Aachen (epd). In Aachen herrscht Uneinigkeit über die Vergabe des Kunstpreises. Auch nach Rückzug der Stadt wegen Antisemitismusvorwürfen gegen Walid Raad wolle man an der Auszeichnung des libanesisch-amerikanischen Künstlers festhalten, sagte Michael Müller-Vorbrüggen vom Verein Freunde des Ludwig Forums dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 2. Oktober. Trotz Recherche habe man keinen Nachweis für eine antisemitische Haltung des Fotokünstlers finden können. Zuvor hatte der WDR darüber berichtet.
Am 30. September hatte die Stadt Aachen die Kooperation mit dem Kunstverein bei der Preisverleihung für dieses Jahr abgesagt. Laut dem Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) erhielt die Stadt Hinweise, dass Raad Anhänger der israelkritischen Organisation BDS (Boykott-Deinvestitionen-Sanktionen) sei und sich mehrfach an Maßnahmen zum kulturellen Boykott Israels beteiligt habe. Raad habe eine Unterstützung der Bewegung auf Nachfrage der Stadt nicht ausräumen wollen und sich auch nicht von der Bewegung distanziert. Vom Landtag NRW wurde der BDS als antisemitisch eingestuft. Auch der Bundestag verurteilte die BDS-Kampagne und ihren Aufruf zum Boykott israelischer Waren als antisemitisch.
Preisverleihung am 13. Oktober
Man respektiere die Entscheidung der Stadt, teilte der Kunstverein mit. Die Freunde des Ludwig Forums seien allerdings ein Kunstverein und hätten "keine politische Bewertung vorzunehmen", sagte Müller-Vorbrüggen. Der Verein bekenne sich selbstverständlich zum Existenzrecht Israels und stelle sich gegen jede Form von Antisemitismus. "Wir unterscheiden diese Haltung aber vom Recht, die derzeitige Politik Israels zu kritisieren, was Walid Raad getan hat", teilte der Verein mit.
Über die Vergabe des Preises wurde bereits im vergangenen Jahr entschieden. Mit seinen Fotografien, Videos, Installationen, Performances und Skulpturen setze sich Raad unter anderem mit den Themen Geschichte und kollektive Erinnerung sowie Tradition und Kunst auseinander, hieß es vonseiten der Jury. Man habe sich unter anderem aufgrund seiner "dezidiert politisch-kritischen Haltung gegenüber Machtstrukturen im Allgemeinen" einstimmig für die Auszeichnung Raads entschieden. Der Preis soll am 13. Oktober vergeben werden. Die Verleihung darf allerdings nicht in städtischen Räumen stattfinden.
Die Auszeichnung wird von dem Kunstverein, der Staat Aachen und der Aachener Wirtschaft vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Der Preis geht alle zwei Jahre an einen Künstler, dessen Werk der internationalen Kunstszene nachhaltige Impulse gibt.
In Dortmund gab es kürzlich einen ähnlichen Fall: Die Stadt entschied sich Mitte September gegen die Vergabe eines Literaturpreises an Kamila Shamsie. Die britisch-pakistanische Autorin hatte sich 2014 am BDS-Boykott beteiligt. Der Dortmunder Literaturpreis ist nach der jüdischen deutsch-schwedischen Autorin Nelly Sachs (1891-1970) benannt.