Nach seiner Entlassung aus der Haft will Brasiliens Ex-Präsident Luíz Inácio Lula da Silva sich wieder politisch einmischen und die Opposition anführen. "Mir geht es gut, und ich werde für dieses Land kämpfen", sagte Lula am 9. November in seiner Heimatstadt São Bernardo do Campo vor Tausenden Anhängern. Er kündigte an, durch ganz Brasilien zu reisen und die linke Opposition gegen die Regierung des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro zu vereinen. Der linke Politiker war am Vorabend nach mehr als eineinhalb Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen worden.

Zuvor hatte das Oberste Bundesgericht entschieden, dass erst nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel eine Haftstrafe vollstreckt werden kann. Lula, der Brasilien von 2003 bis 2010 regierte, war wegen Korruption und Geldwäsche zu mehr als zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er kam nach einem Urteil in zweiter Instanz in Haft. Ein weiteres Berufungsverfahren wurde ihm verwehrt.

Vor seinen Anhängern zeigte sich Lula bereit, wieder Brasilien zu regieren, weil es nicht sein könne, "dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer" werden. Vor allem kritisierte er die Politik von Wirtschaftsminister Paulo Guedes, den er einen "Zerstörer von Hoffnungen, Jobs und Unternehmen" nannte. Bolsonaro bezeichnete er als Schurken, der Brasilien ruiniert habe. Brasilien befindet sich weiter in einer Wirtschaftskrise mit rund zwölf Prozent Arbeitslosigkeit und steigender Armut. Bolsonaro reagierte via Twitter und schrieb: "Lula ist zwar frei, trägt aber noch all seine Verbrechen auf dem Rücken."

Telefonate abgehört

Lula ist der prominenteste Häftling, der von der Entscheidung des Obersten Bundesgerichts profitiert. Laut dem Nationalen Rat der Justiz sind insgesamt 4.895 Gefangene betroffen, davon auch zahlreiche Politiker und Manager, die in den Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras involviert sind. Justizminister Sérgio Moro warnte vor einem Rückschritt bei der Aufklärung von Korruptionsverbrechen.

Brasiliens Justiz hatte es als erwiesen angesehen, dass Lula dem Baukonzern OAS Aufträge bei Petrobras verschafft hat. Als Gegenleistung soll er eine dreistöckige Luxuswohnung im Küstenort Guarujá bekommen haben. Das Urteil gründet sich lediglich auf abgehörte Telefonate und SMS-Wechsel. Lula bestreitet die Vorwürfe und sprach von einer politischen Verfolgung.

Der Ex-Präsident hofft jetzt auf einer Wiederaufnahme des Prozesses und einen Freispruch. Gegen Lula laufen jedoch noch weitere Korruptionsermittlungen. Der Linkspolitiker war im Wahlkampf des vergangenen Jahres als aussichtsreicher Kandidat angetreten. Nach seiner Verurteilung wurde seine Kandidatur für nicht rechtskräftig erklärt.