Hasskommentare in den sozialen Medien sind nach Einschätzung des Konfliktforschers Andreas Zick lange Zeit unterschätzt worden. "Gefährlich werden sie, wenn sie zu Hass und Gewalt auffordern und die Menschenwürde angreifen", sagte der Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd) nach Abschluss einer mehrtägigen Veranstaltung an der Universität Bielefeld über sogenannte Hate-Speech. Hasskommentare würden von extremistischen Gruppen genutzt, um Menschen für ihre Ideologien und Zwecke zu rekrutieren. Vielen sei nicht bewusst, dass Hasskommentare der Radikalisierung dienten, warnte Zick.

Hassbotschaften im Internet können nach Worten von Zick in Gewalt umschlagen, wenn sie zu Gewalt radikalisieren. "Es gibt Täter, die über Hasskommentare in einen Zustand von Wut und Hass geraten und ihre Handlungen dann von der Emotion gesteuert werden", erläuterte Zick, der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld ist. "In radikalen Gemeinschaften beobachten wir, dass sich Gruppen aufstacheln, die Norm herabsenken, Opfer bestimmen und die Gewalt im Vorfeld durch Verschwörungsmythen und Ideologien rechtfertigen." Der Hasskommentar könne jedoch bereits psychologisch Gewalt bedeuten: "Hass tut weh. Das zeigen viele Studien."

"Hass tut weh"

Gesellschaftliche Konflikte und Polarisierungen haben nach Einschätzung des Konfliktforschers zugenommen. Hass habe zwar schon immer zur politischen Propaganda gehört, erklärte Zick. Schon vor zwanzig Jahren habe es rechtsextreme Internetseiten gegeben. Durch Kommentarfunktionen und soziale Medien biete das Internet heute "neue Möglichkeiten, über den Hass Gemeinschaften zu bilden". Der Hass im Netz habe Studien zufolge eine Entsprechung außerhalb des Netzes, warnte Zick. "Hassgruppen, die im Internet aktiv sind, aber auch außerhalb des Netzes Zeichen setzen, erhalten sich länger." Der derzeit immer stärker gewaltorientierte Rechtsextremismus ist nach seinen Worten Ausdruck wie Folge solcher Entwicklungen.

Der Wissenschaftler plädierte dafür, die Regulierung und Eindämmung von Hasskommentaren nicht allein den Providern zu überlassen. Internetunternehmen wie Facebook oder Youtube trügen Verantwortung. "In einer Demokratie sollten wir Firmen aber nicht die rechtliche Klärung und Strafverfolgung überlassen", mahnte Zick. Wichtig sei auch, "die zivilen Institutionen zu unterstützen, die dokumentieren, Schutz anbieten und Opfern helfen". Gefordert ist nach Worten des Konfliktforschers auch Zivilcourage: "Wir müssen imstande sein, auf Hassbotschaften und Hassreden zu achten, selbst wenn sie gegen andere geht", unterstrich Zick.

Unter dem Titel "Wenn der Hass spricht" hatten sich bis zum 15. Mai in Bielefeld Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mit dem Phänomen der "Hate Speech" in den sozialen Medien befasst. Ziel war, verschiedene Forschungen zu dem Thema zusammenzubringen und fächerübergreifende Kooperationsmöglichkeiten zu prüfen.