Rom, Bonn (epd). Papst Franziskus hat in einem Brief an die deutschen Katholiken auf die kirchliche Reformdebatte in Deutschland reagiert. In dem am 29. Juni veröffentlichten Schreiben "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" ermutigt Franziskus zum geplanten "synodalen Weg" bei der Erneuerung der Ortskirche, die sich nach Missbrauchskandalen mit einem erheblichen Vertrauensverlust konfrontiert sieht. Zugleich ruft der Papst zu einer Evangelisierung auf. Die Deutschen Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) begrüßten das Schreiben als "Zeichen der Wertschätzung des kirchlichen Lebens in unserem Land".
Franziskus lobt die Reformanstrengungen der deutschen Katholiken angesichts "zunehmender Erosion" und "Verfall des Glaubens". Er warnt zugleich vor rein strukturellen und verwaltungstechnischen Veränderungen, vor einem "'Zurechtflicken', um so das kirchliche Leben zu ordnen und zu glätten". Verlangt werde vielmehr eine "pastorale Bekehrung", eine Haltung, die darauf abziele, das Evangelium zu leben und transparent zu machen. Den Skandal um sexuellen Missbrauch durch Kirchenvertreter als Auslöser der Reformbestrebungen erwähnt er nicht.
Evangelisierung sei "keine Taktik kirchlicher Neupositionierung in der Welt von heute" und auch "kein Akt der Eroberung", sondern führe zur Freude am Christsein, schreibt Franziskus. Er ruft dazu auf, offen auf Menschen am Rande der Gesellschaft zuzugehen, die "auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind".
Betonung der Einheit der Kirche
Auf konkrete strittige Themen wie die Priesterweihe für verheiratete Männer ging der Papst in seinem Brief nicht ein. Er unterstrich aber die Bedeutung einer weltkirchlichen Perspektive. Weltkirche und einzelne Ortskirchen seien aufeinander angewiesen und lebten voneinander. Der Blick auf die Einheit der Kirche könne verhindern, dass man sich in den Ortskirchen in einzelnen Fragen "verstricke" und den Weitblick verliere.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und ZdK-Präsident Thomas Sternberg dankten dem Papst "für seine orientierenden und ermutigenden Worte". Sie sähen sich ermutigt, den angestoßenen Reformprozess weiterzugehen. Der päpstliche Brief solle auf dem "synodalen Weg" intensiv bedacht werden.
Nachdem die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche in Deutschland in den vergangenen Jahren erschüttert worden sei, müsse es nun darum gehen, Vertrauen neu zu gewinnen, erklärten Marx und Sternberg in Bonn. Dabei sei eine geistlichen Ausrichtung notwendig, "die sich nicht in Strukturdebatten erschöpfen darf".
Die deutschen katholischen Bischöfe hatten im März Reformvorstellungen formuliert. In einem als "synodaler Weg" bezeichneten Beratungsprozess mit dem Zdk, also den kirchlichen Laien, sowie außerkirchlichen Experten soll es um Themen wie Machtstrukturen und Sexualmoral sowie das Zölibat der Priester gehen. Bereits am 5. Juli wollen Vertreter der Bischofskonferenz und des ZdK weitere Schritte beraten.
Auch andere katholische Bischöfe äußerte sich erfreut über den Brief des Papstes. Franziskus erkenne an, dass die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Themen der deutschen Katholiken berechtigt und notwendig sei, und dass es gut sei, diese gemeinsam zu gestalten, erklärte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Dankbar für dieses "starke Zeichen des Papstes" äußerte sich der Limburger Bischof Georg Bätzing. Er teilte die Auffassung des Papstes, nichts zu verschleiern und sich "den Themen zu stellen". Die Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, Ingeborg Schillai, nannte den Brief ein "klares Votum, einen gemeinsamen Prozess von Amtsträgern und Volk Gottes zu gestalten".
Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" unterstrich, dass der "verbindliche synodale Weg" die einzige Möglichkeit sei, die "existenzielle Kirchenkrise in Deutschland zu überwinden". Zugleich warnte die Initiative kritischer Katholiken davor, zu viel Hoffnung in den Prozess zu setzen, solange nicht kirchenrechtlich geklärt sei, wer am Zustandekommen von Beschlüssen beteiligt sei und welche Verbindlichkeit diese hätten.