Bis zum Jahr 2060 könnten ähnlich wie im Bundestrend auch die Kirchen in Nordrhein-Westfalen weiter deutlich schrumpfen. Nach einer am 2. Mai veröffentlichten wissenschaftlichen Prognose könnten sich die Mitgliederzahlen für die evangelischen Kirchen im Rheinland, Westfalen und Lippe von derzeit 4,9 Millionen Mitgliedern auf dann rund 2,45 Mitglieder halbieren. In den katholischen Bistümern sieht der Trend ähnlich aus. Nach Einschätzung der Forscher liegt der Grund für die sinkenden Mitgliederzahlen nicht allein daran, dass es weniger Geburten als Sterbefälle gibt. Kirchenvertreter sehen daher die Chance, die Entwicklung noch zu beeinflussen.

Die von Finanzwissenschaftlern der Universität Freiburg erstellte Langzeit-Projektion basiert auf der demografischen Entwicklung und der Annahme, dass sich die Trends bei Taufen sowie Ein- und Austritten fortsetzen. In der Evangelischen Kirche im Rheinland könnte die Mitgliederzahl bis 2060 von 2,5 Millionen auf dann 1,4 Millionen zurückgehen. Für die westfälische Kirche wird die Entwicklung von derzeit um 1,25 Millionen Mitglieder auf 990.000 geschätzt. Bei der Lippischen Landeskirche geht die Studie von einem Rückgang von 160.000 Mitgliedern im Jahr 2017 auf 58.000 im Jahr 2060 aus.

In den katholischen Bistümern in Nordrhein-Westfalen sieht die Prognose ähnlich aus. Den Berechnungen zufolge könnte sich beispielsweise die Zahl der Kirchenmitglieder im Erzbistum Paderborn von 1,5 Millionen (2017) innerhalb 40 Jahre auf 836.400 etwa halbieren, wie das Erzbistum am 2. Mai in Paderborn mitteilte. Im Bistum Aachen könnte die Zahl von derzeit mehr als eine Million im gleichen Zeitraum auf 480.000 sinken. Bundesweit geht die Prognose von einem Rückgang von 23,3 katholischen Kirchenmitgliedern (2017) auf 12,2 Millionen aus, wie die Deutsche Bischofskonferenz mitteilte.

Entwicklung beeinflussen

Die Kirchen verwiesen darauf, dass die Studie zeige, dass die Kirchen stärker als bislang angenommen, ihre Entwicklung aktiv beeinflussen könnten. Der Rückgang habe zu zwei Dritteln demografische Gründe, dass es weniger Geburten als Sterbefälle gebe, hieß es. Auf das übrige Drittel wie Taufen und Austritte habe die Kirche Einfluss.

Der rheinische Präses Manfred Rekowski rief dazu auf, den Blick auf solche zu beeinflussenden Faktoren zu richten. "Wir fühlen uns in unseren Bemühungen bestärkt, Kirche verstärkt in neuen Formen näher zu den Menschen zu bringen", erklärte der Theologe. Er verwies auf ein mit zwölf Millionen Euro ausgestattetes landeskirchliches Förderprogramm für innovative Initiativen in den 687 rheinischen Gemeinden

Die Ergebnisse seien ein Signal, wie wichtig es sei, den Weg des Wandels aktiv gestaltend weiterzugehen, sagte die westfälische Präses Annette Kurschus in Bielefeld. Zum Wandel gehöre eine umfassende Aufgabenklärung: "Was müssen wir tun, was können wir lassen?", erklärte der Theologische Vizepräsident Ulf Schlüter. Das laufe bereits. Auch die Lippische Landeskirche versuche mit verschiedenen Maßnahmen bereits heute gegenzusteuern, erklärte der Lippische Landessuperintendent Dietmar Arends am Donnerstag in Detmold. In der Landeskirche sollen zukunftsweisende, modellhafte Projekte in den Gemeinden gefördert werden.

Prioritätensetzung

Um langfristig Angebote in der Seelsorge, der Bildung und im Sozialbereich aufrecht erhalten zu können, werde eine Prioritätensetzung bei den Ausgaben nötig sein. Die durch die gute Konjunktur günstigen Kirchensteuereinnahmen in den vergangenen Jahren ermöglichten, bereits jetzt die Weichen für den langfristigen Wandel zu stellen, erklärte das Erzbistum Paderborn. Die Ergebnisse müssten Ansporn sein, gemeinsam das Bistum für die Zukunft zu gestalten, erklärte das Bistum Aachen.

Auch bundesweit schätzt die Studie, dass sich innerhalb von rund 40 Jahren die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland halbieren könnte. Laut Prognose gehörten dann nur 22,7 Millionen Menschen einer der großen christlichen Kirche an. Im Jahr 2017 zählten katholische und evangelische Kirche zusammen noch 44,8 Millionen Mitglieder. Die Studie wurde vom Forschungszentrum Generationenverträge (FZG) der Freiburger Universität für die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erstellt.