Lemgo (epd). Mit einem Gottesdienst hat die evangelische Stiftung Eben-Ezer am 20. November in Lemgo der kranken und behinderten Menschen in der Region gedacht, die in der NS-Zeit Opfer der sogenannten Euthanasie-Morde geworden sind. In seiner Predigt zum Buß- und Bettag rief der Theologische Kirchenrat der Lippischen Landeskirche, Tobias Treseler, zu Widerspruch gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit auf. Christen sollten sich "energisch dafür einsetzen, dass Rassismus in Zukunft keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft einnimmt - weder am Rande noch in der Mitte", forderte der Theologe.
Kirchenrat Treseler ruft zu Widerspruch auf
Erinnerungs- und Gedenkkultur bedeute auch, stets das Bewusstsein und die Maßstäbe des Einzelnen und der Gesellschaft zu schärfen. "Denn wenn wir ernsthaft auf die Vergangenheit blicken, geht es immer auch um unsere Verantwortung für diese Zukunft", sagte Treseler laut Redetext. Deshalb sollte heute menschenverachtenden und ständig die Grenzen des Sagbaren überschreitenden Äußerungen aus der Mitte der rechtspopulistischen Partei AfD deutlich widersprochen werden. "Damit sich unser Land nicht noch einmal vergisst", betonte der Theologe.
Eine neue Biografie über den langjährigen Leiter Eben-Ezers, Herbert Müller (1906-1968), belegt die Beteiligung der diakonischen Stiftung an Zwangssterilisationen während des Nationalsozialismus. Auf der Grundlage des im Jahr 1933 verabschiedeten "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" wurden laut neuester Forschung in Eben-Ezer 94 Bewohner, die meisten von ihnen unter 20 Jahren, unfruchtbar gemacht. In den Folgejahren wurden 87 Frauen und Männer, ein Drittel der Bewohner von Eben-Ezer, verlegt. Viele von ihnen wurden in Vernichtungslagern umgebracht.
Die Stiftung Eben-Ezer hatte bereits 2017 Forschungen über ihre Einrichtungen in der NS-Zeit veröffentlicht. Eine Gedenkstele auf dem Stiftungsgelände erinnert seitdem an 36 Frauen und Männer, die Opfer der systematischen Ermordung von Menschen mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen wurden. Ihre Namen wurden am Mittwoch im Gottesdienst verlesen.
Die 1862 gegründete diakonische Stiftung betreut heute in der Region Lippe rund 3.500 hilfsbedürftige Menschen. Der Schwerpunkt liegt in der Begleitung und Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und psycho-sozialen Problemen.