Michèle hat eine innige Liebesbeziehung zu ihrem Schatz. In ihren Augen ist er das perfekteste Wesen der Welt. Nur einen Nachteil hat er: Er ist zu groß, um ihn mit ins Bett zu nehmen: Michèle liebt die Boeing 737-800. Ihre Wohnung ist vollgestopft mit Modellflugzeugen und Fotos von dem Flugzeug. Da ihre große Liebe nun mal nicht komplett in ihre Wohnung passt, kuschelt sie nachts mit einer original Tragflächenspitze des Fliegers. Ihr größter Traum: "Zusammen mit meinem Liebling in einem Hangar zu wohnen."

Michèle ist eine von vier Menschen, die die Künstlerin Kathrin Ahäuser in ihrer Videoarbeit zum Thema Objektsexualität vorstellt. Die Liebesbeziehung zwischen Mensch und Ding ist ein noch relativ neues und bislang wenig erforschtes Phänomen. Es ist sozusagen die Extremform der innigen Beziehung zwischen Mensch und Objekt, mit der sich rund 20 Künstler in der neuen Wechselausstellung im Leverkusener Museum Morsbroich auseinandersetzen.

"Liebes Ding"

Unter dem Titel "Liebes Ding" sind rund 40 künstlerische Arbeiten zu sehen, die das Verhältnis des Menschen zu den Dingen in seinem Besitz hinterfragen. Gezeigt werden bis zum 26. April Skulpturen, Gemälde, Fotografien, Videos und Rauminstallationen von Künstlern wie dem deutschen Fotografen Andreas Gursky, dem Österreicher Erwin Wurm, dem dänischen Kollektiv Superflex oder der niederländischen Glaskünstlerin Maria Roosen.

Die Arbeiten kreisen um die Frage, warum Menschen nach Dingen streben und welche Beziehung sie zu ihrem Besitz entwickeln. Oft werde in den Werken ein schizophrenes Verhältnis zu den Dingen sichtbar, sagt Ausstellungskurator Fritz Emslander. "Wir wissen um die Konsequenzen des Konsums und doch fällt es uns schwer, unser Verlangen nach den Dingen zu zügeln."

Zwar ist es der Mensch, der die Objekt-Welt um sich herum geschaffen hat, um sein Leben angenehmer zu machen. Doch der künstlerische Blick auf die Situation zeigt, dass die Dinge nicht selten die Herrschaft ergreifen, ohne dass der Besitzer es bemerkt. Die niederländische Künstlerin Melanie Bonajo fotografierte Frauen an die Dinge gefesselt, die ihren Alltag bestimmen: Das Fahrrad, das Bügelbrett, der Geschirr-Abtropfständer, eine Farbrolle schränken die Bewegungsfreiheit komplett ein.

Die Künstlerin selbst versucht nach eigener Aussage, möglichst wenig Dinge zu besitzen, weil sie sie als Ballast empfindet. "Wie viel Zeit vergeudete ich damit, mich um meine Sachen zu kümmern?", fragt sie. Denn alle Besitztümer wollen gepflegt und weggeräumt werden. Erstaunliche Erkenntnis: Trotz technischer Neuerungen sei die Arbeitszeit für den Haushalt in den vergangenen 100 Jahren etwa gleichgeblieben, sagt Emslander. Der Grund: "Wir haben heute viel mehr Dinge und eine größere Wohnfläche."

Prada-Schuhe auf einem Altar

Dennoch werden wir immer verleitet, noch mehr Dinge zu kaufen. Den verführerischen, wenn auch kalten Charme der Konsumwelt verdeutlichen die Fotografien von Erwin Olaf und Andreas Gursky. Olaf lichtete eine schwarzhäutige, nackte Frau ab, die gleichsam mit einem glänzend braunen Ledersofa verschmilzt. Gursky fotografierte die puristische Auslage in einer Prada-Boutique, in der Schuhe wie auf einem Altar präsentiert werden.

Doch allzu oft verlieren die Besitzer schnell das Interesse an einst teuer erstandenen Objekten. Der Frankfurter Künstler Karsten Bott sammelt seit seiner Kindheit Gegenstände aus dem Alltagsleben. Im Museum Morsbroich legte er 55 Quadratmeter Fläche mit Tausenden Gegenständen aus, die den Menschen von der Kindheit bis zu seinem Tod begleiten: Vom Spielzeugauto über die Hochzeitstorte bis zum Gebiss. Der Besucher geht auf einem Holzsteg über dieses Meer aus Dingen. Oft würden diese Gegenstände überhaupt nicht beachtet, sagt Bott. "Ich möchte, dass man wirklich wahrnimmt, was man hat und sieht, dass das eine große Schönheit hat."

Überflutung von Plastikmüll

Die Folgen des überhitzten Konsumverhaltens der Menschheit thematisiert das dänische Künstlerkollektiv Superflex. In einem Video wird die allmähliche Überflutung eines McDonalds-Restaurant gezeigt. Völlig geräuschlos versinken Plastikbecher, Tische, Tresen und Kasse in den Fluten: Ein Sinnbild für den durch die Klimaerwärmung steigenden Meeresspiegel.

Der belgische Künstler Maarten Vanden Eynde blickt auf eine weitere Folge des ungebremsten Konsums. Er bereiste vier Jahre lang die Weltmeere und sammelte Plastikmüll ein. "Plastik verrottet nicht. Das Beängstigende ist, dass das ganze Plastik, das irgendwann einmal weggeworfen wurde, noch immer in irgendeiner Form existiert", sagt Vanden Eynde. Sein Beitrag zur Bewältigung des Plastik-Müllbergs: Die Skulptur "Plastic Reef", für die er einen Teil seines eingesammelten Mülls verarbeitete.