Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, hat den Mut der Menschen während der friedlichen Revolution vor 30 Jahren in der DDR gewürdigt. In einer Gastpredigt am 6. Oktober in Neuruppin warnte sie zugleich davor, wegen der Enttäuschungen nach der Wiedervereinigung zu verzagen. "Die Treuhand hat nur auf Privatisierung gesetzt. Da war gar keine Kreativität für andere Ideen", kritisierte sie rückblickend. Auch die damalige Hoffung, der "Rüstungswahnsinn" auf der Welt habe ein Ende, habe sich nicht erfüllt. Dennoch brauche es weiter Hoffnungsbilder, um neue Wege zu gehen, sagte sie.

Die frühere hannoversche Landesbischöfin predigte in der Klosterkirche der nordbrandenburgischen Kleinstadt. Wie in vielen Orten der DDR hatten sich dort im Herbst 1989 montags Menschen zum Friedensgebet versammelt und danach für Freiheit und Demokratie demonstriert. Der Westen habe "staunend" und vielleicht sogar neidisch auf den Mut der Menschen in der DDR geschaut, sagte Käßmann. "So viel Zivilcourage - wann hatten wir die denn?" fragte sie vor mehreren hundert Gottesdienstbesuchern.

Dennoch gebe es bis heute Enttäuschungen. "Ich denke an die Niederschlagung der Demokratiebewegung in China, das Ende des Arabischen Frühlings, den Krieg in Syrien, das Gebaren eines Donald Trump", sagte Käßmann und ergänzte: "Das Gehetze gegen Flüchtlinge, Hass, der sich breit macht, Antisemitismus - das schmerzt." Umso mehr seien Menschen gefordert, Hoffnung dagegenzusetzen und eine Sprache gegen den Hass zu finden. Speziell Christen seien herausgefordert, von Barmherzigkeit zu sprechen.