Berlin, Düsseldorf (epd). Die Bundesregierung bringt das Gesetz zum Kohleausstieg auf den Weg und löst damit Proteste aus. Am 29. Januar beschloss das Kabinett den Entwurf, der vorsieht, dass die Stein- und Braunkohlekraftwerke in Deutschland bis spätestens 2038 abgeschaltet werden - wenn möglich schon bis 2035. Kraftwerksbetreiber sollen Entschädigungen in Höhe von bis zu 4,35 Milliarden Euro erhalten. In die betroffenen Regionen fließen rund 40 Milliarden Euro Finanzhilfen. Klimaschützer üben massiv Kritik: an dem Zeitplan, an den Entschädigungen und am geplanten Start eines neuen Kraftwerks.
Der erste Braunkohle-Kraftwerksblock soll noch in diesem Jahr im Rheinland stillgelegt werden. Im Jahr 2032 soll zudem überprüft werden, ob der Kohleausstieg auch schon im Jahr 2035 abgeschlossen werden kann. Die letzten Kraftwerke sollen laut Entwurf bis zum 31. Dezember 2038 von Netz gehen. Während bei der Braunkohle der Terminplan für die Stilllegung der Kraftwerke schon im Entwurf steht, muss er bei den Steinkohlekraftwerken noch festgelegt werden.
Kritik an "Datteln 4"
Umweltorganisationen beanstanden indes, dass das Steinkohlekraftwerk "Datteln 4" in Nordrhein-Westfalen trotz der Ausstiegspläne noch ans Netz gehen soll. Der Zeitplan weiche zudem von den im Kohlekompromiss vor einem Jahr vereinbarten Terminen ab: Kraftwerke gingen zu spät vom Netz, wodurch deutlich mehr Treibhausgase ausgestoßen würden. Die Kritiker hoffen, dass der Entwurf im Bundestag diesbezüglich noch einmal geändert wird. Auch im Bundesrat muss das Gesetz noch beraten werden, bevor es Inkrafttreten kann. Das Gesetzgebungsverfahren soll nach Willen der Regierung im ersten Halbjahr 2020 abgeschlossen werden.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigte den Entwurf. Damit werde "die Kohleverstromung in Deutschland rechtssicher, wirtschaftlich vernünftig und sozial ausgewogen" beendet, erklärte er. Er erläuterte, dass die Inbetriebnahme von "Datteln 4" nicht verhindert werde, weil dies "eine sehr teure Entschädigung geworden" wäre. Er verwies darauf, dass dies das modernste Kraftwerk sei: Es könne jederzeit die Produktion herunterfahren, "wenn die Sonne scheint und der Wind weht".
Im Gegenzug sollten alte Kohlekraftwerke früher stillgelegt werden. Einige Steinkohlekraftwerke, die das betreffe, würden in den kommenden Wochen benannt, kündigte Altmaier an. "Dann wird jeder ausrechnen können, dass wir unterm Strich nicht mehr, sondern weniger CO2 emittieren."
Die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) appellierte an das Bundeswirtschaftsministerium, nun schnell über Investitionen in die wirtschaftliche Zukunft des Saarlandes zu entscheiden, etwa mit dem verstärkten Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in der Region. Auch sei eine Entschuldung der Kommunen durch den Bund dringend notwenig. Auch die Wettbwerbsfähgikeit der Stahlindustrie bedürfe deutlich größerer Anstrengungen durch die Bundesregierung und die EU. "Unter dem Strich sind die Impulse aus Strukturstärkungs- und Kohleausstiegsgesetz ein wichtiger Schritt für unser Land, im Vergleich zu den Regelungen für die Braunkohle aber unzureichend", kritisierte sie.
"Verursacherprinzip ausgehebelt"
Umweltorganisationen hatten während der Kabinettssitzung am Morgen vor dem Kanzleramt protestiert. Vertreter der Klimabewegung kündigten weitere Protestaktionen an. "Wir werden nicht zulassen, dass in Deutschland weitere 18 Jahre Kohle verstromt wird", hieß es auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Greenpeace, Fridays for Future, Grüner Liga, Campact, "Ende Gelände" und "Alle Dörfer bleiben". Dass mit dem Gesetz der Kohlekompromiss eins zu eins umgesetzt werde, sei eine "dreiste Lüge".
Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, kritisierte die Entschädigung der Kraftwerksbetreiber für das Abschalten von Anlagen. "Sie hebeln das Verursacherprinzip aus, demzufolge derjenige, der emittiert, entsprechend zahlen soll." Nun bekämen diejenigen Geld, die den Schadstoffausstoß einstellen. Deswegen hätten die Betreiber einige Kraftwerke länger als wirtschaftlich darstellbar am Netz gelassen, "um nun Entschädigungszahlungen zu erhalten".
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) forderte Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren, um die Absicherung von Beschäftigten in der Steinkohle abzusichern. Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz mahnte: "Unbillige soziale Härten und betriebsbedingte Kündigungen müssen im Kohleausstieg verhindert werden."