Der Schriftsteller Sasa Stanisic ist am 14. Oktober in Frankfurt am Main mit dem Deutschen Buchpreis 2019 ausgezeichnet worden. Stanisic erhalte den mit 25.000 Euro dotierten Preis für seinen im Luchterhand-Verlag erschienenen Roman "Herkunft", sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, bei der Preisverleihung. Insgesamt hatte die Jury 203 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2018 und dem September 2019 erschienen sind.

In "Herkunft" erkundet der 1978 in Visegrad (Bosnien) geborene und 1992 nach Deutschland geflüchtete Stanisic das Familienalbum, erinnert sich an die Kindheit in Bosnien, an seine Schulzeit, den Zerfall Jugoslawiens, an die Flucht und die schwierige Ankunft in Deutschland zu einer Zeit, als Asylbewerberheime brannten.

"Dem Erzählen misstraut"

"Sasa Stanisic ist ein so guter Erzähler, dass er sogar dem Erzählen misstraut. Unter jedem Satz dieses Romans wartet die unverfügbare Herkunft, die gleichzeitig der Antrieb des Erzählens ist", heißt es in dem Urteil der Jury. Der Autor adele die Leser mit seiner großen Fantasie und entlasse sie aus den Konventionen der Chronologie, des Realismus und der formalen Eindeutigkeit.

Auf verschlungenen Wegen führe "Herkunft" nach Visegrad, in das Dorf der Großeltern und nach Heidelberg, wo der Halbwüchsige als Kriegsflüchtling landete, führt die Jury weiter aus. "Verschmitzt und behände bleibt der Erzähler stets auf der Hut vor sich selber, mit Klugheit, Humor und Sprachwitz, ohne Zugehörigkeitskitsch und Opferpathos. Sein berückendes Vergnügen am Erzählen macht die bleischweren Themen federleicht - Wundbehandlung mit den Mitteln der Literatur."

Kritik an Handke

Der Autor äußerte sich hocherfreut über die Auszeichnung, kritisierte aber die Verleihung des diesjährigen Literatur-Nobelpreises an Peter Handke. Der österreichische Autor hatte während der Balkankriege in den 90er Jahren für die serbischen Nationalisten Partei genommen und das Milosevic-Regime unterstützt.

Stanisic debütierte mit dem Roman "Wie der Soldat das Grammofon repariert", der in 31 Sprachen übersetzt wurde. Mit "Vor dem Fest" gelang ihm erneut ein großer Wurf. Der Roman wurde 2014 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Für den Erzählungsband "Fallensteller" erhielt er 2016 den Rheingau-Literatur-Preis sowie den Schubart-Literaturpreis (2017). Der Autor lebt und arbeitet in Hamburg.

In die Endauswahl der sogenannten Shortlist hatte die Jury auch folgende Romane aufgenommen: "Das flüssige Land" von Raphaela Edelbauer (Klett-Cotta, August 2019), "Kintsugi" von Miku Sophie Kühmel (S. Fischer, August 2019), "Nicht wie ihr" von Tonio Schachinger (Kremayr & Scheriau, August 2019), "Winterbienen" von Norbert Scheuer (C.H.Beck, Juli 2019) und "Brüder" von Jackie Thomae (Hanser, August 2019). Die fünf Finalisten wurden mit jeweils 2.500 Euro bedacht.

Preisverleihung läutet Buchmesse ein

Der Deutsche Buchpreis wird seit 2005 von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins ausgelobt. Ziel des Preises ist es, über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu schaffen für deutschsprachige Autoren, das Lesen und das Medium Buch. In diesem Jahr gehörten der Jury an der freie Literaturkritiker Jörg Magenau als Sprecher sowie Petra Hartlieb (Hartliebs Bücher, Wien), Hauke Hückstädt (Literaturhaus Frankfurt), Björn Lauer (Hugendubel Frankfurt), Alf Mentzer (Hessischer Rundfunk), Daniela Strigl (Literaturwissenschaftlerin) und Margarete von Schwarzkopf (Autorin und Literaturkritikerin).

Die Preisverleihung findet jeweils zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt. Erst dann erfahren die sechs nominierten Autorinnen und Autoren, an wen von ihnen der Hauptpreis geht. Im vergangenen Jahr wurde der Roman "Archipel" von Inger-Maria Mahlke ausgezeichnet.