Für eine Stärkung der Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen ist am 23. Juli im NRW-Sozialministerium ein neuer Landesrahmenvertrag unterschrieben worden. Gemeinsam mit den Partnern sei ein Vertragswerk erarbeitet worden, das den individuellen Bedarf der Menschen mit Behinderungen noch stärker in den Fokus rücke, erklärten der Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL), Matthias Löb, und die Direktorin des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), Ulrike Lubek. Wohlfahrtsverbände begrüßten die Vereinbarung, mit der das Bundesteilhabegesetz in Nordrhein-Westfalen umgesetzt wird.

Der neue Vertrag über die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen regelt den Rahmen für die Unterstützungsleistungen von etwa 250.000 Menschen mit wesentlichen Behinderungen im Land ab 2020. Der Unterstützungsbedarf für behinderte Menschen wird künftig individuell ermittelt und nach einem einheitlichen System unabhängig von der Wohnform finanziert. Vor allem für Menschen, die in Wohneinrichtungen leben und unterstützt werden, soll dies einen Zugewinn an Selbstbestimmung und eine stärker am individuellen Bedarf und Wunsch ausgerichtete Leistung bringen. Weitere Neuerungen sind die Regelungen zu Qualitätsprüfungen etwa in Werkstätten, die einem besseren Schutz der behinderten Menschen dienen.

Diakonie RWL: Angemessene Fachkraftquote sicherstellen

Bislang werden über 4,9 Milliarden Euro pro Jahr in NRW unter anderem für die Schulbegleitung, die Unterstützung in Werkstätten und Wohneinrichtungen oder im ambulant betreuten Wohnen aufgewendet. Die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und (LWL) und Rheinland (LVR), die kommunalen Spitzenverbände, die Wohlfahrtsverbände sowie die öffentlichen und privaten Leistungsanbieter haben das 200 Seiten starke Vertragswerk unterzeichnet.

Der Chef der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände in NRW, Christian Heine-Göttelmann, verwies darauf, dass es mit dem neuen Landesrahmenvertrag gelungen sei, die bestehenden Tarifregelungen von AWO, Caritas, den Mitgliedsorganisationen des Paritätischen, dem Deutschen Roten Kreuz und der Diakonie zur Grundlage für die Kalkulation der Leistungen zu machen. "Damit können wir eine angemessene Fachkraftquote sicherstellen und können dem Einsatz des Personals in den Diensten und Einrichtungen gerecht werden." Das sei auch eine "Anerkennung für das berufliche Engagement der Beschäftigten", sagte Heine-Göttelmann, der auch Vorstand der Diakonie RWL ist.

Andreas Johnsen von der AWO NRW bezeichnete den Vertrag als solide Grundlage. Es sei gelungen, "ein leistungsfähiges, ortnahes und wirtschaftlich effektives Leistungssystem für Menschen mit Behinderungen weiterzuentwickeln". Der Landesvorsitzende der Lebenshilfe NRW, Gerd Ascheid, lobte die Vereinbarung, appellierte aber auch an alle Beteiligten, Änderungen am Vertrag zügig vorzunehmen, sollten sich bei der Umsetzung Punkte zulasten von Menschen mit Behinderung ergeben. "Die Zeit, dass Menschen mit Behinderung als Bittsteller wahrgenommen werden, ist vorbei", betonte er.

NRW-Sozialminister würdigt Vereinbarungen als "Meilenstein"

Das Bundesteilhabegesetz bringt NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) zufolge für Menschen mit Behinderungen viele Veränderungen. Die in dem Landesrahmenvertrag erzielten Regelungen bezeichnete der Minister als "Meilenstein".

Die neue Vereinbarung war notwendig geworden, weil zum 1. Januar 2020 die Reform der Eingliederungshilfe als dritte Stufe des Bundesteilhabegesetzes in Kraft tritt. Hintergrund des Gesetzes ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die mehr Selbstbestimmung und Teilhabe sowie das Recht auf individuelle Leistungen für Menschen mit Behinderungen vorsieht.