Die KZ-Überlebende Inge Auerbacher warnt vor neuen rechtsextremen Zeiten in Deutschland und Europa. Am 2. September sagte die 84-Jährige im Gespräch mit gut 130 Schülerinnen und Schülern im Düsseldorfer Landtag, sie denke aktuell häufiger an ihre Jahre im Konzentrationslager Theresienstadt. Die Erinnerungen kämen wieder näher, "weil es schon wieder anfängt".

Auerbacher wurde 1934 in Kippenheim in Südbaden geboren. Im Alter von sieben Jahren wurde sie 1942 ins Konzentrationslager Theresienstadt im tschechischen Terezín deportiert, wo viele ihrer nächsten Verwandten starben. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie 1946 mit ihren Eltern in die USA und lebt heute in New York. Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte Auerbacher eingeladen.

Im Landtag traf Auerbacher auf Schüler aus Düsseldorf, Ratingen und Bottrop. Es sei wichtig, dass junge Menschen nicht zu Mitläufern von Rassisten oder Antisemiten würden, betonte die KZ-Überlebende. "Jeder hat die Wahl: Bleibt man ein guter Mensch oder zieht man mit den anderen?", sagte sie. Wer dabeistehe und zusehe, sei "genauso schlimm wie die Täter".

Appell an Flüchtlinge

Auf die Frage einer Schülerin, ob sie sich noch als Deutsche fühle, sagte Auerbacher: "Es bleibt immer etwas, Familie, Freunde, Gräber." Aber Deutschland sei nicht mehr ihre Heimat. "Heimat ist für mich, wo ich wohne", sagte die 84-Jährige. Sie appellierte in diesem Zusammenhang an die Flüchtlinge in Deutschland, sie sollten sich "hier anpassen, die deutsche Sprache lernen und auch etwas tun für das Land, das einen aufnimmt". Sie selbst lebe im Stadtteil Queens in Nachbarschaft zu Christen, Muslimen und Hindus. "Missverständnisse kommen, wenn man die anderen nicht kennt", sagte Auerbacher. "Man muss sich kennenlernen, muss wissen, wie die anderen leben, was sie essen."

Am 3. September wollte Auerbacher den Erinnerungsort "Alter Schlachthof" in Düsseldorf besuchen, von dem aus rund 6.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder von den Nationalsozialisten in die Vernichtungslager deportiert wurden. Die Zeitzeugin, die bereits vor den Vereinten Nationen gesprochen hat, trifft auch Schülerinnen und Schüler aus Dortmund und Neuss. Vor dem Treffen besuchen die Schüler die Aufführung des Theaterstücks "Ein ganz gewöhnlicher Jude", das die Kindheitserinnerungen von Auerbacher in das gleichnamige Stück von Charles Lewinsky integriert.

Laschet: Auerbacher ist wichtige Mahnerin

Am 5. September wurde Auerbacher von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) in der Düsseldorfer Staatskanzlei empfangen. "Es ist unser aller Pflicht, die Erinnerung an das Menschheitsverbrechen Shoa wachzuhalten und in der Gegenwart gegen jede Form von Antisemitismus und Hetze zu kämpfen", sagte Laschet bei dem Besuch. Die 84-jährige Auerbacher sei "eine wichtige Mahnerin", die vor Augen führe, zu was Menschen in ihrer hasserfüllten Ideologie fähig seien." Er sei dankbar dafür, dass die Zeitzeugin mit ihrem Engagement dafür sorge, "dass schon Kinder und Jugendliche dieses dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte kennen und - soweit es bei dieser Barbarei möglich ist - verstehen lernen", betonte Laschet.