"Am Anfang hatten wir ein Problem", berichtet Florian Lintz. "Die Studierenden saßen auf der einen Seite, wir auf der anderen." Das war die Ausgangssituation, als die sieben Teilnehmer des Ausbildungslehrgangs "Inklusive Bildung" Anfang November ihren ersten Einsatz als Dozenten an der Technischen Hochschule Köln hatten. Doch das Eis zwischen den Studierenden und den sieben angehenden Inklusions-Fachkräften, die geistige und zum Teil auch körperliche Behinderungen haben, war schnell gebrochen. "Jetzt läuft es", sagt Amandj Hosenyi. Mit Lintz, Hosenyi und ihren fünf Kolleginnen und Kollegen unterrichten erstmals in Nordrhein-Westfalen Menschen mit geistiger Behinderung an einer Hochschule.

Im April begannen sie ihre dreijährige Ausbildung. Aber schon im Rahmen des Lehrgangs sind die angehenden Bildungsfachkräfte als Vermittler in Sachen Inklusion aktiv. Bereits an 15 Veranstaltungen und Seminaren mit rund 300 Studierenden haben sich die Lehrgangsteilnehmer nach Angaben des Instituts für Inklusive Bildung NRW beteiligt. Unter anderem starteten sie ihr eigenes Pilot-Seminar für Studierende des Studiengangs "Pädagogik der Kindheit und Familienbildung" an der Technischen Hochschule Köln.

Seminar "Meine Lebenswelt" gefragt

Das Seminar zum Thema "Meine Lebenswelt" sei von den Studierenden sehr gut angenommen worden, sagt Andrea Platte, Prodekanin an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften. "In dem Seminar geht es darum, zu erklären, wie es ist, mit einer Behinderung zu leben", erklärt Florian Lintz. "Zuerst hatten die glaube ich Angst vor uns", meint Amandj Hosenyi. Doch das habe sich mittlerweile gelegt, betont Lintz. "Die Studierenden sind sehr offen und suchen das Gespräch mit uns."

Bei der Veranstaltung handelt es sich um das erste Praxis-Modul des Lehrgangs. Während der dreijährigen Ausbildung lernen die künftigen Inklusions-Experten, Studierenden und Lehrkräften an nordrhein-westfälischen Hochschulen die speziellen Bedarfe und Kompetenzen von Menschen mit Behinderungen zu vermitteln. Nach Abschluss des Lehrgangs sollen die Bildungsfachkräfte Seminare, Workshops oder Gruppenveranstaltungen an Hochschulen abhalten. Dabei werden sie von einer pädagogischen Assistenz oder einer hauptamtlichen Lehrkraft unterstützt. Themen werden zum Beispiel Barrierefreiheit oder die Anforderungen an einen inklusionsorientierten Arbeitsplatz sein.

Das Eis brechen

Florian Lintz zum Beispiel möchte bei den Studierenden Verständnis dafür wecken, wie es ist, mit einer Lernbehinderung und einer Spastik zu leben. "Woher sollen sie das auch wissen?", fragt der 29-Jährige. "Wenn wir nicht das Eis brechen, können wir das auch nicht von anderen verlangen." In den ersten Seminarsitzungen sei es vor allem darum gegangen, die Lebenswelten der sieben behinderten Lehrgangsteilnehmer mit der der Studierenden zu vergleichen.

Ein Hauptunterschied ist für Lintz: "Sie können sich Schule, Studium oder Job aussuchen. Wir nicht." Die Studierenden hätten schnell festgestellt, dass Menschen mit Behinderungen es in vieler Hinsicht schwerer hätten. "Zum Beispiel auch bei den Hobbys. Ich wollte immer gerne schwimmen, habe aber keinen Verein gefunden, in den ich passe," berichtet Lintz. Letztlich gehe es auch darum, einfach Berührungsängste abzubauen, sagt Lehrgangsteilnehmer Fabian Hesterberg. "Mit uns kann man ganz normal Spaß haben. Und das ist für mich Inklusion."

Nach Abschluss ihrer Ausbildung soll den Bildungsfachkräften eine reguläre Anstellung im ersten Arbeitsmarkt angeboten werden. Dazu ist die Gründung eines Inklusionsunternehmens vorgesehen. Außerdem soll es Kooperationen mit weiteren nordrhein-westfälischen Hochschulen geben. Neben der TH Köln sind nach Angaben des Instituts für inklusive Bildung unter anderem bereits Kontakte zur Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe in Bochum, zur Technischen Universität Dortmund, zur Universität Köln und zur Universität Bielefeld geknüpft.

Gefördert wird das Projekt vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und der Kämpgen-Stiftung. In Schleswig-Holstein wurde ein vergleichbarer Ausbildungsgang bereits erfolgreich abgeschlossen. Derzeit laufen ähnliche Lehrgänge auch in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg.