Wegen Bedrohungen gegen sich und seine Familie verzichtet der Bürgermeister der rheinischen Stadt Kerpen, Dieter Spürck (CDU), auf eine erneute Kandidatur. Es gebe eine "zunehmende Verrohung in der ganzen Gesellschaft", sagte der 53-Jährige dem "Kölner Stadt-Anzeiger" und der "Kölnischen Rundschau" (23. Januar). "Soweit mich das selbst betrifft, halte ich das für ein tragbares Berufsrisiko, aber nicht für meine Frau und meine Kinder."

Politik sei "teilweise ein sehr dreckiges" Geschäft geworden. Er habe in seinem Briefkasten die Nachricht gefunden, dass seine Kinder "es zu spüren" bekämen, wenn er sich nicht "intensiver für den Hambacher Wald einsetzen" würde, berichtete Spürck. Auch Gegner der Flüchtlingspolitik hätten versucht, ihn einzuschüchtern. Wenn einem Kind in Kerpen etwas geschehe, dann werde das seinen Kindern "ebenfalls so gehen", sei er gewarnt worden. Auch gab es Ankündigungen, "mir die Mafia auf den Hals zu hetzen oder sich bei mir zu Hause einzuquartieren".

Anfeindungen von rechts wie von Umweltaktivisten

Der Bürgermeister war unter anderem wegen der Aufnahme von Flüchtlingen angegangen worden - in der Stadt findet sich eine zentrale Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge. Auch seine Haltung in der Diskussion um den von der Braunkohle-Abbaggerung betroffenen Hambacher Forst stieß in Teilen der Öffentlichkeit auf Kritik.

In einer persönlichen Erklärung hatte der Bürgermeister seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur bereits vor einigen Tagen bekanntgemacht. Er habe sich "schweren Herzens" zu der Entscheidung durchgerungen, auf eine erneute Kandidatur für die im September anstehende Kommunalwahl zu verzichten, erklärte er darin. Laut einem Sprecher der Stadt hat Spürck wegen der Bedrohungen in einem Fall Anzeige erstattet.

Spürck hatte das Bürgermeisteramt 2015 übernommen. Seitdem habe er "wiederholt Schrammen" an seinem Auto vorgefunden. "Vor meiner Haustüre hat man mir die Luft aus den Reifen gelassen. An der Rathaustüre hingen Beschimpfungen", sagte der Vater von zwei Kindern.

Städte- und Gemeindebund: "Alarmzeichen für die ganze Gesellschaft"

Der Bürgermeister von Kamp-Lintfort, Christoph Landscheidt (SPD), hatte vor rund zwei Wochen eine Diskussion über die Sicherheit von Kommunalpolitikern entfacht, als er wegen Drohungen aus der rechten Szene einen großen Waffenschein beantragt hatte.

Der Städte- und Gemeindebund bezeichnete es als "Alarmzeichen für die ganze Gesellschaft", wenn sich Amtsträger in den Kommunen aus Angst um das Wohl ihrer Familie aus dem politischen Geschäft zurückziehen. "Das Ausmaß der Bedrohungen gegen Bürgermeister Dieter Spürck und seine Familie ist erschütternd", sagte der Hauptgeschäftsführer der Städte- und Gemeindebundes NRW, Bernd Jürgen Schneider, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, seien nun alle Bürger gefordert, "Haltung zu zeigen und sich schützend vor die zu stellen, die sich für das Gemeinwesen einsetzen".

In den vergangenen Jahren wurden mehrfach Bürgermeister oder weitere Amtsträger verletzt oder getötet. 2017 wurde etwa der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU), mit einem Messer angegriffen und verletzt, ebenso wie die spätere Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) im Jahr 2015. In Hessen wurde im Juni 2019 der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) auf seiner Terrasse von einem mutmaßlichen Neonazi erschossen.