnete Ausstellung zeigt rund 260 Gemälde, Papierarbeiten, Skulpturen, Fotografien und Filme von 34 Künstlerinnen aus Europa, den USA und Mexiko. Die Schau vervollständige ein wesentliches Kapitel der Kunstgeschichte, betont Direktor Philipp Demandt.

Auch weniger bekannte Künstlerinnen

Diejenigen Künstlerinnen sind nach den Worten der Kuratorin Ingrid Pfeiffer zu sehen, die direkt mit der von André Breton und seinen Freunden gegründeten surrealistischen Bewegung persönlich oder durch Ausstellungen verbunden waren. Neben bekannten Namen wie Louise Bourgeois, Frida Kahlo, Leonora Carrington, Meret Oppenheim oder Dorothea Tanning sind zahlreiche weniger bekannte Persönlichkeiten wie Leonor Fini, Alice Rahon oder Kay Sage aus mehr als drei Jahrzehnten surrealistischer Kunst zu entdecken.

"Der qualitative und quantitative Beitrag von Künstlerinnen zum Surrealismus ist bisher nur von Fachleuten beleuchtet worden", führt Demandt ein. Die Künstlerinnen verwendeten die gleichen Elemente wie die Künstler, aber ein zentrales Thema griffen sie anders auf: den weiblichen Körper. Die Künstler hätten häufig abgeschnittene Frauenkörper ohne Kopf dargestellt, erklärt die Kuratorin Ingrid Pfeiffer. "Die Surrealisten verherrlichten die Frauen in ihren Schriften, in ihren Kunstwerken zerlegten sie sie."

Die Surrealistinnen suchten nach den Worten von Pfeiffer selbstbewusst ein neues weibliches Identitätsmodell. So kehrt beispielsweise Leonor Fini (1907-1996) in ihren Bildern die traditionellen Motive von Frau und Mann um. Junge Männer liegen nackt schlafend, während Frauen oder weibliche Wesen über ihnen wachen. "Fini deutet die schlafende Venus von Tizian in einen schlafenden Eros um", interpretiert Pfeiffer.

Motive indigener Völker

Ebenfalls selbstbewusst, aber androgyn stellt sich Claude Cahun (1894-1954) auf ihren kleinformatigen schwarz-weißen Fotografien dar. Mal blickt sie grimmig mit kurzer Frisur, mal trägt sie Glatze oder hält eine Hantel auf dem Schoß (Selbstporträt 1927). Später stand Cahun auf der Kanalinsel Jersey im Widerstand gegen die deutschen Besatzer "ihren Mann". Sie wurde gefasst und 1944 zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde nicht vollstreckt, aber Cahun litt bis zu ihrem Tod unter den Folgen der Haft.

Die Künstlerinnen griffen auch Motive außereuropäischer Kunst indigener Völker auf. Paradebeispiel dafür sind Gemälde von Frida Kahlo (1907-1954): Im "Selbstbildnis mit Dornenhalsband" (1940), das Kahlo während der Trennung von ihrem Mann Diego Rivera malte, trägt sie einen Dornenkranz um den Hals, von dem Blut heruntertropft. An den Dornen hängt ein Kolibri, "aufgespannt wie Christus am Kreuz", beschreibt Pfeiffer. Der Kolibri stehe für den aztekischen Sonnengott und sei ein Hoffnungssymbol, die Schmetterlinge auf dem Kopfschmuck ein Zeichen für Verwandlung und Neuanfang. "Kahlo verwebt präkolumbianische und christliche Kunst", erklärt Pfeiffer. Sie habe ihre Ikonographie geschaffen "wie vor ihr kein anderer Künstler".