Gütersloh, Dortmund (epd). Kinder und Jugendliche erleben oft Mobbing und Gewalt in ihrem Schulalltag. Außerdem beklagen viele Schüler, dass es zu wenig Vertrauenspersonen für sie gibt, wie die Bertelsmann Stiftung am 3. Juli in Gütersloh mitteilte. Zugleich wollen Heranwachsende laut einer aktuellen Studie der Stiftung mehr mitgestalten. Der Vorstand der Bertelsmann Stiftung, Jörg Dräger, mahnte: "Wir müssen Kinder und Jugendliche ernst nehmen." Der Lehrerverband VBE forderte mehr Mittel für Schülersozialarbeit. Grundlage der Studie "Children's Worlds" im Auftrag der Stiftung sind repräsentative Befragungen von knapp 3.450 Schülern im Alter von acht bis vierzehn Jahren im Schuljahr 2017/18.
Mehr als jeder dritte Schüler in Gesamt- und Sekundarschulen (39 Prozent) ist nach eigenen Angaben im Monat vor der Befragung gehänselt oder geschlagen worden. Etwa jeder dritte Schüler an Haupt- und Realschulen (35 Prozent) sowie an Gymnasien (29 Prozent) berichtet demnach von ähnlichen Erfahrungen. Viele Kinder erlebten in der Schule Ausgrenzung, Hänseleien oder sogar körperliche Gewalt, insgesamt ein Viertel fühle sich an der Schule nicht sicher, sagte Dräger: "Die Politik ist hier gefordert, Kinder und Jugendliche besser zu schützen."
Lehrerverband fordert mehr Schulsozialarbeiter
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW forderte eine deutliche Aufstockung des Personals, um präventive Maßnahmen und Wertevermittlung zu ermöglichen. Wenn Politik die Stimmen der Kinder und die Rückmeldungen aus der Praxis ernst nehme, müsse es im Haushalt 2020 eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Schulen des Landes geben, erklärte der VBE-Landesvorsitzende Stefan Behlau in Dortmund. Die nötige Zeit für Präventionsarbeit sei nur durch ausreichend Personal möglich. "Wir fordern für jede Schule mindestens eine Landesstelle für Schulsozialarbeit", erklärte Behlau.
Von der Schule und Politik fühlten sich Kinder und Jugendliche außerdem zu wenig ernstgenommen und beteiligt, erklärte die Stiftung weiter. Die Kritik nimmt mit dem Alter zu: Lediglich jeder dritte (34 Prozent) der 14-Jährigen kann aus seiner Sicht an der Schule mitbestimmen. Bei den Achtjährigen ist es immerhin noch jeder zweite. Viele Jugendliche vermissen der Studie zufolge in den weiterführenden Schulen Vertrauenspersonen. Je älter die Kinder werden, desto weniger hätten sie das Gefühl, dass ihre Lehrer ihnen zuhörten und sie ernst nähmen, erklärte die Stiftung. Die Studie zeige jedoch auch, dass viele Kinder ihre Rechte nicht oder nicht richtig kennen.
Insgesamt sehen sich Kinder und Jugendliche zwar materiell gut versorgt. Allerdings gab jeder zweite Heranwachsende (52 Prozent) an, sich Sorgen um die finanzielle Situation der Familie zu machen. Diese Kinder würden häufiger gehänselt, ausgegrenzt und absichtlich geschlagen als Gleichaltrige ohne finanzielle Sorgen, hieß es. Sie fühlten sich zu Hause, in der Schule und Nachbarschaft häufiger nicht sicher. Sie besäßen weniger Güter, die in Deutschland zu einer normalen Kindheit gehörten. Auch hätten sie weniger Möglichkeiten, etwas mit ihren Freunden zu unternehmen, das Geld koste.
Zugleich stellten die Jugendlichen ihren Eltern und Freunden ein gutes Zeugnis aus. Sie hörten ihnen in den meisten Fällen zu, nähmen sie ernst und seien bei Problemen für sie da. Wichtigste Themen für Kinder und Jugendliche in Deutschland sind der Studie zufolge Vertrauen, Zugehörigkeit, Sicherheit und Selbstbestimmung.
Die Bertelsmann Stiftung mahnte, die Wünsche der Heranwachsenden in der Politik stärker zu berücksichtigen. Kinder und Jugendliche müssten ernst genommen werden, sagte Dräger. Ziel müsse es sein, Armut zu vermeiden und die Beteiligung zu stärken.